Seit den 90er Jahren fragen vermehrt
private und institutionelle Anleger nach den Möglichkeiten
einer "ethischen, ökologischen oder sozialen Geldanlage".
Sie wollen nicht nur die erwartete Rendite zum
Anlagekriterium machen, sondern auch bestimmte
Verhaltensweisen der Unternehmen berücksichtigen. Auf den
Finanzmärkten und den darum gruppierten Dienstleistern
entstand damit eine völlig neue Informationsproduktion - das
Nachhaltigkeits-Rating. Unternehmen mussten für die
Aktienanlage nicht mehr nur auf Sicherheit und Rendite
geprüft werden, sondern auch hinsichtlich der ethischen,
ökologischen oder sozialen Unternehmensqualität. Einen
aktuellen Überblick über die verschiedenen Ansätze zur
Bewertung von Nachhaltigkeit in Unternehmen aus
Geldanlegersicht liefert eine Studie des
Betriebswirtschaftlichen Instituts der Universität
Stuttgart, die unter der Leitung des Finanzwissenschaftlers
Prof. Dr. Henry Schäfer soeben abgeschlossen wurde.Die
Studie stellt heraus, dass bei den existierenden Konzepten
zur Prüfung der Nachhaltigkeit, wie sie Rating-Agenturen,
bankinterne Analystenabteilungen und Aktienindexbetreiber
einsetzen, ein einheitlicher oder auch nur genau definierter
Kriterienkatalog bislang fehlt. Alle Konzepte entspringen
zudem sehr unterschiedlichen, individuellen Motiven der
Anbieter und auch sehr unterschiedlichen Vorstellungen von
Nachhaltigkeit beziehungsweise von ethischem Handeln.
Darüber hinaus weisen insbesondere die intensiv untersuchten
Messungen sozialer oder kultureller Kriterien gegenüber
vergleichbaren Methoden des finanzwirtschaftlichen Bereichs
methodische Mängel auf.
So müssten etwa bei jeder Messung oder Bewertung die
Bewertungsindikatoren und ihre Werte klar ausgewiesen sein
und einer nachvollziehbaren Begründung standhalten. Dies
gilt auch für Konzepte des Nachhaltigkeits-Ratings. Diesem Anspruch wurden die untersuchten Systeme
nur eingeschränkt gerecht. Die Organisationen des
Nachhaltigkeits-Ratings sind jedoch derzeit nicht bereit,
detailliert Auskünfte über von ihnen zugrunde gelegte
Grenzwerte bei einzelnen Nachhaltigkeitsindikatoren zu
geben. Problematisch einzuordnen ist auch die Praxis, die
einzelnen Bewertungen analog des Finanzratings zu einem
einzigen Urteil zu verdichten. Die Heterogenität und
fehlende Standardisierung des Erhebungsvorgangs von
Nachhaltigkeit in den praktizierenden Rating-Institutionen
machen einen Vergleich ihrer Ergebnisse Außenstehenden fast
unmöglich. Die Entwicklung von einheitlichen Bewertungsverfahren für die Nachhaltigkeit ist noch nicht
abgeschlossen. Die Studie sieht etliche Anhaltspunkte für die Einrichtung eines "Rating
der Rater" im Nachhaltigkeitsbereich, um die Qualität der Informationen und
Nachhaltigkeitsbeurteilungen zu überprüfen und zu sichern.
Dies sei besonders deshalb wichtig, da der Markt für
prinzipiengeleitete Kapitalanlagen sehr stark von der
Übersichtlichkeit und Sicherheit der Informationen für die potentiellen Anleger
abhängig ist. eng
KONTAKT
Prof. Dr. Henry Schäfer, Lehrstuhl
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft,
Tel. 0711/218460-01, 218460-00,
e-mail: h.schaefer@po.uni-stuttgart.de