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Stuttgarter unikurier Nr. 91 April 2003
Auf der Suche nach besseren Werkstoffen:
Metallforschung an dünnen Schichten
Was haben Mobiltelefone, Körperimplantate, Bohrer oder Bratpfannen gemeinsam? Überall spielen dünne Schichten eine wichtige Rolle: Der Bandpassfilter im Mobiltelefon, die Wachstum anregende Beschichtung auf Körperimplantaten, die Oberflächen härtende Beschichtung auf einem Bohrer oder die Antihaft-Beschichtung in einer Bratpfanne. Wissenschaftler des Universitäts-Instituts für Metallkunde, das in Personalunion mit einer Abteilung des Max-Planck-Instituts für Metallforschung geführt wird, untersuchen mit modernsten Methoden werkstoffwissenschaftliche Fragestellungen an dünnen Metallschichten.
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  Eine Aluminiumschicht auf einem Al2O3 Substrat mit einer Versetzung (schwarze Linie), aufgenommen bei einem in-situ- Verformungs- versuch im Elektronenmikroskop. (Foto: Institut)
Meist haften solche dünnen Schichten auf einem dickeren Substrat und sollen entweder dessen Oberflächeneigenschaften verändern, wie Korrosionsschutzschichten, oder zur eigentlichen Bauteilfunktion beitragen, als Leiterbahn oder als Transistor im Computerchip. Ihre Aufgabe können sie nur wahrnehmen, solange sie tatsächlich am Substrat haften. Bei mechanischer Beanspruchung während der Anwendung können sie sich vom Substrat lösen. In Computerchips zum Beispiel dehnen sich die Leiterbahnen und dünnen Metallschichten durch die Joulesche Erwärmung bei Stromfluss stärker aus als das Substrat. Dabei werden in den Leiterbahnen mechanische Spannungen erzeugt. Werden diese Spannungen zu groß, löst sich die Schicht oder Bahn vom Substrat. Deswegen ist das Verständnis des mechanischen Materialverhaltens für viele technologische Anwendungen essentiell. Jedoch ist aufgrund der geometrischen Beschränkung in einer Dimension dieses mechanische Materialverhalten anders als im Vollmaterial. 

Anwendungen optimieren
Durch die systematische Untersuchung der Mikrostruktur, beispielsweise mit Transmissions- und Rasterelektronenmikroskopie, mit Fokussierter-Ionenstrahlmikroskopie und Röntgenstrahlmethoden, ergründen die Forscher den Einfluss der Mikrostruktur auf das mechanische Verhalten. Dieses wird dabei mit hochentwickelten Methoden, etwa der Substratkrümmungsmethode und Nano-Härtemessung, bestimmt. Durch die Kombination dieser und weiterer Methoden konnte gezeigt werden, dass die besonders hohe Festigkeit dünner Metallschichten durch die behinderte Bildung und Bewegung von mikrostrukturellen Defekten, so genannten Versetzungen, verursacht wird. Darüber hinaus werden für Anwendungen bei erhöhter Temperatur die Einflüsse der veränderten Diffusionswege auf das Materialverhalten aufgeklärt. Durch das inzwischen große Verständnis des Materialverhaltens dünner Metallschichten können Anwendungen optimiert und neue Effekte technologisch genutzt werden. 

In der Mikrosystemtechnik finden dünne Schichten beispielsweise in kleinen Hebeln, so genannten Aktuatoren, Anwendung. Für diese Hebel werden Schichten aus Formgedächtnislegierungen verwendet. Der Formgedächtniseffekt beruht auf einer speziellen Phasenumwandlung, bei der eine Phase ab einer bestimmten Temperatur in die andere Phase umgewandelt wird. Dabei tritt diese Umwandlung immer auf dieselbe Art und Weise auf, so dass die Formände-rung bei jeder Umwandlung etwa die gleiche ist. Dadurch verstellt sich der Aktuator je nachdem, in welcher Phase die Formgedächtnislegierung im Schichtverbund vorliegt, von einer Stellung in eine zweite. Temperaturdifferenzen werden dabei durch Stromfluss und die damit verbundene Erwärmung erreicht. Grundlegende Untersuchungen an dünnen Schichten klären den Einfluss der eingeschränkten Geometrie und der mechanischen Spannungen auf die Umwandlung auf und tragen so zur Optimierung dieser Bauteile bei.

Wenn das Mobiltelefon versagt...
  Das Ionenstrahlmikroskop macht es deutlich: Nach einer hochfrequenten mechanischen Belastung zeigen die etwa 1 µm breiten Strukturen zahleiche Schädigungen, darunter Auswüchse.
(Foto: Institut)
Viele hochtechnologische Anwendungen beruhen auf dem funktionalen Einsatz dünner Schichten. Dabei treten für die Werkstoffe aufgrund der kleinen Dimensionen extreme Bedingungen auf, die zu starken Schädigungen führen können. In Leiterbahnen kann beispielsweise Elektromigration auftreten. Durch die hohen Stromdichten bewegen sich die Atome vorzugsweise in eine Richtung und es entstehen entweder Poren oder Auswüchse, die zum Ausfall eines Computerchips führen können. In Mobiltelefonen werden dünne Schichten in Bandpassfiltern eingesetzt, mit dem der Frequenzbereich für die Übermittlung von Daten ausgewählt wird. Dabei werden akustische Wellen in hochfrequente mechanische Wellen innerhalb der dünnen Schichten umgewandelt. Diese mechanischen Wellen führen zu Schädigungen, die letztlich das Versagen des Mobiltelefons verursachen können. Mit modernsten Methoden wird das Schädigungsverhalten dünner Schichten untersucht, um bessere Werkstoffe für diese extremen Anforderungen zu finden. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal Ihr Mobiltelefon einschalten.

KONTAKT 
Prof. Dr. Eduard Arzt, 
Tel. 0711/689-3401,
e-mail: arzt@mf.mpg.de



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Pressestelle der Universität Stuttgart

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