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Stuttgarter unikurier Nr. 91 April 2003
Nachhaltige Bioproduktion:
Farb- und Kunststoffe - umweltfreundlich hergestellt

In den letzten Jahrzehnten hat die chemische Synthese mit Biokatalysatoren in der Industrie einen stürmischen Aufschwung erlebt. Dabei werden Enzyme als Biokatalysatoren für chemische Umsetzungen nutzbar gemacht. Durch Bindung an inerte Trägermaterialien wie Glas oder Keramik gelingt es, hohe Standzeiten zu erreichen und die Stabilität dieser Protein-Katalysatoren gegenüber erhöhter Temperatur oder organischen Lösemitteln deutlich zu erhöhen. Fructose-Sirups aus Stärke, Asparaginsäure aus Fumarsäure oder Acrylamid aus Acrylnitril sind nur einige Beispiele dieser Technologie.
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Durch die Gentechnik gewann diese Arbeitsrichtung einen gewaltigen Aufschwung. Heute kann fast jedes beliebige der etwa 10.000 bekannten Enzyme rein und preiswert in einem als Wirt dienenden Mikroorganismus hergestellt werden – gleichgültig, ob es aus Tieren, Pflanzen, Insekten oder Mikroorganismen stammt. Darüber hinaus erlaubt das Protein Engineering, Enzyme über weite Bereiche hinweg willkürlich zu verändern – beispielsweise sie an die in der Synthesechemie gewünschten Ausgangsverbindungen und Reaktionsbedingungen anzupassen.

Wissenschaftler nutzen biologische Vielfalt
Die meisten in der Technik eingesetzten Enzyme katalysieren Hydrolysen, Ester-Synthesen oder Isomerisierungen. Im Gegensatz zur chemischen Katalyse wird bei enzymatischen Reaktionen häufig nur ein Enantiomer (eine optisch reine Verbindung aus einem Bild/ Spiegelbild Paar) gebildet. Die in der industriellen Chemie so wichtigen Oxidationsreaktionen, die meist bei hohem Druck und Temperatur durch Einblasen von Luft in eine Reaktionsmischung erfolgen, können dagegen bisher nur in sehr wenigen Ausnahmefällen mit Enzymen durchgeführt werden. Wissenschaftler des Instituts für Technische Biochemie beschäftigen sich deshalb vor allem mit der Frage, ob die positions- und stereoselektive Einführung von Hydroxylgruppen an nicht aktivierten Kohlenstoffatomen unter umweltfreundlichen Bedingungen mit Hilfe von Enzymen technisch realisierbar ist – hier bleibt die Synthesechemie unselektiv und führt zu Substanzgemischen, die mühsam voneinander getrennt werden müssen. Die Enzymklasse der so genannten Monooxygenasen, die auch in der menschlichen Leber für die oxidative Aktivierung pharmakologischer Wirkstoffe verantwortlich sind, bietet hier sehr interessante Möglichkeiten; in der Natur wurden bereits über tausend verschiedene Monooxygenasen nachgewiesen, so dass die Wissenschaftler auf eine hohe biologische Vielfalt für die unterschiedlichsten Oxidationsreaktionen zurückgreifen können.

Farbstoffe aus Glucose
Mittlerweile haben die Stuttgarter Biochemiker aus Mikroorganismen isolierte Monooxygenasen mit gentechnischen Methoden in großen Mengen und sehr rein herstellen können. Da sie die Raumstruktur dieser Enzyme kennen, können sie diese mit Hilfe der Gentechnik gezielt für die gewünschte Umsetzung verändern. So gelingt es beispielsweise, aus Glucose Farbstoffe wie blaues Indigo oder rötliche Farbstoffe vom Typ ß-Carotin herzustellen. Ein weiteres Ziel der Arbeiten ist die Umwandlung von Erdöl-Bausteinen wie Oktan oder Cyclohexan in reine Oxidationsprodukte wie 1-Oktanol oder Cyclohexanon – wichtige Zwischenprodukte der Synthese-Chemie, die der organische Chemiker nur mit vielen Nebenprodukten und in schlechter Ausbeute herstellen kann.

KONTAKT
Prof. Dr. Rolf D. Schmid,
Tel. 0711/685-3193, 
e-mail: rolf.d.schmid@rus.uni-stuttgart.de



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Pressestelle der Universität Stuttgart

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