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Stuttgarter unikurier Nr. 91 April 2003
Von Wertstoffen und umweltfreundlicher Produktion:
Katalysatoren machen´s möglich

Die heterogene Katalyse steht im Mittelpunkt der Forschung am Institut für Technische Chemie (ITC). Vor allem Zeolithe, dies sind mikroporöse, kristalline Alumosilikate, werden als Katalysatoren genutzt. Diese Materialien werden seit den 60er Jahren als Spaltkatalysatoren in der Raffinerietechnik verwendet und zunehmend auch in der industriellen Herstellung von Petro-, Bulk- und Feinchemikalien. Neben Zeolithen in der Katalyse sowie in der Stofftrennung untersuchen Wissenschaftler des ITC auch die Synthese und gezielte Modifikation mit dem Blick auf gewünschte Materialeigenschaften. Zwei Beispiele aus der aktuellen Forschung des Instituts zeigen, wie durch die Verwendung von Zeolithen in heterogen katalysierten Prozessen ein wesentlicher Beitrag zu einer „grünen“, nachhaltigen Chemie geleistet wird.
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Nachhaltige Produktionsverfahren

Bei der industriellen Stoffsynthese und Herstellung neuer Materialien stehen ökonomisch und ökologisch optimierte Produktionstechnologien im Vordergrund. Der Einsatz von Katalysatoren und die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen sind eng verknüpft mit der Entwicklung von nachhaltigen Produktionsverfahren. Mit Hilfe hochspezifischer Katalysatoren können chemische Reaktionen gezielt gesteuert und in vielen Fällen auch extrem beschleunigt werden. Wie effizient dies sein kann, lehrt uns die Natur: dort sind praktisch alle Lebensprozesse in irgendeiner Art und Weise richtungsgesteuert, beispielsweise mit der Katalyse durch Enzyme. Eine ähnliche Bedeutung haben Katalysatoren für die Synthese neuer Materialien und Werkstoffe wie etwa Polymeren oder für die Struktur und Zusammensetzung hochreiner Pharmaka; daneben spielen Katalysatoren auch eine Rolle bei der Vermeidung oder Umwandlung von Schadstoffen bei Produktions- und Energiegewinnungsprozessen.
Als Beispiele für Forschungsaktivitäten an der Fakultät Chemie, die von der Technologie oder der Rohstoffbasis her in direktem Zusammenhang mit nachhaltigen Produktionsverfahren stehen, werden Arbeiten über Katalysatoren zur Gewinnung wertvoller chemischer Grundstoffe aus Erdöl (Institut für Technische Chemie, ITC) oder Kohlehydraten (Institut für Organische Chemie), zur umweltfreundlichen Herstellung von Bausteinen für Kunststoffe (ITC) und über Biokatalysatoren (Institut für Biochemie) skizziert.  Claus D. Eisenbach

Aromatische Kohlenwasserstoffe stellen heute mit einem Anteil von über 40 Volumenprozent eine Hauptkomponente des Motorenbenzins dar. Dort sind sie einerseits wegen ihrer hohen Octanzahlen um 120 erwünscht, andererseits sind sie wasserstoffarm (hoher CO2-Ausstoß) und können bei ungünstigen Betriebszuständen des Motors oder des Abgaskatalysators zum Ausstoß des carcinogenen Benzols führen. In der Europäischen Union wird deshalb ab 2005 im Rahmen des Auto-Öl-Programms der Aromatengehalt im Benzin auf 35 Volumenprozent limitiert. Als Folge ist ein Überschuss aromatischer Kohlenwasserstoffe auf dem Markt zu erwarten; und die Suche nach neuen Verfahren zur Umwandlung überschüssiger Aromaten in Wertprodukte ist ein sehr lohnendes Ziel der Katalysatorforschung. 

Unerwünschte Stoffe werden zu Wertstoffen
In Kooperation mit einem Industriepartner haben die Stuttgarter Forscher die chemisch-katalytischen Grundlagen für ein neues Verfahren geschaffen, das die Umwandlung von Aromaten mit Wasserstoff in ein Gemisch aus Ethan, Propan und n-Butan erlaubt. Dieses Gemisch niederer n-Alkane ist ein ausgezeichneter künstlicher Einsatz für das so genannte Steamcracken, das heute mit Abstand wichtigste Verfahren zur Erzeugung von Ethen und Propen; diese sind zugleich wichtige Stoffe für die Kunststoffindustrie und Basisprodukte für die industrielle 
organische Chemie. Im Lauf der Untersuchungen entdeckten die ITC-Forscher spezielle Zeolith-Katalysatoren, die es erlauben, überschüssige Aromaten mit über 80-prozentiger Ausbeute in die Zielprodukte Ethan, Propan und 
n-Butan umzuwandeln. Von erheblicher Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit des neuen Verfahrens ist, dass dabei die Bildung des unerwünschten Kohlenwasserstoffs Methan nahezu vollständig unterdrückt werden kann und dass keine messbare Katalysatordesaktivierung auftritt.

Produktionsprozesse umweltfreundlicher gestalten
Ein Beispiel für einen chemischen Produktionsprozess, der durch Katalysatoren auf Zeolithbasis umweltfreundlicher gestaltet werden kann, ist die Herstellung von e-Caprolactam. Es dient als Ausgangsstoff für die Herstellung des thermoplastischen Kunststoffs Nylon-6. Konventionell wird es durch die säurekatalysierte Umsetzung von Cyclohexanonoxim (Beckmann-Umlagerung) in flüssiger Lösung hergestellt. In diesem Prozess werden große Mengen an Schwefelsäure verbraucht. Pro Tonne produzierten e-Caprolactams fallen bis zu vier Tonnen Ammoniumsulfat als Nebenprodukt an. Dieses Salz wird als Düngemittel vergleichsweise geringer Qualität an Entwicklungsländer verkauft. Die japanische Firma Sumitomo Chemicals hat kürzlich ein Verfahren entwickelt, das anstelle von Schwefelsäure einen Katalysator auf der Basis eines schwach sauren Zeoliths verwendet. 
So wird die Entstehung von Ammoniumsulfat vermieden; gleichzeitig werden Anlagen zur Produktion und Aufbereitung verbrauchter Schwefelsäure entbehrlich. ITC-Wissenschaftler untersuchten die Beckmann-Umlagerung von Cyclohexanonoxim an verschiedenen Zeolithen und mesoporösen Materialien (Porendurchmesser von zwei bis 50 nm). Anhand von Untersuchungen an gezielt präparierten Zeolithen mit unterschiedlicher Kristallitgröße konnte gezeigt werden, dass die Beckmann-Umlagerung – entgegen der bisherigen Lehrmeinung – nicht nur an der äußeren Oberfläche der Zeolithkristalle abläuft. Die Lebensdauer von mesoporösen Katalysatoren erhöhte sich, wenn ein geräumigeres oder dreidimensional vernetztes Porensystem vorlag. Auf diese Weise trägt die Forschung zur Verbesserung und Effizienzsteigerung industrieller Katalysatoren bei, die ihrerseits eine nachhaltige chemische Produktion erst ermöglichen.

KONTAKT
Prof. Dr. Jens Weitkamp, 
Tel. 0711/685-4059,
e-mail: jens.weitkamp@po.uni-stuttgart.de



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Pressestelle der Universität Stuttgart

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