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Stuttgarter unikurier Nr. 91 April 2003
Neue Möglichkeiten durch Terahertz-Technologie: 
Dynamik und Funktion der Proteine wird sichtbar
Die Anwendung physikalischer Methoden, Konzepte und Modelle auf biologische und medizinische Fragestellungen gewinnt zunehmend an Bedeutung. In einem auf drei Jahre angelegten europäischen Forschungsprojekt arbeiten Wissenschaftler aus fünf Ländern an der Untersuchung von Biomolekülen und Zellen sowie an neuen bildgebenden Verfahren. An der Universität Stuttgart wird in diesem Rahmen am 1. Physikalischen Institut unter der Leitung von Prof. Martin Dressel vor allem die Erforschung der Dynamik von Enzymen und Proteinen durch neue optische Technologien im Terahertz-Bereich verfolgt.
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Die Terahertz-Lücke
Der Bereich zwischen Mikrowellen und Infarotlicht, also zwischen 100 Gigahertz und 20 Terahertz, wird in der Wissenschaft als „Terahertz-Lücke" bezeichnet, da lange Zeit keine Halbleiter-Technologie fähig war, innerhalb dieser Lücke effektiv elektrischen Strom in elektromagnetische Strahlung umzuwandeln und auch ansonsten kaum geeignete Strahlungsquellen zur Verfüggung standen. In diesem Spektralbereich schwingen Makromoleküle in eigener, unverwechselbarer Art, so dass unterschiedliche Stoffe eindeutig identifiziert werden können. Von Strahlungsquellen in diesem Frequenzbereich erhoffen sich die Wissenschaftler daher neue Bilder aus dem Inneren biologischer Gewebe, eine genauere Beobachtung von Änderungen in der DNA sowie die Entdeckung versteckter und getarnter biologischer Gefahrenherde.

Nebenwirkungen im Blick
Erstmals lenken die Forscher beim Einsatz und der Erprobung der neuen Untersuchungsmethode ihre Aufmerksamkeit auch gleichzeitig auf mögliche negative Einflüsse, die von der Terahertz-Strahlung auf das biologische Gewebe ausgehen könnten. Unter dem Namen „THz-Bridge" hat sich ein Konsortium europäischer Wissenschaftler zusammengefunden, um eine spektroskopische Datenbank aufzubauen und Normen für biomedizische Anwendungsverfahren zu definieren (Tera- Hertz radiation in Biological Research, Investigation on Diagnostics, and study on potential Genotoxic Effects).

Problem: Strahlungsquellen
Vor dem breiten Einsatz von Terahertz-Strahlung müssen noch Fragen über geeignete Strahlungsquellen und die Aufbereitung zu untersuchender Proben geklärt werden. Neben konventionellen spektroskopischen Methoden werden am 1. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart Rückwärtswellen-Oszillatoren eingesetzt, die bis hinauf zu 1.5 THz eine sehr leistungsstarke, monochromatische und durchstimmbare Strahlung liefern. Hiermit wird vor allem die Dynamik von Enzymen und Proteinen verfolgt. Erprobte optische Techniken erlauben bereits heute, die Struktur von Proteinen zu untersuchen und mittels geeigneter Methoden auch mit ihrer Funktion zu verknüpfen. Aufgrund der Kenntnis ihrer Funktion kann mittels Spektroskopie versucht werden, die strukturellen Änderungen innerhalb des Proteins festzuhalten, um Aussagen über die Dynamik des Prozesses zu machen. 
In Stuttgart werden diese optischen Untersuchungsmethoden nun in den fernen Infraroten Spektralbereich von 10 GHz bis 30 THz ausgedehnt. Zudem wurde zur besseren räumlichen Auflösung ein Nahfeld-Spektrometer für diesen Spektralbereich entwickelt.
Um die Funktion der Proteine genauer zu verstehen, werden die Absorptionsänderungen aufgezeichnet, die bei bestimmten Funktionen auftreten. Dabei werden die charakteristischen Schwingungsfrequenzen komplexer Biomoleküle bis hin zu Zellen gesucht. Langfristiges Ziel ist es, eine spektroskopische Datenbank für ausgewählte Enzyme, Proteine, biologi- sche Membranen und Zellen in dem fern-infraroten Frequenzbereich zu erstellen, um charakteristische Frequenzen zu identifizieren.

  Terahertz-Spektrum eines Schwarzwälder Schinkens.Gezeigt ist das Verhältnis der Intensitäten, die von dem Fleisch- und Fettanteil reflektiert werden. (Grafik: Institut)
Anwendungsfelder
Aus der wissenschaftlichen Grundlagenforschung ergeben sich unmittelbar auch eine Reihe von neuen Anwendungen. So existieren bereits Versuche zur Durchleuchtung von Zähnen und von krebshaltigem Gewebe; doch auch im sicherheitstechnischen Bereich bei der Personen- und Postkontrolle ist der Einsatz von THz-Strahlung denkbar. In dem EU-Projekt soll deshalb festgestellt werden, in welchem Frequenzbereich die neuen bildgebenden Verfahren eingesetzt werden können und wo sie einen optimalen Kontrast liefern. Die Aktivitäten auf dem Gebiet der Terahertz-Spektroskopie sind weltweit eingebettet in ein wissenschaftliches Netzwerk von Physik, Physikalischer Chemie, Biophysik, Physiologie, Pharmakologie, Biomedizin und Medizin. Deutschland ist neben den USA und England führend im Bereich der Terahertz-Strahlung und an mehreren Universitäten wird intensiv in dieser Richtung geforscht. /eng

Kontakt
Prof. Dr. Martin Dressel,
Tel. 0711/685 4946, dressel@pi1.physik.uni-stuttgart.de


last change: 20.07.03 / hj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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