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Stuttgarter unikurier Nr. 91 April 2003
Neuer Sonderforschungsbereich gestartet:
Forschung über digitale Weltmodelle 

Zum 1. Januar diesen Jahres startete an der Universität Stuttgart der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Sonderforschungsbereich (SFB) 627 „Umgebungsmodelle für mobile kontextbezogene Systeme“ (Nexus). Der SFB, der bei einer Gesamtlaufzeit von zwölf Jahren zunächst für vier Jahre bewilligt wurde, integriert neben einem starken Informatikschwerpunkt auch Forscher aus anderen Disziplinen, wie der Photogrammetrie, Technikphilosophie, Elektrotechnik und Fertigungstechnik. Mit einem Fördervolumen von rund sechs Millionen Euro in der ersten Periode stellt er einen europaweit einzigartigen Schwerpunkt in den Zukunftstechnologien „Pervasive“ und „Ubiquitous Computing“ dar, vergleichbar nur mit fünf großen Leitprojekten in den USA. Sprecher des SFBs ist Prof. Dr. Kurt Rothermel vom Institut für Parallele und Verteilte Systeme.
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Technische Voraussetzungen
Die Entwicklung und Verbreitung der Mobilkommunikation fördert immer wieder innovative Anwendungen. Ebenso verbreitet sich der Einsatz mobiler multifunktionaler Endgeräte, die neben Kommunikations- und Rechnerfunktionen auch Sensoren, etwa zur Positionsbestimmung, integrieren. Unter dem Schlagwort „Ubiquitous Computing“ – einem hochaktuellen Forschungsgebiet - werden technische Systeme zusammengefasst, bei denen Alltagsgegenstände elektronische Zusatzfunktionen erhalten, die sie kommunikationsfähig und „intelligent“ machen, da sie Informationen über ihren Zustand und ihre Umgebung erfassen können.

Umgebungsmodelle für mobile Kontext-bezogene Systeme
Die Modellierung der physischen Welt führt zu einem Umgebungsmodell. Die Ausgestaltung solcher Umgebungsmodelle kann von einfachen geometrischen Modellen über Straßenkarten bis hin zu hochkomplexen dreidimensionalen Modellen von Gebäuden reichen, die heute schon realitätsnah möglich sind. Neben der Visualisierung solcher Modelle für Navigations- oder Informationszwecke lassen sich durch Bilderkennungsverfahren auch Rückschlüsse auf die Umgebung eines mobilen Anwenders, wie dessen Blickrichtung, ableiten.

Werden nun noch weitere Informationen in diese Modelle eingebettet, entstehen digitale Weltmodelle, die mehr als die real existierenden Objekte und ihre aktuellen Zustände enthalten. Es entsteht eine Symbiose aus realer Welt und digitalen Informationsräumen (Augmented World Model). Kontext-bezogene (context-aware) Systeme berücksichtigen neben ihrem eigentlichen Ausführungszustand auch Parameter ihrer Umgebung und können sich dadurch der jeweiligen Situation anpassen. Ein signifikanter Umgebungsparameter ist dabei die aktuelle Position des Benutzers, der in ortsbezogenen (location-aware) Systemen eine zentrale Rolle einnimmt. Diese Systeme können von in digitalen Weltmodellen gespeicherten Informationen profitieren und diese nutzen.

Anwendungen
Auf Basis solcher digitalen Weltmodelle werden neue, innovative Anwendungen möglich, denen eine Fülle von Informationen der realen und digitalen Welt zur Verfügung stehen. Informationssysteme können den Benutzerort, seine Tätigkeit und Umgebung ausnutzen, um speziell für ihn relevante Informationen anzubieten wie Infos zum Einkaufen, für einen Stadtrundgang oder für Wartungsarbeiten in einem Gebäude. Zur Interaktion mit dem Benutzer können existierende Technologien, wie Navigationssysteme in Fahrzeugen oder Handys, benutzt werden, aber auch neue Entwicklungen wie Brillen mit eingeblendetem Bildschirm oder in die Kleidung integrierte Anzeigen zum Einsatz kommen. 

Durch die Miniaturisierung von Computern können Werkstücke und Verbrauchsmaterialien sich in einer „Smart Factory“ selbst organisieren und zu einem verbesserten Produktionsablauf führen. Weitere innovative Anwendungsfelder ergeben sich beispielsweise in der Unterstützung behinderter Menschen. Navigationssysteme für sehbehinderte Menschen können mit den Informationen des digitalen Weltmodells Hindernisse, den Zustand von Ampeln, oder Gruppen anderer Menschen erkennen und Hinweise für die Wegwahl geben.

  Modellbildung. (Grafik: Institut)
Interaktion
Neben den Anwendungen kann auch das die Umgebungsmodelle verwaltende System selbst von diesen profitieren. So werden neue Kommunikationsformen wie zum Beispiel ortsbasierte Kommunikation und räumliche Ereignisse möglich. Ortsbasierte Kommunikation erlaubt das Versenden von Nachrichten an einen Ort, beispielsweise an mobile Anwender auf einer Straße (Stauwarnung). Räumliche Ereignisse lösen Aktionen des Systems in Abhängigkeit bestimmter räumlicher Konstellationen der realen Welt aus (Begegnungen, Betreten eines Raumes, etc.).




Sicherheit und Akzeptanz
Im Zentrum des neuen Sonderforschungsbereichs stehen die Definition und Realisierung von Weltmodellen sowie Verfahren zur Modellpräsentation und die Integration von Sensordaten. Neben den technischen Problemen werfen die Möglichkeiten digitaler Weltmodelle aber auch Fragestellungen im Bereich der Informationssicherheit und der gesellschaftlichen Akzeptanz auf. Das Konzept des interdisziplinären SFB integriert deshalb Projekte zur sicheren Nutzung personenbezogener Daten sowie zur gesellschaftlichen Relevanz und Akzeptanz der Informationssysteme. /eng

http://www.nexus.uni-stuttgart.de/

Kontakt
Prof. Dr. Kurt Rothermel, 
Institut für Paralle und Verteile Systeme, Tel. 0711/7816 448,
e-mail: Kurt.Rothermel@informatik.uni-stuttgart.de



last change: 20.07.03 / hj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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