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Stuttgarter unikurier Nr. 90 November 2002
Symposium und Ausstellung zum Werk von Antoni Gaudi:
Originalität bedeutet, zum Ursprung zurückzukehren
 

Die Arbeiten des spanisch-katalanischen Architekten Antoni Gaudi (1852 - 1926) locken bis heute Architekturinteressierte aus der ganzen Welt nach Barcelona. Anlässlich des 150. Geburtsjahres von Gaudi veranstaltete das Fachgebiet Grundlagen der Planung und Konstruktion des Instituts für Entwerfen und Konstruieren ein Symposium und eine Ausstellung.

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Zielgruppe des Symposiums am 11. Juni war ein breites Fachpublikum. „Wir hatten viel Resonanz von Architekturbüros und allgemein an Kunstgeschichte interessierten Menschen“, berichtet Matthias Rottner, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts. Rund 200 Teilnehmer, darunter auch viele Studentinnen und Studenten aus dem Bereich Architektur und Bauingenieurwesen, folgten den sechs Vorträgen. Prof. Jan Molema von der Technischen Universität Delft, Gründer der „Gruppe-Gaudi“, sprach zum Thema „Gaudi und die Mayas“. Prof. Jos Tomlow von der Hochschule Zittau hielt einen Vortrag über die „Interpretation des Hängemodells“ und der Architekt Arnold Walz berichtete über „Generating architectural form“.

Urbilder moderner Architekturformen
„Gaudis Werk nimmt eine eigentümliche Mittelstellung zwischen zwei Grundströmungen der Architektur ein, der rationalen und der expressiven“, erklärte Prof. José Luis Moro in seinem Beitrag über „Die Urbilder moderner Architekturformen“. Prof. Moro ist Leiter des Fachgebietes Grundlagen der Planung und Konstruktion. „Die komplexen Formen haben keine versteckten krückenartigen Hilfsmittel, sondern sind aus der Kraftabtragung selbst hergeleitet und zeigen eine verblüffende Materialökonomie“, beschreibt Moro die 
Werke Gaudis, „er ist ein Konstrukteur und kraftvoller Gestalter gleichzeitig.“ Moro hofft, dass heutige Architekten mutiger werden und die vielen neuen Möglichkeiten für Tragwerksformen nutzen.
Die Sagrada Familia, Gaudis wohl bekanntestes Bauwerk, ist noch unvollendet. Jetziger Baumeister der Kathedrale in Barcelona ist Jordi Bonet i Armengol. In seinem Vortrag berichtete er, wie er mit seiner Arbeitsgruppe anhand von Originalzeichnungen und Modellen Gaudis versucht, das Bauwerk nach Gaudis Vorstellungen fertig zu stellen. Einigen Aufgaben müssen sich allerdings die Architekten der nächsten Generation stellen, sagt er. „All dies kann nur deshalb geschehen, weil Gaudi eine Leitlinie entwickelte und seinen Nachfolgern als Handlungsanweisung hinterließ, wobei er ausreichend Freiraum ließ.“

Bauwerke mit den Händen begreifen
Auch Prof. Frei Otto wurde bei seiner Arbeit von Gaudi inspiriert. Otto lehrte von 1964 bis 1991 an der Stuttgarter Uni. Gemeinsam mit Jos Tomlow, Rainer Graefe und Arnold Walz rekonstruierte er Gaudis berühmtes Hängemodell für die Colonia-Güell-Kapelle. Dieses war auch in der Ausstellung zu sehen. In seinem Vortrag „Klötzchenspiel“ beschrieb Prof. Frei Otto, wie wichtig ihm der Umgang mit Modellen ist. Und zwar in gleicher Weise mit „echten“ und mit Computermodellen: „Doppelt hält besser, es ist wichtig, ein Bauwerk nicht nur mit dem Kopf begreifen zu können, sondern auch mit den Händen. Es ist so einfach: Mit ganz simplen Klötzchen könnten Sie die Statik der gesamten Welt der Steinbauten überprüfen!“

Wie haben frühere Baumeister, zum Beispiel der Gotik, die Standfestigkeit ihrer feingliedrigen Gebäude erreicht, fragte Prof. Otto, und wie hat Gaudi für ein Kräftegleichgewicht bei seinen komplexen Bogen- oder Gewölbekonstruktionen gesorgt? Direktes Arbeiten mit Material gibt Einsichten, davon ist Otto überzeugt. Er forderte die Architekten auf, mit verschiedenen Modellmaterialien wie Holz und kleinen Steinziegeln im wahrsten Sinne des Wortes zu spielen.

Die vom 11. Juni bis 15. Juli gezeigte Ausstellung ist schon vor 30 Jahren von der Forschungsgruppe Gaudi aus Delft konzipiert worden. Seitdem wurde allerdings Vieles überarbeitet. Neben der Gruppe der TU Delft und dem Fachgebiet für Grundlagen der Planung und Konstruktion der Uni Stuttgart waren die Deutsch-Spanische Gesellschaft Baden-Württemberg und das Spanische Generalkonsulat Stuttgart bei der Konzeption und Finanzierung der Ausstellung beteiligt. Vor allem beim Erwerb der Ausstellungsmaterialien aus Barcelona war die Unterstützung des Generalkonsuls Diego Maria Sánchez Bustamante sehr hilfreich. So konnten die Besucher unter anderem wunderbare Farbaufnahmen der Architektur Gaudis betrachten. Zum Beispiel das bekannte Casa Milá mit seiner besonders eindrucksvoll gestalteten Dachlandschaft. Hier hat Gaudi funktionale Elemente, wie Kamine und Lüftungsschächte, sehr kreativ in Form von Gesichts- und Maskenphysiognomien umgesetzt.
Der Katalog zur Ausstellung ist über das Fachgebiet für Grundlagen der Planung und Konstruktion, Pfaffenwaldring 7, zum Preis von 20 € (Studierende 15 €) zu beziehen. 

Birgit Vennemann

Kontakt
Fachgebiet Grundlagen der Planung und Konstruktion im Hochbau, 
Pfaffenwaldring 7, 70550 Stuttgart, 
Tel. 0711/685-6215
Fax 0711/685-6218
e-mail: iekplako@po.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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