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Stuttgarter unikurier Nr. 90 November 2002
Multimedia IV:
Wasserkunde per Mausklick
 

„Die Großbaustelle virtueller Campus hat eine neue Baugrube.“ Die schmunzelnden Worte von Uni-Rektor Dieter Fritsch galten dem neuen Multimedia Lab am Institut für Wasserbau, das im Mai mit einem Kolloquium eingeweiht wurde. Studierende können dort Experimente am Bildschirm simulieren oder per Videokonferenz an Vorlesungen teilnehmen.

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„Neue Medien in wasser- und umweltbezogener Lehre und Weiterbildung“ war das Thema des Kolloquiums, an dem hochkarätige Spezialisten aus dem ganzen Bundesgebiet teilnahmen. Im Mittelpunkt standen internetbasierte Lernarrangements, die es Studierenden ermöglichen, sich den Lehrstoff individuell und in ihrem eigenen Tempo anzueignen und durch die auch externe Studenten an Veranstaltungen der Uni teilnehmen können.
„Die Menge wissenschaftlicher Informationen verdoppelt sich derzeit alle fünf Jahre“, erläuterte Fritsch die Notwendigkeit zur Virtualisierung der Lehre, „gleichzeitig wächst aber die Distanz der Lernenden zur Uni.“ Findet das Erststudium noch weitgehend auf dem Campus statt, so gewinnt bei Fortbildungsmaßnahmen schon aus Kostengründen „Distant Learning“, also das Lernen vom Arbeitsplatz oder der heimischen Wohnung aus, an Bedeutung. 

Im Ausland Standard
Das Internet, glaubt der bekennende Virtualisierungs-Fan („Bei uns zu Hause ist höchstens die Waschmaschine noch nicht vernetzt, bietet den Unis eine optimale Plattform, um diesen veränderten Lernprozessen Rechnung zu tragen. Individuell und unabhängig von Uhrzeit und Ort kann der Studierende hier die gewünschten Lerneinheiten abrufen oder im Chat-Room Fragen seinem Professor stellen. Im Ausland ist die Digitalisierung von Aus- und Weiterbildung bereits Standard. Wollen die deutschen Universitäten international konkurrenzfähig bleiben, müssen sie die technischen Voraussetzungen für´s „Teleteaching“ schaffen.

24 Computerarbeitsplätze
Das 100 Quadratmeter große Multimedia Lab am Institut für Wasserbau ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Untergebracht in einer ehemaligen Werkstatt, bietet es 24 Computerarbeitsplätze sowie eine moderne Medienwand. Dort ist in Großformat sichtbar, was an den PCs passiert, aber auch Videos oder Dias können eingespielt werden. Damit der Raum auch für Konferenzen genutzt werden kann, sind die Rechner auf elektrischen Hubtischen installiert und verschwinden bei Bedarf auf Knopfdruck. Eineinhalb Jahre wurde an dem Lab getüftelt, rund 380 000 Euro flossen in das Projekt.
Ein Gutteil der Investitionen schluckte die Entwicklung der maßgeschneiderten Software, die es den Studierenden ermöglicht, Vorlesungsmaterialien abzurufen, Analysen zu simulieren oder Modelle zu bauen. Bei Übungen zur Untersuchung des Grundwassers zum Beispiel, erläuterte Professor Rainer Helmig, Leiter des Lehrstuhls für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung, kann der Student die Messdaten in eine Bildschirmmaske eingeben und selbst durchrechnen - die Ergebnisse gibt es einen Mausklick weiter. 
Die Anlage ermöglicht aber auch Lehrveranstaltungen per Videokonferenz: Bis zu vier Seminargruppen oder Forscherteams können über ISDN-Leitungen zugeschaltet werden. Eine sprachsensitive Kamera rückt die jeweiligen Sprecher als Nahaufnahme ins Bild, so dass trotz Bildschirmübertragung eine persönliche Seminaratmosphäre entsteht. 
Besonders stolz ist Thomas Breiting, der das Lab konzipiert hat, auf die individuelle Lehrer-Schüler-Steuerung. Mit ihr kann ein Dozent beobachten, wie die Seminarteilnehmer mit dem Lehrstoff zurechtkommen und bei Problemen eingreifen - oder auch einmal die Tastatur sperren, wenn einzelne Schüler „abdriften“ und sich statt den Problemen des Wasserbaus lieber den aktuellen Aktienkursen zuwenden.

Qualität der Lehre erhöht
Theorie, Modellierung und Experiment werden beim Lernen im Lab optimal verknüpft, glaubt Professor Helmig, „Teleteaching erhöht die Qualität der Lehre.“ Die Studierenden werden gezielt an den Rechnern ausgebildet und können ausprobieren, was man mit einem Programm alles machen kann. Außerdem erfahren sie, wie verteiltes Lernen und Arbeiten in virtuellen Teams funktioniert: „Für die Mitarbeit in internationalen Engineering-Groups, wie sie bei Großkonzernen heute üblich sind, ist dieses Wissen essentiell.“
Bewusst richtet Helmig sich dabei auch an auswärtige Studenten im In- und Ausland, die er stärker an die Uni Stuttgart binden will. Bei Diplomarbeiten bearbeiten Studenten mehrerer Unis einen Themenkomplex gemeinsam, wobei jeder Teilnehmer sich nach seiner persönlichen Neigung einen Teilaspekt herausgreift und dazu seine Master‘s Thesis abfasst. Alle zwei Wochen referieren die Studenten im Netz über ihre Zwischenergebnisse. Ähnlich funktioniert das neue Doktorandenprogramm „Environment Water“, das Nachwuchswissenschaftler zielgerichteter und schneller als bisher zur Promotion führen will. Online und Offline-Angebote können sich dabei ergänzen, wie auch ein internationales Fortbildungsprogramm zur Erforschung von Mehrphasenströmungen im Untergrund zeigt. Wer daran teilnimmt, hat während der Sommermonate Blockunterricht an der Uni. Über das Jahr kann der Stoff anhand von Skripten, Folien und Lehrfilmen im Internet vertieft werden.
Das kontinuierliche Feedback beim Teleteaching birgt allerdings prinzipiell auch eine stärkere Kontrolle der Lernergebnisse als traditionelle Lehrangebote, räumt Helmig ein. Die bisherigen Erfahrungen sind jedoch positiv: „Die Lernenden schätzen es, jederzeit zu wissen, wo sie stehen“, so seine Beobachtung. Außerdem werden Abschlüsse international vergleichbar, „und schließlich macht das Ganze auch noch Spaß.“ 

Andrea Mayer-Grenu

Kontakt
Lehrstuhl für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung, Pfaffenwaldring 61, 70550 Stuttgart,
Tel. 0711/685-4749,
Fax 0711/685-7020,
e-mail: Prudence.Lawday@iws.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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