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Stuttgarter unikurier Nr. 90 November 2002
Wilhelma-Theater:
Performance von Architektur- und Musikstudenten 
 

Eine neuartige Kooperation haben die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und die Architekturfakultät der Universität Stuttgart erprobt: Musik- und Architekturstudenten realisierten im Sommer dieses Jahres eine gemeinsam konzipierte Aufführung im Wilhelma-Theater Stuttgart. Im Oktober 2001 begonnen, erkundeten die Studierenden in regelmäßigen Übungsstunden das Potential des menschlichen Körpers von Bewegung und Gestik. Insbesondere ging es um den Einfluss der Bewegungsimprovisationen auf die Raumwahrnehmung. 

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Den Architekturstudenten bot sich die Chance - wie früher in der Grundlehre des Bauhauses - Raum nicht mehr nur als dimensionales Phänomen zu beschreiben, sondern als gestisch-räumliches Beziehungssystem körperlich zu erfahren. Für die gestalterische Architekturlehre wurde dadurch die Türe zur grundlegenden Erfahrung der Raumwahrnehmung geöffnet. In Kombination mit Musik, die als weitere Einflussgröße auf die Stimulanz körperlicher Bewegung wirkt, konnten synergetische Effekte experimentell entstehen: in der Bewegung lässt sich Musik als räumliche Kraft erleben. Musik und Bewegung lassen innere Präsenz zum Ausdruck kommen. Durch räumliche Konstellation kann sich innere Gestimmtheit als Ordnung nach außen sichtbar und spürbar werden. So wird Raum als Phänomen diskutiert und mit ihm experimentiert. Die Chance öffnet sich, körperliche Befindlichkeit, innere Konzentration und eigene Präsenz nach außen zu zeigen und für andere als eine Urform von Kommunikation erfahrbar zu machen. 
Die Akteure der Performance, Musik- und Architekturstudierende, erarbeiteten ein anspruchsvolles Programm. Für die Betreuung und Leitung sorgten Prof. Dorothée Brämer von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und Priv.-Doz. Dr.-Ing. Erwin Herzberger von der Uni Stuttgart. Eine Filmsequenz über die Raumwahrnehmung einer blinden Frau führte in das Programm ein. Anschließend wurde räumliche Ausdehnung durch differenziertes Tönen vermittelt. Filmische Farbraumkompositionen in einer Interpretation zu Bach’scher Musik (Diplomarbeit) zeigten Beziehungen zwischen visueller Wahrnehmung bewegter Bilder und auditiver Empfindung der orginalen und dann verfremdeten Musik. Themen körperlicher Bewegung, wie Verdichtung, Auflösung und Vereinzelung, wurden in Kombination mit Objekten wie Stäben, Trommeln, einer Kugel oder einem Tuch improvisiert. Solche Wahrnehmungsexperimente bewirkten und beschrieben das für die Raumwahrnehmung so entscheidende Beziehungsgeflecht von Körper und Raumspannung auf vielfältige Weise. Durch Körperbewegung wurde ein Bild von Oskar Schlemmer - einem der Protagonisten von Raum und Bewegung zur Zeit des Bauhauses - dargestellt. Durch Improvisation, noch während der Aufführung, erlebten die Zuschauer überraschende Situationen. Besonders anregend war die Denk- und Fühlweise der Musikstudenten, die die Aufführung nicht nur mit Bewegungsimprovisationen, sondern auch mit gesungenen und gespielten Beiträgen eindrucksvoll gestalteten. Für die Gestaltungslehre in der Architekturausbildung bot nicht nur die Grenzüberschreitung zur Musik, sondern auch die Gelegenheit zu einer öffentlichen Aufführung eine wesentliche Vertiefung experimentellen Arbeitens. 

Erwin Herzberger

Kontakt
Dr.-Ing. Erwin Herzberger, Institut für Darstellen und Gestalten (Lehrstuhl 1), Keplerstr. 11, 70174 Stuttgart, 
Tel. 0711/121-3217
Fax 0711/121-3740
e-mail: erwin.herzberger@idg1.uni-stuttgart.de 

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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