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Stuttgarter unikurier Nr. 90 November 2002
Fachleute zur Stadtentwicklung:
„Architektendenken reicht nicht”
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Ein Wettbewerb, zwei Institute: Bei den Untersuchungen zu Stuttgart 2030 wirken Geographen und Städtebauer zusammen. Wir fragten Professor Helmut Bott, Direktor des Städtebau-Instituts, und Dr. Susanne Albrecht, Projektleiterin am Institut für Geographie, nach ihrer persönlichen Sicht.

Redaktion: Unter welchem Problem leidet die Entwicklung von Stuttgart am meisten?

Dr. Albrecht: Eines der größten Probleme ist die mangelnde Bildungsbeteiligung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Die Gründe hierfür liegen zum Beispiel in den häufig schlechteren Chancen auf dem Lehrstellenmarkt, bedingt durch oft mangelnde Deutschkenntnisse oder schlechtere Schulabschlüsse. Daraus resultiert ein dringender Handlungsbedarf - es müsste bereits in der Schule eine Bildungsoffensive zugunsten dieser Jugendlichen geben, die zu einer Erhöhung ihres Ausbildungsstandards führt und die dem steigenden Qualifizierungsbedarf in der Arbeitswelt gerecht wird.

Professor Bott: Stuttgart müsste Städtebau stärker unter dem Blickwinkel angehen, dass man sich über das biedere Image der Stadt Gedanken macht. Was fehlt, ist eine klares räumliches Leitbild, das die charakteristischen Qualitäten der Kessellage bewusst macht. 
Einige Probleme, die andere Großstädte auch haben, schlagen sich in der topographischen Lage von Stuttgart besonders nachteilig nieder. Das ist zum Beispiel der Verkehr. In Cannstatt etwa wird ein Stadtteil, der eigentlich ein hohes Potenzial hat, grundlegend entwertet.

Redaktion: Was ist Ihre persönliche Vision von Stuttgart 2030?

Dr. Albrecht: Ich möchte mich hier an das Motto des Gesamtprojektes „Dynamik - Integration - Ausgleich” anschließen: Die Stadt Region Stuttgart wird wahrscheinlich auch in der Zukunft eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung aufweisen, und ich hoffe, diese wird auch die Chance für eine Integration verschiedener Altersgruppen, von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und für einen Ausgleich zwischen den sozialen Gruppen beinhalten.

Professor Bott: Meine Vision wäre, dass die Stuttgarter nicht nur Forschung und Produktion in den entlegensten Winkel der Welt exportieren, sondern dass die Leute zurückkommen mit ihrer Kultur und ihrem Know-how. So kann Stuttgart eine Internationalität gewinnen, die nicht nur von klassischen Einwanderern geprägt ist, sondern von einer ganz neuen, selbstbewussteren Migration.

Redaktion: Was können die Unis tun, damit künftige Städteplaner diesen Anspruch einlösen?

Dr. Albrecht: Es sollten mehr Mittel für angewandte Forschung in den Bereichen Alterung, Migration und Segregation bereitgestellt werden. Die im Rahmen des Projektes initiierte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Verwaltung/Politik sollte über das Projekt hinaus gefördert werden.

Professor Bott: Die Bedeutung des Ortes, die Gestaltung seiner konkret sinnlichen Erscheinung im Spannungsverhältnis zur Globalisierung der Ökonomie und zur Internationalisierung der Kultur ist eine wichtige Zukunftsaufgabe. Sie ist nur zu lösen, wenn sich die Disziplinen vernetzen. Man kann über Stadtplanung schon lange nicht mehr diskutieren, ohne zum Beispiel Landschafts- oder Verkehrsplanung, sozialwissenschaftliche und ökonomische Aspekte einzubeziehen. Ich denke aber, dass mehr und mehr kulturwissenschaftliche Gesichtspunkte in die Diskussion um die Gestaltungsziele der Stadt der Zukunft einfließen müssen. Reines „Architektendenken” reicht längst nicht mehr.

 


last change: 25.11.02 / gh
Pressestelle der Universität Stuttgart

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