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Stuttgarter unikurier Nr. 89 April 2002
Kanzler zur Hochschulreform: 
Verträgliche Lösungen finden
 

Auch die Universitätsleitung sieht die HRG-Novelle kritisch. „Dass das neue Gesetz Unruhe hervorruft, ist verständlich“, sagt Uni-Kanzler Joachim Schwarze. Größtes Manko ist - so Schwarze - das Fehlen einer Übergangsregelung. Wie geht die Universität mit dieser Situation um? „Die Mitarbeiter genießen Vertrauensschutz und jeder Einzelfall wird geprüft“, betont der Kanzler in einem Gespräch mit dem Uni-Kurier. 

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Den Ansatz der Novelle, die Zeit der Qualifizierung für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu straffen, hält Schwarze für sinnvoll. Problematisch sei aber - und zwar sowohl für die Betroffenen als auch für die Universitäten - dass nun alle Zeiten an allen Universitäten und überwiegend öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen in Deutschland angerechnet werden und zwar für die ersten sechs Jahre bis zur Promotion auch die als geprüfte Hilfskraft. Daraus könnten künftig Probleme entstehen, Hilfskräfte zu bekommen.
Einerseits habe die Befristung auf zwölf Jahre für die Zeit der wissenschaftlichen Qualifikation vor und nach der Promotion „Rechtsfrieden“ gebracht. Die Anrechnungsmodalitäten hält Joachim Schwarze jedoch für unzureichend. „Eigentlich braucht jeder nach dem Studium eine gewisse Orientierungsphase“, meint er. Das alte Hochschulrahmengesetz hatte dies für zwei Jahre ermöglicht und damit dem Nachwuchs die Chance eröffnet, Praxiserfahrungen zu sammeln. Dies wäre auch aus Sicht der Universität als Arbeitgeber besser gewesen: Beispielsweise arbeiten Uni-Absolventen ein paar Jahre an Instituten der Fraunhofer- oder Max-Planck-Gesellschaft und kehren dann an die Uni zurück. „Diese Leute sind für die Universität wichtig“, betont er; jedoch werden nach dem neuen Gesetz die an Fraunhofer- oder Max-Planck-Instituten verbrachten Jahre für die Qualifikationsphase angerechnet. 

Vertrauensschutz für Mitarbeiter
Grundsätzlich wird die Universität Stuttgart alle gesetzlichen Möglichkeiten ausloten. „Vertrauensschutz spielt bei uns bei der Auslegung des Gesetzes eine große Rolle“, betont er. Rechtliche Grundlagen liefert das Arbeitsrecht bzw. das Teilzeit- und Befristungsgesetz. So lässt das Gesetz eine Befristung zu, wenn sachliche Gründe vorliegen. Beispielsweise, berichtet Schwarze, hat ein Nachwuchsforscher einen Ruf an eine andere Universität erhalten und der Professor, an dessen Institut er tätig ist, weist nach, dass er den Mitarbeiter noch für einen gewissen Zeitraum für ein Projekt braucht. Die gesamte Befristungsproblematik an den Universitäten werde allerdings auch dieses Gesetz nicht lösen, wenngleich es durch den Wegfall der bisher notwendigen Befristungsgründe mit den zweimal sechs Jahren Entlastung bringe. „Das Fehlen einer Übergangsregelung ist allerdings für die jetzige Generation ein echtes Manko“, hebt Schwarze hervor. Doch er sei „zuversichtlich, dass wir in Stuttgart verträgliche Lösungen finden“.
Inzwischen haben der baden-württembergische Wissenschaftsminister Prof. Peter Frankenberg und die Landesrektorenkonferenz übereinstimmend erklärt „das Hochschulrahmengesetz so umsetzen zu wollen, dass es beim wissenschaftlichen Nachwuchs zu keinen tiefgreifenden Karrierebrüchen kommt“ und alles zu tun, „um die negativen Folgewirkungen des neuen Gesetzes abzumildern“. Das geänderte Hochschulrahmengesetz des Bundes solle erst zu Beginn des Jahres 2004 in Landesrecht überführt werden. Thüringen, Sachsen und Bayern ziehen mit einer gemeinsamen Klage gegen die Novelle vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft setzt sich für eine „forschungsfreundliche Umsetzung“ des neuen Gesetzes ein und sieht „Nachbesserungsbedarf bei der Regelung der Postdoktorandenzeiten und der Anrechnung von Stipendienzeiten auf die Promotionsphase“. 
Am 22. März kündigte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn eine Nachbesserung des neuen HRG an. Eine Stichtagsregelung solle klarstellen, dass Mitarbeiter, deren Tätigkeit vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes am 23. Februar begonnen habe, mindestens bis zum 28. Februar 2005 weiter befristet beschäftigt werden können. Dies solle auch bei Überschreitung der Zeit von sechs bzw. zwölf Jahren gelten. - Stoff für weitere Kontroversen bietet im übrigen demnächst die 6. HRG-Novelle mit dem Verbot von Studiengebühren, der Wiedereinführung der Verfassten Studentenschaft und dem Bachelor und Master als Regelangebot. /zi

Weitere Informationen unter www.verwaltung.uni-stuttgart.de/rundschreiben/rs2002-001.html
www.bmbf.de/288_2992.html
www.dfg.de/aktuell/stellungnahmen/Befristungsvermerk.pdf

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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