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Stuttgarter unikurier Nr. 89 April 2002
Suburbaner Städtebau in Deutschland:
Neue Publikation schließt Forschungslücke
 

Das Eigenheim ist die beliebteste Wohnform der Deutschen. Das Streben nach dem eigenen Haus mit Garten hat denn auch die Entwicklung der Stadtstrukturen maßgeblich geprägt und - nicht nur in Deutschland - zur Zersiedlung der Landschaft beigetragen.

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Es herrscht eine große Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach einem freistehenden Einfamilienhaus und der Warnung von Seiten der Planer und Soziologen vor Zersiedlung und Anonymität. Tatsächlich gibt es aber über den suburbanen Städtebau in Deutschland nur sehr wenige Untersuchungen. Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes im Auftrag der Wüstenrot Stiftung ist - unter Beteiligung weiterer namhafter Wissenschaftler der TU Berlin, der RWTH Aachen und der Universität des Saarlandes - an der Fakultät Architektur und Stadtplanung der Uni Stuttgart eine Publikation entstanden, die diese Wissenslücke schließen soll: „Villa und Eigenheim - Suburbaner Städtebau in Deutschland“.

Von der Gartenstadt bis zu Ökosiedlungen
Das Buch macht deutlich, dass es auch in Deutschland eine reiche Tradition anspruchsvoller Formen des suburbanen Städtebaus gibt. In einem großen historischen Bogen werden erste Beispiele aus dem 18. Jahrhundert, die Villenkolonien des 19. Jahrhunderts, die Gartenstädte, Kleinsiedlungen und Mustersiedlungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie Eigenheimgebiete und Ökosiedlungen unserer Tage behandelt. Zusätzliches Anschauungsmaterial ergeben 25 städtebaulich ambitionierte Siedlungsprojekte, die als Fallstudien die fachliche Darstellung ergänzen. Auch zwei Stuttgarter Siedlungen sind vertreten: die Kochenhofsiedlung und die Siedlung Steinhaldenfeld. 

Städte zu anspruchsvoller Planung ermutigen
„Ein qualitätvolles städtebauliches Konzept lohnt sich für alle Beteiligten“, ist Prof. Dr. Johann Jessen vom Städtebau-Institut, einer der Autoren des Buches, überzeugt, „viele positive Beispiele zeigen das.“ Er bedauert: „Die Städte nutzen ihre städtebaulichen Steuerungsmöglichkeiten nicht aus.“ Es kostet Geld und Mühe, Konzepte zu entwickeln, außerdem wollen viele Städte in diesem Bereich nicht den Eindruck einer Kontrolle erwecken. „Wir wollen mit dem Buch die Städte ermutigen, auch bei ihren Einfamilienhausgebieten mehr auf anspruchsvolle Planung zu setzen „, erklärt Jessen. Dr. Stefan Krämer von der Wüstenrot Stiftung pflichtet ihm bei: „Die Beispiele des Buches zeigen, wie attraktiv es sein kann, nach bestimmten städtebaulichen Vorgaben zu bauen, statt einfach nur Bauland auszuweisen und zu verkaufen.
Die reich illustrierte Dokumentation von Wohnsiedlungen auch aus jüngerer Zeit zeigt, dass Wohnen im Eigenheim und hohe städtebauliche Qualität kein Widerspruch sein müssen, selbst wenn eine Vielzahl unterschiedlicher Architekten beteiligt ist.
Prof. Dr. Tilman Harlander und Dr. Gerd Kuhn vom Institut für Wohnen und Entwerfen, beide Herausgeber der Publikation, beschreiben die Fragen, denen im Buch nachgegangen wird: „Welche städtebaulichen Vorgaben liegen den Siedlungen zu Grunde, gibt es ein Zentrum, Grenzen, Eingangstore, Gemeinschaftsräume oder Plätze? Sehr wichtig natürlich auch die Frage danach, ob sich die Siedlungen bewährt haben und ob sich die Bewohner mit ihrer Siedlung identifizieren.“

Wurzeln der Stadtflucht reichen bis ins 16. Jahrhundert
Wollten die Menschen schon immer aus der Stadt herausziehen, oder ist dies erst so, seit es mit den Autos die Möglichkeit gibt, die Entfernung zwischen Arbeitsplatz und Wohnort so leicht zu überbrücken, dazu noch unterstützt von einer Politik der Kilometerpauschale? Auch darauf gibt das Buch Antwort. Die Wurzeln der Stadtflucht reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Lustgärten mit Sommerhäusern wurden damals zum Beispiel in Hamburg vor den Toren der Stadt eingerichtet. Überhaupt waren es die Reichen, die es zuerst aus der Stadt zog.
Prof. Harlander hofft, dass neben Stadtplanern, Architekten, Kulturhistorikern und Geographen auch interessierte Laien zu dem Buch greifen: „Wir haben bewusst versucht, keine Fachpublikation zu machen, sondern eine Sprache zu finden, die verständlich ist.“ Auch die zahlreichen Bilder und Grafiken machen das Buch für Laien und Fachleute interessant. Auch Wohnungsbaugesellschaften sollten einen Blick hinein werfen.

Birgit Vennemann

„Villa und Eigenheim - Suburbaner Städtebau in Deutschland“, Herausgeber Tilman Harlander, erschienen bei der DVA, 520 Seiten, 616 Abb.; 45,-Euro

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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