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Stuttgarter unikurier Nr. 88 Dezember 2001
Universität Stuttgart führend bei flexiblen Solarzellen:
Mobiler Strom aus der Kleidung
 

Mobile Geräte der Informations- und Kommunikationselektronik benötigen eine mobile Energieversorgung. „Integrierte Photovoltaik (ipv)“ ist das Schlagwort, unter dem Prof. Jürgen Werner, Direktor des Instituts für Physikalische Elektronik (ipe), mit einer Gruppe von Mitarbeitern und 
begeisterten Elektrotechnik-Studierenden die Integration von Dünnschichtsolarzellen in „ganz normale“ Kleidungsstücke vorantreibt. Solche Solarzellen ersetzen Batterien und verlängern die Standzeit der Akkumulatoren in Mobiltelefonen, MP3- und Minidisc-Spielern, in Personal Digital Assistants (PDAs) oder Digitalkameras. Aber nicht nur die Endgeräte, sondern auch die Sendeseite moderner Telekommunikationsplattformen bietet interessante Anwendungsmöglichkeiten für die Stuttgarter Technologie.

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Das Institut für Physikalische Elektronik (ipe) ist eine der weltweit ersten Adressen in der Entwicklung neuer Konzepte und Anwendungen für die Photovoltaik. Hier erforschen Ingenieure, Physiker und Materialwissenschaftler gemeinsam neue Materialien, Bauelemente und Systemlösungen an der Schnittstelle zwischen moderner Kommunikationstechnologie, Mikroelektronik und Energietechnik. Hohe Leistungsbereitschaft und Kreativität der Mitarbeiter, Studierenden und Doktoranden, kurze Promotionszeiten, Mitarbeiter aus zehn Nationen und ein Drittmittelanteil von 80 Prozent in den Institutsfinanzen prägen das Institutsleben und führen regelmäßig zu international anerkannten Spitzenleistungen. Jetzt hat das Institut neue Solarzellen-Typen hervorgebracht, die der Photovoltaik ganz neue Anwendungen erschließen. Der Witz ist, daß alle diese Zellen nicht mehr starr, sondern flexibel sind.
Flexible, dünne Solarzellen eignen sich nicht nur zur Energieversorgung mobiler Endgeräte der Kommunikations- und Informationstechnik, sondern auch zur Speisung von Satelliten und sogenannten hochfliegenden Plattformen. Das Institut der Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik kooperiert in diesen Bereichen mit Partnern in der Physik sowie der Luft- und Raumfahrttechnik. Die Kooperation mit dem Institut für Strahlenphysik erbrachte den Nachweis, daß Solarzellen aus Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid, kurz CIGS, weitaus strahlungsfester sind als herkömmliche Weltraumsolarzellen. Werden solche Zellen zudem auf leichten, flexiblen Substraten gefertigt, so übersetzen sich die Vorteile der Dünnschichttechnologie direkt in bessere Leistung bei niedrigeren Kosten.

Am ipe wird aber nicht nur eine Technologie zur Herstellung kostengünstiger und flexibler Dünnschichtsolarzellen untersucht, sondern gleich deren drei:

  • Amorphes Silicium zielt auf das Segment „low end / low price“ und erlaubt mit einer Herstelltemperatur von nur 75 Grad Celsius die Verwendung kostengünstiger Kunststoffsubstrate. Auf PET, dem bekannten Material für Mehrwegflaschen, können etwa fünf Prozent des einfallenden Sonnenlichtes in elektrische Leistung umgewandelt werden. Mit solch niedrigen, in dieser Technologie jedoch sehr beachtlichen Wirkungsgraden eignet sich Amorphes Silicium für Anwendungen ohne kritische Anforderungen an Leistungs- und Flächenbedarf.
  • Die derzeit erfolgreichste Dünnschichtsolarzelle mit glänzenden Entwicklungsperspektiven besteht aus Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid: Cu(In,Ga)Se2. Im Falle von starren Glassubstraten erreicht das ipe Wirkungsgrade von 17,8 Prozent. Dieser weltweit zweitbeste Wert liegt nur knapp unter dem Weltrekord einer amerikanischen Gruppe (18,8 Prozent). Dafür ist die Stuttgarter Truppe den Amerikanern aber im Falle flexibler Substrate voraus: Die Rekordwerte für biegbare Zellen auf Polyimid liegen in Stuttgart bei 10,8 Prozent und für dünne Stahlfolien sogar bei 14,6 Prozent - Tendenz steigend.
  • Selbst das in seiner traditionellen Scheibenform eher zerbrechliche, kristalline Silicium präsentiert sich dank Stuttgarter Know-how als flexible Dünnschicht: Solarzellen von 25 Mikrometern Dicke, etwa der halben Dicke eines menschlichen Haares, wandeln 15,4 Prozent des einfallenden Lichtes in elektrische Leistung um, auch in dieser Technologie ein Bestwert im internationalen Vergleich. Zur Herstellung solcher Zellen nutzen Prof. Werner und seine Mitarbeiter im wesentlichen hocheffiziente, gut etablierte Fertigungstechnologien. Der Clou des ipe-Verfahrens besteht darin, eine Art „Reißverschluß“ unterhalb der aktiven Solarzelle in den Siliciumwafer einzubauen. Eine solche Trennschicht gestattet es, dünne Solarzellen von der dicken, starren Siliciumscheibe abzuheben und auf beliebige flexible Folien oder Metallbleche zu transferieren. Das Siliciumsubstrat kann in einem solchen Prozeß immer wieder verwendet werden, wodurch sich zudem die Materialkosten erheblich reduzieren.

Strom aus der Kleidung
Für ihre flexiblen Zellen haben die Forscher eine ganz neue Anwendung identifiziert: den Kleidungs- und Modemarkt. Die Integration flexibler Solarzellen in Kleidung, Taschen, Rucksäcke oder ähnliche Alltagsgegenstände soll den Berg der Wegwerfbatterien verkleinern und die allgegenwärtige und ständig wachsende mobile Kommunikations- und Consumer-Elektronik (Handies, elektronische Kalender, MP3-Spieler, Digital-Kameras usw.) noch mobiler machen. Unter Anleitung der Stuttgarter Spezialisten und in Kooperation mit der Staatlichen Modeschule Stuttgart haben Studierende der Elektrotechnik und Informationstechnik aus dem zweiten und vierten Fachsemester zwei Demonstrationsobjekte entwickelt und aufgebaut: Ein mit Solarzellen versorgtes Jacket und ein Solar-Hut stehen für Feldversuche zur Verfügung. Allerdings verwenden diese Demonstratoren noch konventionelle, starre Siliciumsolarzellen.
Die Studierenden erproben den praktischen Betrieb, messen die Energieausbeute auch in Innenräumen und vergleichen die Daten mit den theoretischen Analysen. Die frühe Einbindung der Studierenden in die aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des Institutes begeistert Studierende und Betreuer gleichermaßen. Als nächste Schritte stehen eine Solarweste mit verbesserter Ladeelektronik und erstmalig die Integration ipe-eigener flexibler Solarzellen in Kleidung auf dem Programm.

Kontakt
Prof. Dr. Jürgen H. Werner, Institut für Physikalische Elektronik, 
Tel. 0711 / 685-7140
e-mail: Juergen.Werner@ipe.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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