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Stuttgarter unikurier Nr. 88 Dezember 2001
Color-Physics GmbH:
Farben für Blinde hörbar machen
 

Die Welt ist bunt. Farben über Farben - wenn der Tag nicht gerade grau ist oder die Nacht regiert. Für Menschen ohne Augenlicht herrscht jedoch immer Nacht. Dieses Problem hat der Psychophysiker Andreas Hub, gemeinsam mit vier Kollegen, aufgegriffen und daraus eine Geschäftsidee entwickelt: Seit November 2000 gibt es die Color-Physics GmbH.

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Andreas Hub

Beim Schnorcheln in der bunten Unterwasserwelt von Mauritius wurde Andreas Hub erstmals bewußt, wie stark Farben dem Menschen bei der Orientierung in unbekannter Umgebung helfen. „Mitten im Paradies“ überlegte er sich eine Möglichkeit, wie auch Blinde auf eine gewisse Distanz Farben wahrnehmen könnten.
Am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried setzte er im Rahmen seiner Doktorarbeit, betreut von Prof. Dr. Peter Fromherz, seine Idee in die Tat um: Die Entwicklung eines Verfahrens zur Bestimmung von Objektfarben und eines ersten Prototyps. Eine Kamera ersetzt das menschliche Auge, ein Rechner das Gehirn und ein Lautsprecher macht hörbar, was das Objektiv erfaßt. So erfährt der blinde Nutzer etwas über Größe, Entfernung und Farbe der Objekte, die die Kamera im Blickfeld hat. Dadurch ist er in der Lage, sich ein „Bild“ von seiner Umgebung zu machen, mit dessen Hilfe er sich orientieren kann. 
Gemeinsam mit Harald Teufel, einem Tübinger Kollegen, verwirklichte er die Idee von der Selbständigkeit. Die Finanzierung der neu gegründeten Firma über Venture Capital redete ihnen ein Freund, der bereits Erfahrung mit Firmengründungen gesammelt hatte, aus. „Weshalb sich an externe Geldgeber binden, wenn es auch andere Möglichkeiten gibt?“, war die ausschlaggebende Frage für die Suche nach einer anderen Finanzierungsform. 

Informatiker als Mentor
„Da zu lange im bayerischen Ausland lebend“, konnte Andreas Hub nicht mit einer Förderung über die „Jungen Innovatoren“ rechnen, wie sein Kollege Teufel. Durch das vom Bundesforschungsministerium geförderte Existenzgründerprogramm Exist-Seed der Push!-Region Stuttgart gab es eine Alternative. Am Institut für Informatik der Universität Stuttgart fand er in der Abteilung Visualisierung und Interaktive Systeme (VIS) eine Existenzgründerstelle und einen Mentor, Prof. Dr. Thomas Ertl.
Von den zwischenzeitlich vier Kollegen in Tübingen ist Andreas Hub an der Fakultät für Informatik zwar etwas isoliert, dafür sitzt hier jedoch die Forschungsgruppe „Angewandte Informatik für sensorisch Behinderte“, die schon viel Erfahrung in der Entwicklung von Hilfsmitteln für Blinde sammeln konnte. Sie und ihr blinder Mitarbeiter sind eine unschätzbare Hilfe für die Arbeit an der „Mobilitäts- und Orientierungshilfe für Blinde und Sehbehinderte“.

Automobilindustrie zeigt Interesse
Farbbenennung und Farbbeurteilung - was unser Auge mit einem Blick erfaßt und unser Gehirn dann in Kürze umsetzt, dafür müssen auch Computer der heutigen Generation noch ganz schön schuften - wenn sie es denn überhaupt schaffen. Die richtige Software zu programmieren ist daher, neben der unbedingt notwendigen Verkleinerung des Prototypen, eine der Hauptaufgaben der Existenzgründer.
Dazu kommen aber auch Tätigkeiten, mit denen der Forscher im Allgemeinen weit weniger zu tun haben: Öffentlichkeitsarbeit und PR. Kontakte mit Blindenverbänden und Herstellern von Hilfsmitteln müssen aufgebaut werden, Vertrieb und Management sind zu überdenken. Der Besuch von Messen sichert einen wachsenden Bekanntheitsgrad, der natürlich günstig für das zweite Standbein der Unternehmer ist: Die Entwicklung von Modellen der Farbwahrnehmung und von Farberkennungsgeräten. Wenn alles klappt, könnte dies der Grundstein für einen Industriestandard in objektiver Farbwahrnehmung werden. Auch die Automobilindustrie zeigt sich bereits interessiert, denn ein Gerät, das zuverlässig rote Ampeln erkennt, gibt es bisher nicht.
Seinen ursprünglichen Weg - Andreas Hub wollte an der Schule Physik und Mathematik unterrichten - brach er ab und bedauert es keine Sekunde. Auch den Schritt in die Selbständigkeit hat er bis jetzt noch nie bereut. Trotz seiner randvollen Arbeitswoche gewann er dadurch ein „gewisses Gefühl von Freiheit“. Es gibt bereits den Gedanken an ein eigenes Büro zwischen Stuttgart und Tübingen, denn vorausschauende Planung ist für Jungunternehmer wichtig.

Julia Alber

Kontakt
Color-Physics GmbH
Andreas Hub
c/o Institut für Informatik/Abteilung Visualisierung und Interaktive Systeme
Breitwiesenstr. 20 - 22
70565 Stuttgart, 
Tel. 0711/7816-302
e-mail: andreas@color-physics.de

 


last change: 12.12.01 / gh
Pressestelle der Universität Stuttgart

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