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Stuttgarter unikurier Nr. 86 September 2000
Stuttgarter Wissenschaftler entwickelten Verfahren zum Erkennen loser Niet- und Schraubverbindungen:
Wie erkennt man, ob das Flugzeug auseinanderfällt?
 

Wer ein Flugzeug aus der Nähe betrachtet, bemerkt die vielen Nieten, die es zusammenhalten (bis zu vier Millionen Stück bei großen Passagiermaschinen). Was passiert, wenn eine Nietreihe plötzlich aufreißt, war vor einiger Zeit bei einer Boeing zu beobachten, deren Passagiere vor der Landung auf Hawaii plötzlich im Freien saßen. Wie kann man feststellen, ob es in Niet- oder Schraubenreihen Lockerungen gibt?

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Auf diese Frage fand Thomas Zweschper bei seiner Diplomarbeit in der Abteilung Zerstörungsfreie Prüfung am Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde der Universität Stuttgart eine Antwort. Dazu setzte er das an der Universität Stuttgart entwickelte Verfahren der Lockin-Thermographie mit Erfolg ein, die auf moduliertem Wärmetransport beruht. Ihr Prinzip ist in einer Weingegend besonders gut zu veranschaulichen: Die Sonne erwärmt die Erdoberfläche im Tages- und Jahresrhythmus. Diese Temperaturänderung setzt sich in den Boden hinein fort, wobei sie aber mit zunehmender Tiefe abklingt; so bleibt die Temperatur in einem Weinkeller drei Meter unter der Erdoberfläche das ganze Jahr über nahezu konstant. Die Temperaturleitfähigkeit der Erde bestimmt, wie schnell dieses Abklingen in die Tiefe erfolgt.

Ersetzt man den Sonnenschein durch eine Lampe, deren Helligkeit man in geeignetem Rhythmus (etliche Sekunden) reguliert, so erzeugt man beispielsweise auf verschraubten Blechen ebenfalls eine Temperaturmodulation. Ihre Ausbreitung in das darunterliegende Blech hängt empfindlich vom Anpreßdruck der beiden Bleche ab. Mit einer Thermografiekamera wird die wellenartige Ausbreitung verfolgt und vom Rechner analysiert. So zeigt sich der „Stau“ der „thermischen Welle“ im Bereich von Grenzflächen, die sich um die Schraub- oder Nietverbindungen bei zu schwacher Flächenpressung bilden. Daher leuchten solche gefährlichen Bereiche im „Phasenbild“ so hell auf, daß sie nicht zu übersehen sind. Aber es wird nicht nur zwischen „fest“ und „lose“ unterschieden: Thomas Zweschpers Untersuchungen haben gezeigt, daß sowohl das Anzugsmoment von Schrauben als auch die Abreißkraft der Niete nach entsprechender Kalibrierung aus dem Phasenwinkelbild berührungslos zu entnehmen sind. 

Von besonderer Praxisbedeutung - und zwar gerade im Hinblick auf sicherheitsrelevante Anwendungen zum Beispiel im Luftfahrtbereich - ist die schnelle und berührunglose Identifizierbarkeit falsch angezogener Schrauben oder fehlerhaft gesetzter Nietverbindungen. In Nietreihen an Original-Flugzeugbauteilen konnte Thomas Zweschper zuvor gelockerte Nieten eindeutig identifizieren, so daß das Verfahren etwa für die Wartungsinspektion von Maschinen und Luftfahrzeugen attraktiv sein sollte. Für seine erfolgreiche Diplomarbeit erhielt Thomas Zweschper, der zur Zeit an der Uni Stuttgart promoviert, Ende Mai in Innsbruck die Ernst-Schiebold-Gedenkmünze der Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung; der Preis ist mit 8.000 DM dotiert. 

KONTAKT
Dipl.-Ing. Thomas Zweschper, Prof. Dr. Gerhard Busse, Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde, Abteilung Zerstörungsfreie Prüfung, Universität Stuttgart, Pfaffenwaldring 32, 70569 Stuttgart,
Tel. 0711/685-2669/3996, -2626, Fax 0711/685-2066, e-mail: zweschper@ikp.uni-stuttgart.de, busse@ikp.uni-stuttgart.de
http://www.ikp.uni-stuttgart.de/zfp

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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