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Stuttgarter unikurier Nr. 86 September 2000
Physik in der Berufswelt
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Marion Haas

Im Jahr 1983 begann ich mein Physikstudium an der Universität Stuttgart. Am 1. Physikalischen Institut fertigte ich unter Leitung von Prof. Eisenmenger meine Diplomarbeit und Promotion zum Thema Streuung hochfrequenter akustischer Phononen an metallbedeckten Si(100)-Oberflächen an. Nach Abschluß meiner Promotion 1993/1994, bei sehr schlechter Arbeitsmarktlage, erhielt ich am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) die Chance, meinen Berufsweg im Bereich CVD-PVD-Beschichtungstechnik fortzusetzen und erste praktische Erfahrungen in Projekten zur Herstellung von dekorativen und funktionellen Schutzschichten auf Kunststoffen zu sammeln. Ende 1995 wechselte ich dann zu DaimlerChrysler ins Werk Sindelfingen. Seit Ende 1996 bin ich in meinem Zielbereich, dem Center Oberflächenbehandlung in der Lacktechnik beschäftigt. Zu meinem Aufgabengebiet gehören die Erprobung neuer Meßverfahren und -geräte für den Einsatz im Lackierbereich sowie die Einführung in die Produktion. Das Spektrum umfaßt dabei sehr unterschiedliche Themen wie zum Beispiel Methoden zur Schichtdickenbestimmung, Charakterisierung von Materialeigenschaften der Lacke am fertigen Produkt (z.B. Farbmessung) oder auch bereits im Naßzustand (z.B. Rheologie nicht-newtonscher Flüssigkeiten). Für diese Tätigkeiten ist die breitgefächerte grundlagenorientierte Ausbildung als Physikerin die ideale Voraussetzung. 

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Dirk Helbing

Mit dem Ziel, die kleinsten und die größten Dinge des Universums (Elementarteilchen und Astrophysik) verstehen zu lernen, nahm ich 1984 das Physikstudium in Göttingen auf. Im Hauptstudium begannen mich aber zunehmend alltagsnahe und praxisrelevante Probleme zu interessieren. So reizten mich besonders die Synergetik und die Chaostheorie, da sie nicht nur einen mathematischen Zugang zu naturwissenschaftlichen, sondern auch zu sozio-ökonomischen Problemstellungen versprachen. Zur Promotion wechselte ich an die Universität Stuttgart. Dort fertigte ich auch meine Habilitation über Verkehrsdynamik an, die zu einem tieferen Verständnis von Verkehrsstaus beitrug. Die Relevanz für die Optimierung von Verkehrsströmen wurde bald deutlich, so daß sich intensive Kontakte und größere Forschungsprojekte mit Industrieunternehmen wie Siemens, DaimlerChrysler, Volkswagen, BMW und Bosch ergaben. Auch die öffentlichen Medien fanden an den Ergebnissen reges Interesse.
Vor kurzem bin ich an einen Lehrstuhl des Instituts für Wirtschaft und Verkehr der TU Dresden berufen worden. Dort bin ich wegen meiner Beiträge zur Verkehrsphysik und Econophysik an der verkehrswissenschaftlichen Fakultät tätig und betreue Studenten der Verkehrswirtschaft und des Verkehrsingenieurwesens. Die Breite der Physikausbildung hat mir entscheidend geholfen, diesen interdisziplinären Spagat zu schaffen. Zur Physik werde ich aber auch weiterhin einen engen Kontakt unterhalten.

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Thomas Held

Ich habe 1983 mein Studium der Physik an der Universität Stuttgart aufgenommen und 1989 mit dem Diplom abgeschlossen. 1993 promovierte ich bei Professor Mahler. Nachdem bereits mein Vater und mein Großvater den Beruf des Patentanwalts ergriffen hatten, lag es nahe, daß ich ebenfalls diesen Weg einschlug. Die dreijährige Ausbildung habe ich Ende 1996 mit einer Prüfung abgeschlossen. Seit 1997 bin ich (deutscher) Patentanwalt und nach einer weiteren Prüfung zugelassener Vertreter vor dem Europäischen Patentamt. Ich führe in Sozietät mit meiner Frau eine eigene Kanzlei in Stuttgart.
Im Alltag eines Patentanwalts taucht das jeweilige Fachgebiet aus der eigenen Diplom- oder Promotionszeit so gut wie nie auf. Hilfreicher ist da der Überblick über die Gesamtbreite der Physik und Technik, wie er am Anfang des Studiums und in den Praktika vermittelt wird, um sich in die verschiedenen Erfindungen eindenken zu können. Um einen möglichst guten Schutz für Erfindungen zu erlangen, hilft die beigebrachte Denkweise der Physik, ein System in einem möglichst einfachen Modell mit möglichst wenig Komponenten zu betrachten. Logisches, mathematisches Denken hilft beim Erlernen und Anwenden der juristischen Grundlagen und in Markensachen, dem anderen Standbein eines Patentanwalts.

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Felix Krul

Ich habe mein Physikstudium an der Uni Stuttgart von Oktober 1989 bis Januar 1996 absolviert. Nach dem Berufseinstieg bei einem großen Konsumgüterhersteller begann ich im März 1997 meine Tätigkeit bei der TLC Transport-, Informatik- und Logistik-Consulting GmbH, dem Systemhaus der Deutschen Bahn AG. Die TLC GmbH ist ein IT-Dienstleistungsunternehmen, dessen Tätigkeitsfeld von der Beratung über die Entwicklung von Anwendungssoftware bis zum Anwendungsservice reicht.
Meine Tätigkeiten umfassen die fachliche Analyse, das Design und die Erstellung von Datawarehousesystemen, deren Auswertung, Benutzerverwaltung, Abfrageoptimierung usw., wofür analytische Fähigkeiten unabdingbar sind. Diese Denkweise habe ich während des Studiums ausgiebig trainiert.
In meiner Schulzeit hatten mich die Naturwissenschaften immer besonders fasziniert, und weil ich auch noch eine gehörige Menge an Idealismus und Neugierde mitbrachte, entschloß ich mich zum Physikstudium. Auch wenn sicher nicht alle meine Wünsche erfüllt wurden und ich heute auch keine Physik mehr betreibe, habe ich diesen Beschluß nie bereut, weil die analytische Art der Naturbeschreibung mir auch heute noch am besten liegt.

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Albrecht P. Mozer

Nach Abschluß meines Studiums und der Promotion in Stuttgart bin ich 1984 in die Halbleiterindustrie zunächst zu SEL und dann zu Wacker Siltronic gegangen. Nach verschiedenen Auslandsaufenthalten bin ich dort nun technischer Vorstand und habe die Verantwortung für Produktion, Prozeßentwicklung, Ingenieurtechnik und Logistik in einem internationalen Unternehmen mit ca. 5800 Mitarbeitern.
Aus Erfahrung kann ich sagen, daß in all den Berufsjahren meine solide Grundausbildung an einer deutschen Hochschule als Physiker stets von Vorteil war. Sie hat mich in die Lage versetzt, mich auch in artfremden Gebieten schnell einzuarbeiten und komplexe Zusammenhänge zügig zu erfassen. Nicht weniger wichtig für eine Karriere in der Industrie sind aber auch der Wille zur Leistungsbereitschaft, Flexibilität, Entschlossenheit, Offenheit für Neues, Kreativität, Freude an der Arbeit und an Herausforderungen, der Umgang mit Menschen und nicht zuletzt die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren und managen.
Aus eigenem Antrieb würde ich mein Physikstudium heute ergänzen wollen um Kenntnisse in der Betriebswirtschaft und der Team- und Menschenführung. Derartige Zusammenhänge erleichtern das Fortkommen in der Industrie ungemein, natürlich nur, wenn man dadurch das Studium nicht über Gebühr ausdehnt, denn das Lebensalter beim Eintritt in die Industrie ist immer noch eine wichtige Kenngröße.
Die Industrie - und insbesondere die Halbleiterindustrie - hat in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen enormen Bedarf an naturwissenschaftlich gut ausgebildeten Mitarbeitern. Ich kann nur allen angehenden Studenten raten, eine naturwissenschaftliche Disziplin zu wählen - die Zukunftsaussichten hierfür sind sehr gut. 

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Peter Scheufler

Von 1977 bis 1983 studierte ich an der Uni Stuttgart Physik. Thema meiner Diplomarbeit am 4. Physikalischen Institut bei Prof. Noack war Field-Cycling Nuclear Magnetic Resonance an Flüssigkristallen. Auf diesem Gebiet wollte ich im Anschluß an das Diplom auch promovieren. Die Einberufung zum Wehrdienst kam dann allerdings dazwischen und ich begann statt dessen parallel zum Wehrdienst Software- und Hardwareentwicklung zu betreiben und gründete dazu im April 1984 meine erste Firma.
Die Idee der eigenen Firma ließ mich jedoch auch während der Promotion nie los, und ich begann nebenbei mit dem Aufbau einer eigenen Firma im Bereich Meß- Regel- und Steuersysteme. Im Jahr 1987 knüpfte ich erste Kontakte zur Groß-EDV und erhielt den Auftrag zur Entwicklung eines Automationssystems im Rechenzentrum der LG Stuttgart. Da wir damit eine echte Marktlücke entdeckt hatten, kam der Erfolg sehr schnell und ich mußte mich 1989 schließlich entscheiden - Promotion oder Firma. Ich entschied mich für den weiteren Aufbau der Firma, die heute nach wie vor erfolgreich im Bereich „Systems Management im Rechenzentrum“ tätig ist. Meine Firma beschäftigt mittlerweile 28 Mitarbeiter, darunter auch einige Physiker, und wir befinden uns nach wie vor auf Expansionskurs und sind ständig auf der Suche zum Beispiel auch nach Physikern mit Programmiererfahrung.
Im Physikstudium wird die Fähigkeit geschult, logisch zu denken, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und systematisch aufzuarbeiten. Man hat Einblick in viele Basisdisziplinen und versteht Zusammenhänge in naturwissenschaftlichen Fragen erheblich besser, als wenn man anwendungs-orientierte Fächer studiert.
Hinsichtlich einer praktischen Berufstätigkeit - gleich ob selbständig oder angestellt - wäre eine betriebswirtschaftliche Zusatzqualifikation sinnvoll. Heutzutage kommt man um Informatik, E-Business u.ä. nicht herum, wenn man im Beruf in unserem Bereich erfolgreich sein will.

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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