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Stuttgarter unikurier Nr. 86 September 2000
Sonntagsmatinee im Sommersemester (I):
Von Energie und Altbauten
 

Ein sonniger Sonntagmorgen im Mai. Er zeigte sich als harter Konkurrent der ersten Sonntagsmatinee des Sommersemesters. Im relativ kühlen Hörsaal 17.02 der Universität Stuttgart hatte sich am 7. Mai um 11 Uhr nur ein Bruchteil der im Wintersemester gewohnten großen Zuhörerschar eingefunden. Diese waren aber dafür so wißbegierig, etwas über den „Altbaubestand und die Agenda 2000“ zu erfahren, daß sie ein zögerndes Abwarten auf eventuell Verspätete nicht dulden wollten und mit Applaus den Vortragsbeginn forderten.

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Als erster Referent des Sommersemesters hatte sich Prof. Horst Küsgen vom Institut für Bauökonomie das Thema „Altbaubestand und die Agenda 2000“ ausgesucht. Der Bauingenieur und Architekt, der in England und an der TU Aachen studierte und sich an der Uni Stuttgart intensiv in der Lehre engagiert, ist auch künstlerisch aktiv, wie Prof. Eckart Olshausen vom Historischen Institut und Organisator der Sonntagsmatinee, in seinem Grußwort verriet: „Beim Malen erholt er sich von der Uni“.

Energiekrise als Auslöser
Die Energiekrise von 1975/76 sei auslösendes Moment gewesen, sich mit dem Thema „Energie“ zu beschäftigen, berichtete Prof. Küsgen; denn selbst plötzlich von hohen Heizkosten betroffen, wurde dem Architekten klar: „Die Häuser dürfen nicht mehr so viel Energie verbrauchen. Dieser Gedanke war bis dato nicht aktuell in der Architektur“, erinnerte er, und so startete er damals an der Universität Stuttgart Seminare zu dem „provokanten“ Thema Nullenergiehaus. 
Eigentlich, sinnierte der Professor, sei die Krise ein guter Anstoß gewesen, die Folgen des ungebremsten Verbrauchs fossiler Energie zu hinterfragen. Langzeitmessungen von Temperatur und CO2-Gehalt der Luft lassen erkennen, daß in den letzten 150 Jahren beide stetig zunahmen und die Industrialisierung in USA und Europa um 1860 einen besonderen Anstieg kennzeichnet. Beängstigend an den Zahlen: Verliefen die Anstiege über lange Zeit linear, so zeigen sie nun ein exponentielles Wachstum. Leider, so Küsgen, nehme Deutschland beim Verbrauch fossiler Energien eine Spitzenposition ein, habe damit auch einen hohen CO2-Ausstoß und sei so an der Ausbildung des globalen Treibhauseffekts mit beteiligt.

Häuser im Auftrag der Stadt untersucht
Agenda bedeutet „das zu Tuende“, stellte Küsgen fest, und wandte sich damit der Frage zu, wie mit der Energie in alten Wohngebäuden umzugehen sei, die ein Stadtbild prägen können und - entsprechend modernisiert - begehrten Wohnraum bieten. Können sie überhaupt entsprechend den heutigen Anforderungen renoviert werden? Im Auftrag der Stadt Stuttgart untersuchten Institutsmitarbeiter um Horst Küsgen neun repräsentative Wohngebäude der Stadt. Die komplette Analyse vom Dach bis in den Keller der alten Häuser erfaßte jeweils 30 mögliche Sanierungsmaßnahmen. Alle wurden einzeln bewertet: Kosten und Energieeinsparpotential einander gegenübergestellt. Einzelmaßnahmen lassen sich zudem beliebig zu Kombinationspaketen schnüren, die dann sogar teilweise eine Sanierung bis hin auf das Niveau des Niedrigenergiestandards ermöglichen.
Die Untersuchung zeigte: Das technische Potential zur Sanierung von Altbauten ist gegeben. Das Problem liegt allerdings in der Finanzierung, denn erhöhte Mieten mag kein Mieter. Dies hatten die Wissenschaftler berücksichtigt und vorausschauend die erhöhten Mietkosten und die durch die Sanierung reduzierten Energiekosten gegengerechnet. Dies ergibt eine Transparenz, so daß sich Mieter und Vermieter auf einer „sachlichen, durchschaubaren Ebene“ dem Thema widmen können.
Die energetische Sanierung des Altbaubestands im Rahmen der CO2-Reduzierung zu sehen, da ist Horst Küsgen allerdings zurückhaltend und zu sehr Realist. Die Entscheidung zur Sanierung wird anhand finanzieller Überlegungen zwischen Mieter und Vermieter ausgemacht, ist seine Erfahrung. Die dabei erzielte CO2-Einsparung ist ein Geschenk an die Allgemeinheit.

J.Alber

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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