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Stuttgarter unikurier Nr. 84/85 April 2000
Pilotstudie zur Virusresistenz von Maniok:
Kleine Fliege - große Wirkung
 

Vom neunten Stockwerk des Vaihinger Biologie-Gebäudes kann der Blick ungehindert in die Ferne schweifen. Hier in luftiger Höhe forscht Thomas Frischmuth im Labor. Für die Forschung vor Ort muß sich der promovierte Biologe und Privatdozent an der Universität Stuttgart allerdings auf einen weiten Weg machen - bis nach Afrika.

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Manihot esculent, oder auch einfach Maniok, wächst in Afrika, Asien und Latein-Amerika. Bis zu drei Meter hoch kann der mehrjährige Strauch werden, der zu den Wolfsmilchgewächsen zählt, anspruchslos ist und unkompliziert anzubauen. Weltweit ernähren sich über 800 Millionen Menschen von seinen stärkereichen Wurzelknollen, die vergleichbar unserer Kartoffel verwendet werden, aber das stattliche Gewicht von 5 kg erreichen können. Allerdings: Seit den 70er Jahren ist Maniok bedroht. Schuld daran haben die kleine weiße Fliege Bemisia tabaci und ein Mosaik-Virus, das sie beim Saugen an den Maniokblättern überträgt. Die infizierten Pflanzen sterben nicht ab, bekommen aber gelbliche, leicht grießelige Blätter und - entscheidend für die Menschen - bis zu 80 Prozent der Ernte fällt aus. Wenn Thomas Frischmuth von Maniok, der Fliege und dem Virus erzählt, dann wird schnell klar, wie komplex sein Forschungsgebiet ist. Durch reichlich Pestizideinsatz hat Bemisia tabaci eine Breitbandresistenz ausgebildet. Ihr kann man nun mit keinem derzeit vorhandenen Mittel mehr den Garaus machen, und sie vermehrt sich zuhauf. Aber auch die afrikanischen Bauern, die die typischen Krankheitssymptome nicht erkennen oder nicht erkennen wollen und den infizierten Maniok einfach in alter Manier weiter anbauen, und tausende von Flüchtlingen, die sich mit einem Stück Maniok als einzige Habe auf den Weg machen, tragen zur Verbreitung des Virus bei. Und dann ist da noch die Pflanze selbst, die den Forschern nicht gerade entgegenkommt. Mit Hilfe traditioneller Züchtungsmethoden resistente Formen zu finden, ist so gut wie aussichtslos, denn Maniok bildet, wenn überhaupt, nur drei bis fünf Samen pro Pflanze aus, die dann nicht mal alle keimen. Zudem besitzt er eine hohe genetische Komplexität, und Kreuzungen scheitern meist an der sogenannten „Inbreeding“ Depression. Düstere Aussichten, die den Forscher Frischmuth aber nicht schrecken, sondern eher anspornen. Seit Mitte 1999 nimmt sich der Fliege ein ganzes Netzwerk an - das European Whitefly Studies Network (EWSN) am John Innes Centre in Norwich. Über 50 Mitglieder aus 13 Ländern - auch Dr. Frischmuth zählt dazu - tauschen darin aktuelle Forschungsergebnisse über Virologie, biologische Kontrolle, Resistenz, Epidemiologie, Pflanzengesundheit und Systematik rund um die Weiße Fliege aus und profitieren gegenseitig (www.jic.bbsrc.ac. uk/hosting/eu/ ewsn). Wenn im Jahr 2000 definitiv EU-Gelder fließen, dann läuft die Suche nach resistenten Maniokpflanzen an - vielleicht war ja die Natur selbst schon irgendwo aktiv. Manch ein Bauer vermutete solche resistenten Pflanzen schon auf seinem Feld, doch leider stellte sich relativ schnell heraus, daß nur die Fliege vor Ort nicht flog. Nicht zu vergessen der Übeltäter selbst, das zu den Geminiviren zählende Virus: African cassava mosaic virus in Afrika (ACMV), East African cassava mosaic virus in Ost-Afrika (EACMV) und das Indian cassava mosaic virus in Indien (ICMV). Was bei anderen Kulturpflanzen funktioniert, Resistenz durch Integration eines Virus-Hüllproteingens in das Pflanzengenom, bleibt hier ohne Erfolg. Ein Versuch, der erfolgversprechend scheint, setzt auf die in infizierten Maniokpflanzen vorgefundenen kleinen DNA-Moleküle, sogenannte subgenomische DNAs. Mit ihnen, und künstlich hergestellten Konstrukten, wurde Nicotiana benthamiana transformiert und war anschließend vor einer ACMV-Infektion weitgehend geschützt. Vermutlich konkurriert die kleine DNA, auch „defective interfering“ (DI)-DNA genannt, mit der genomischen viralen DNA um die viralen Proteine, die für Replikation und Transport verantwortlich sind. Der enorme Vorteil dieser Methode: es wird kein virales Genom in der Pflanze vermehrt, und die schützende DI-DNA wird erst aktiviert, wenn eine Infektion durch das Virus vorliegt. Ob das ACMV-DI-DNA Konstrukt, das in N. benthamiana zu einer Resistenz führt, auch in Maniok-Gewebeexplantaten wirkt, soll nun geklärt werden. Eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 35.000 DM aus Mitteln des Senator-Eiselen-Vermächtnisses*) ermöglicht in den Vaihinger Labors eine 20monatige Forschungsphase, in der zunächst mit Hilfe des Bakteriums Agrobacterium tumefaciens und durch Partikelbeschuß Gewebeexplantate von Maniok mit DI-DNA transformiert werden. Als weiterer Schritt sollen dann künstliche DI-DNA-Konstrukte für ICMV und EACMV hergestellt und getestet werden. Zeigt sich auf der Zellebene durch den Einsatz der DI-DNA ein Resistenzeffekt, dann besteht die „Wahrscheinlichkeit“, dämpft Thomas Frischmuth jede voreilige Euphorie, daß auch die ganze Maniokpflanze resistent ist. Sicher ist hier so schnell nichts, das ist eben Forschung pur - immer für eine Überraschung gut.

J. Alber

*) Mit einer Reisebeihilfe aus dem Senator-Eiselen-Vermächtnis wird darüber hinaus ein Student des Instituts für Raumordnung und Entwicklungsplanung unterstützt, der für seine Diplomarbeit die Qualität von landwirtschaftlichen Flächen bei Entscheidungen über deren Umwidmung in Siedlungsflächen in der Volksrepublik China untersucht.

KONTAKT
Dr. Thomas Frischmuth, Biologisches Institut, Abteilung für Molekularbiologie und Virologie derPflanzen, Pfaffenwaldring 57, 70550 Stuttgart, Tel. 0711685-5075, Fax 0711/685-5096; e-mail: thomas.frischmuth@po.uni-stuttgart.de, http://www.uni-stuttgart.de/bio/molbio

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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