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Stuttgarter unikurier Nr. 84/85 April 2000
Erster Sonderforschungsbereich der Universitäten Stuttgart und Hohenheim im Bereich der Biowissenschaften:
Wer stellt die Signale in der Zelle?
 

Zum 1. Januar 2000 hat mit dem Sonderforschungsbereich (SFB) 495 „Topologie und Dynamik von Signalprozessen” der erste biowissenschaftliche SFB in Stuttgart unter Beteiligung beider Universitäten seine Arbeit aufgenommen. Mit der gemeinsamen Erforschung von Signalprozessen in Lebewesen positionieren sich die beiden Stuttgarter Universitäten in einem der vielversprechendsten Bereiche der biomedizinischen Grundlagenforschung. An dem mit rund sechs Millionen Mark in den ersten drei Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten SFB sind sechs Institute der Universität Stuttgart und zwei Institute der Universität Hohenheim beteiligt. Sprecher ist Prof. Dr. Klaus Pfizenmaier vom Institut für Zellbiologie und Immunologie der Universität Stuttgart. „Angesichts der in diesem Jahr besonders engen Auswahlkriterien bei der DFG stellt die Genehmigung des neuen Sonderforschungsbereichs den beiden Stuttgarter Universitäten das beste Zeugnis für ihre Kompetenz und funktionierende Zusammenarbeit in der Biologie aus”, kommentierte der Rektor der Universität Stuttgart, Prof. Dr.-Ing. Günter Pritschow, die Entscheidung der DFG.

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„Wie funktioniert eine Zelle? Welche Prozesse regeln Wachstum, Differenzierung und Kommunikation von Zellen sowie die Aufrechterhaltung koordinierter Funktionen von Zellverbänden? Wie werden Signale von Zellen und Zellverbänden verarbeitet?” Fragen dieser Art bilden den Ausgangspunkt des neuen Sonderforschungsbereichs. Zwar hat die Forschung in den vergangenen Jahren mit biochemischen und molekularbiologischen Methoden viele Grundbausteine und Botenstoffe von Signalnetzwerken entschlüsselt; über das räumliche und zeitliche Zusammenwirken der molekularen Bausteine ist jedoch noch wenig bekannt. Da bei prinzipiell gleicher Ausstattung mit Signalmolekülen Zellen unter Umständen ganz unterschiedliche Reaktionen zeigen können, ist eine wesentliche Arbeitshypothese der beteiligten Wissenschaftler, daß die Raum-Zeit Komponente der Signalprozesse in besonderer Weise die zelluläre Reaktion bestimmt. Es wird angenommen, daß dieses Grundprinzip von einfachen, einzelligen Organismen (Bakterien, Hefen) bis hin zu komplexen Zellverbänden höherer Zellen gleichermaßen gültig ist. So hat sich der SFB das Ziel gesetzt, die Raum-Zeit-Struktur von Signalprozessen von der Ebene der beteiligten Moleküle bis hin zum Organ zu erfassen und die experimentellen Ergebnisse durch eine Modellbildung zu unterstützen. Entsprechend gliedert sich der SFB in vier Projektbereiche, die sich mit den Signalprozessen auf molekularer, zellulärer und Organ-Ebene sowie deren mathematischer Modellierung beschäftigen.

Vier Projektbereiche
Auf molekularer und zellulärer Ebene gehören die räumliche Organisation und Wechselwirkung von Signalproteinen zu den Hauptthemen. Dabei werden neben den molekular- und zellbiologischen Ansätzen auch spezielle biophysikalische und vor allem mikroskopische Meßverfahren entwickelt und eingesetzt. Auf Organ-Ebene werden räumliche und zeitliche Muster bei der Prozessierung von Signalen in sensorischen Systemen untersucht; dabei geht es vor allem um Aspekte der Geruchs- und Geschmackswahrnehmung.

Integration der Systemwissenschaften
Die Vielfalt von Signalprozessen und die enorme Komplexität der inneren Zellarchitektur machen einen interdisziplinären Ansatz zur Aufklärung der oben genannten Fragen erforderlich. Neben der grundlegenden Beteiligung der Biologie, Chemie, Physiologie und Physik ist die Integration der Systemwissenschaften eine Besonderheit des Stuttgarter SFBs. So wird im vierten Projektbereich die in Stuttgart in den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen vorhandene Kompetenz in der mathematischen Modellierung und in der Systemtheorie für das Verständnis von biologischen Signalprozessen herangezogen. Aus der mathematischen Modellierung ableitbare Vorhersagen sollen dann in biologischen Experimenten wiederum überprüft werden, bis über diesen iterativen Prozeß gültige Modelle der Signalprozesse entstehen.

Gemeinsames Labor
Für die komplizierten Meßverfahren wird ein gemeinsames Labor für Hohenheimer und Stuttgarter Projekte im Verfügungsgebäude auf dem Vaihinger Campus der Universität Stuttgart eingerichtet. Dies ermöglicht die effiziente Nutzung der aufwendigen Apparate vor allem im Bereich der Laserscanning-Mikroskopie und der Videomikroskopie in Verbindung mit neuen bildanalytischen Verfahren. Von dem Sonderforschungsbereich wird auch der wissenschaftliche Nachwuchs in besonderer Weise profitieren. Ein spezielles Seminarprogramm mit internationalen Rednern wird den SFB begleiten und damit neben der experimentellen Ausbildung von Diplomanden und Doktoranden in den verschiedenen Teilprojekten auf einem hochaktuellen Forschungsthema einen weiteren wichtigen Beitrag zu einer hochwertigen Ausbildung leisten.

Bezug zur Medizin
Die Aufklärung der grundlegenden Prozesse der Signalverarbeitung, deren herausragende Bedeutung für die Grundlagenforschung unbestritten ist, hat einen direkten Bezug zu vielen medizinischen Fragestellungen. Da Signalprozesse so entscheidende Vorgänge wie Wachstum, Differenzierung oder Tod von Zellen, aber auch von Sinneswahrnehmungen kontrollieren, können Fehlsteuerungen dieser Prozesse direkt oder indirekt zu schwerwiegenden Erkrankungen führen. „Die Aufklärung der Signalprozesse, die den spezifischen zellulären Leistungen zu Grunde liegen, gilt als eine der zentralen Aufgaben und Hauptherausforderungen der biowissenschaftlichen Forschung in den nächsten zehn bis 15 Jahren”, urteilt der Sprecher des SFB, Prof. Dr. Klaus Pfizenmaier. /eng

KONTAKT
Prof. Dr. Klaus Pfizenmaier, Institut für Zellbiologie und Immunologie, Universität Stuttgart, Allmandring 31, Tel: 0711/685-6988, Fax: 0711/685-7484, e-mail: klaus.pfizenmaier@po.uni-stuttgart.de

 

Die am SFB 495 beteiligten Institute

Universität Stuttgart:
- Institut für Zellbiologie und Immunologie
- Institut für Biochemie
- Institut für Industrielle Genetik
- Institut für Bioverfahrenstechnik
- Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik
- 3. Physikalisches Institut

Universität Hohenheim:
- Institut für Mikrobiologie
- Institut für Physiologie

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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