Modell Stutgart 21 |
Den anschließenden Realisierungswettbewerb für den neuen
Bahnhof entschied das Büro Ingenhofen für sich. Der spektakuläre Entwurf kultiviert die
neue Qualität des Bahnhofs als unterirdische Station: Das historische Bahnhofsgebäude
von Paul Bonatz wird als räumlicher Abschluß der Königstraße erhalten und mit neuen
Nutzungen angereichert. Auf mehreren Ebenen finden Fahrgäste und Passanten eine breite
Palette von Läden, Dienstleistungen und kulturellen Angeboten. Die tiefergelegten Gleise
werden mit einer leichten Betonschale überspannt und über große Lichtaugen natürlich
belichtet. Dieses perforierte Dach erzeugt eine einzigartige Stimmung im Bahnhof. Die
Stützen der Überdachung dienen zugleich der Lichtführung. Die ungewöhnliche
Konstruktion hat das Büro Ingenhofen gemeinsam mit Professor Frei Otto entworfen, der
für die Tragkonstruktion des Münchner Olympiastadions verantwortlich zeichnet. Die
Oberfläche des Dachs denken sich die Architekten als Grünfläche, die den mittleren
Schloßgarten bis zur Heilbronner Straße erweitert. Auf diese Weise soll die Topographie
Stuttgarts herausgearbeitet werden.
Der vom Gemeinderat verabschiedete Rahmenplan schreibt die städtebaulichen Essentials des
Projekts fest. Für den ersten Bauabschnitt hinter dem Komplex der Südwestdeutschen
Landesbank hat die Stadt inzwischen Baurecht geschaffen.
Hinter dem Bahnhof liegen die wertvollsten Entwicklungsflächen der Stadt. In der zum Teil
heftig geführten öffentlichen Diskussion über die Zukunft dieses Areals wurde immer in
Frage gestellt, ob es unter den ökonomischen Rahmenbedingungen überhaupt gelingen kann,
dort einen Stadtteil mit urbaner Atmosphäre zu schaffen.
Modell Stuttgart 21 |
Die ersten Projektideen und Investitionsabsichten scheinen
eher die Kritiker zu bestätigen. Anregungen und Diskussionsbeiträge aus der Universität
konzentrierten sich deshalb auf die Chance, Stuttgart 21 als Städtebaulabor für die
Zukunftsfragen der Stadtgesellschaft der Jahrtausendwende zu nutzen. Ein zu hoher
Anspruch? Wenn man bedenkt, daß die Fläche hinter dem Bahnhof auf lange Sicht letzte
Flächenreserve in der Innenstadt sein wird, kann man die Meßlatte nicht hoch genug
legen.
In einer stattlichen Zahl von Entwürfen und Diplomarbeiten haben Studierende der
Fakultät für Architektur und Stadtplanung bereits aufgezeigt, welche erstaunlichen
Potentiale das Areal bietet. Die auf einer Teilfläche des freiwerdenden Areals
stattfindende, von der Universität wissenschaftlich begleitete Initiative einer
Internationalen Bauausstellung, die in den Jahren 2002 bis 2007 auf einer Teilfläche des
freiwerdenden Areals stattfinden wird, könnte ein Meilenstein werden für einen
Städtebau, der dem Prinzip nachhaltiger Entwicklung verpflichtet ist. Die Leitprojekte
Soziale Stadt, Umweltverträgliche Mobilität,
Ressourcenschonendes Bauen und Offene Planungskultur bieten
vielfältige Möglichkeiten für die Zusammenarbeit von Stadt und Region, Wirtschaft und
Wissenschaft. Die epochale Bedeutung der Weißenhofsiedlung Stuttgarts Bauausstellung
aus dem Jahr 1927 sollte ein Ansporn und Verpflichtung sein, das Bahnprojekt, in
welcher Variante auch immer, für die Entwicklung eines international beachteten
Städtebauprojekts zu nutzen.
Franz Pesch
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