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Stuttgarter unikurier Nr. 82/83 September 1999
Er wird wohl keine Tauben füttern...
Zum Abschied von Franz Effenberger
 

Viel Applaus und standing ovations im Hörsaal 17.01 der Universität Stuttgart. Weder eine Oscar- noch eine Bambi-Verleihung fand hier am 2. Juni statt ­ Prof. Dr. Franz Effenberger, Altrektor und Hochschullehrer, hielt vor großer “Fangemeinde“ seine Abschiedsvorlesung.

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Abschied für einen “Vollblutchemiker mit Managertalent“: Franz Effenberger (rechts) mit Rektor Günter Pritschow.      (Foto: Klinkert)

Ganz konnte es Universitätsrektor Prof. Günter Pritschow nicht glauben, daß Franz Effenberger, “ein Mensch, der selten ruht“, sich nun wirklich zurückzieht. Seinem scheidenden Kollegen, dem es gelinge, so viel Sympathie auf sich zu vereinigen, bescheinigte der Rektor “Toleranz, hintergründigen Charme, Fleiß, Wissen, zielgerichtetes Handeln“ und vieles mehr.
Der “Vollblutchemiker“, mit 300 Originalpublikationen und 40 Patenten, zählt zu seinen wichtigsten Arbeitsgebieten die Chemie der Aromaten, Heterocyclen und Aminosäuren sowie die chemischen Grundlagen der Molekularelektronik und die Anwendung von Enzymen in der Synthese. Effenberger erhielt das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und wurde mit dem Alexander von Humboldt-Forschungspreis ausgezeichnet. 1930 in Nordmähren geboren, studierte er an der TH Stuttgart Chemie, promovierte 1959 und habilitierte sich fünf Jahre später. Es folgte ein Forschungsaufenthalt in den USA und 1971 die entscheidende Wahl. Statt einem Ruf an die TU Braunschweig zu folgen, gab er der TH Stuttgart den Vorzug. “Zum Glück“, kommentierte Günter Pritschow diese Entscheidung, denn Effenberger wirkte nicht nur intensiv an der Reform des Chemiestudiums mit, sondern engagierte sich als Prorektor für Forschung auch für den Aufbau der Bioverfahrenstechnik. Seit 1986 erreichte der “Rektor mit Managertalenten, strategischem Geschick, Humor und Charme“, so seine Mitarbeiter und Kollegen, vieles für die Universität. Durch “meisterliche Niederlagen“ beim Tennis gegen den damaligen Ministerpräsidenten verstand er es, viele Fördermittel zu ergattern. Gerne erinnerte sich Günter Pritschow an diese Zeit, als er, der Prorektor, beim Rektor Effenberger noch “in die Lehre ging“.
Wie bei seiner Antrittsrede als Rektor sei es ihm auch an diesem Abend wichtig, die Einstellung der Menschen zur Chemie zu verbessern, begann Franz Effenberger seine Abschiedsvorlesung zur Frage “Was haben Bopserbrunnen, Blutfarbstoff und Perlonstrümpfe gemeinsam?“
Durch Berichte und Briefe von Zeitgenossen lebendig aufbereitet, porträtierte Effenberger drei Stuttgarter Chemiker. Hermann Christian Fehling, Begründer des Chemischen Landesuntersuchungsamtes und der erste, der die vielen Mineralquellen Württembergs analysierte, darunter auch die Bopserquelle in Stuttgart. William Küster, der die richtungsweisende chemische Struktur für den Blutfarbstoff vorschlug und sich damit lange nicht in der Fachwelt etablieren konnte. Als seine Struktur durch die Totalsynthese bestätigt werden konnte, erlag er einem Herzinfarkt und kam um den Ruhm des Nobelpreises. Als Hommage an diesen Forscher kennzeichnet in der S-Bahnhaltestelle “Universität“ die Formel für das Chlorophyll die Stuttgarter Chemie, das wie der Blutfarbstoff ein Porphyrinderivat ist. Der gebürtige Stuttgarter Paul Schlack erfand 1938 das Perlon und wurde 1961 Leiter des neu gegründeten Forschungsinstituts für Chemiefasern an der TH Stuttgart.
Alle drei Forscher hätten dazu beigetragen, betonte Effenberger, den Kenntnisstand ihrer Disziplin zu erweitern und etwas Bleibendes für die Menschheit zu schaffen. Gemeinsam sei ihnen auch gewesen, den persönlichen Ehrgeiz der Sache unterzuordnen und nicht die Werbetrommel zu rühren. So lasse sich auch ihr geringer Bekanntheitsgrad erklären. “Ich möchte Ihnen vermitteln, daß es in Stuttgart hervorragende Chemiker gegeben hat“, schloß der Emeritus seinen Vortrag.
Die Zuhörer haben in Zukunft nun die Wahl, ob sie Günter Pritschows Aussage überprüfen. Der Rektor meinte: “Sehen Sie im Stadtpark in Zukunft einen älteren Herrn mit grauem Schopf Tauben füttern, dann grüßen Sie ihn ruhig, aber es wird nicht Franz Effenberger sein.“ Diesen vermutet er eher über einer Denkschrift zur Befreiung der Universität von zuviel Bürokratie.

J. Alber

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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