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Stuttgarter unikurier Nr. 82/83 September 1999
Neu im Uni-Archiv:
Akten zur Entwicklung des Bauingenieurwesens
 

“Die ständig fortschreitende Ausweitung der Erkenntnisse der verschiedenen Disziplinen der Ingenieurwissenschaften hat allmählich zu einer Häufung des Stoffes innerhalb der einzelnen Lehrgebiete und damit auch zu einer vermehrten Belastung der Studierenden der Hochschulen geführt. Die sich daraus ergebenden Probleme treten besonders krass auf dem Gebiet des Bauingenieurwesens in Erscheinung...“, berichtet der Dekan der Fakultät für Bauwesen, Franz Pöpel, 1955 an das baden-württembergische Kultministerium. Das Schriftstück findet sich in den Akten der bis 1970 bestehenden Fakultät für Bauwesen, die zusammen mit den Unterlagen der Abteilung für Bauingenieur- und Vermessungswesen vor kurzem in das Universitätsarchiv übernommen worden sind.

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Versuchsanordnung zur Bestimmung der Druckfestigkeit von Schwarzdeckenbelägen im Institut für Straßenbau 1954. Noch war mit Franz Pöpel nur ein Lehrstuhlinhaber für die zwei Lehrgebiete Straßenbau und Siedlungswasserbau zuständig.

Den Hintergrund für Pöpels Feststellung bildeten die seit Beginn der fünfziger Jahre aufgekommenen Pläne zur Reform des Bauingenieurstudiums. Die Frage in einem anonymen studentischen Flugblatt: “Wann werden in unserer Abteilung die ersten Schritte zu der allseitig als notwendig erkannten Studienplanreform getan?“ wurde 1957 beantwortet: Anstatt alle Fachgebiete gleichmäßig abzudecken, konnten die Studierenden ab jetzt nach einem Grundlagenstudium zwischen den drei klassischen Vertiefungsfächern konstruktiver Ingenieurbau, Wasserbau und Verkehrswesen wählen, allerdings auf Kosten der Studiendauer, die sich ­ wenn auch nur für wenige Jahrgänge ­ von 8 auf 10 Semester verlängerte. Die Stuttgarter Reform wurde in der Folge zum Vorbild für die Bauingenieurausbildung der anderen westdeutschen technischen Hochschulen. Bemerkenswert ist auch der Plan, “postgraduate courses“ für ein akademisches Nachstudium einzurichten, der “in Anlehnung an die amerikanischen und englischen Bestrebungen eine zusätzliche Vertiefung im Anschluß an das Studium“ erbringen sollte, erst “nach einer vorübergehenden erfolgreichen Tätigkeit in der Praxis“ belegt werden konnte und somit schon vor 45 Jahren die Zielrichtung des heutigen Studiengangs Infrastructure Planning einschlug.
Der Spezialisierung des Studiums und der fortschreitenden Diversifikation der Fachgebiete wurde die TH Stuttgart mit der Schaffung neuer Lehrstühle und Institute gerecht. Waren zu Beginn der fünfziger Jahre für ca. 600 Studierende 33 Professoren, Dozenten und Lehrbeauftragte an 10 Lehrstühlen und Instituten in der Abteilung für Bauingenieur- und Vermessungswesen tätig, so erhöhte sich die Zahl bis zum Ende der sechziger Jahre auf 58 Professoren, Dozenten und Lehrbeauftragte an 22 Lehrstühlen und Instituten, die für die Ausbildung von ca. 920 Studierenden zur Verfügung standen. Die jetzt in das Universitätsarchiv gelangten Akten dokumentieren diesen institutionellen Ausbau und machen damit zugleich den Einzug neuer Technologien, Forschungsaufgaben und Lehrinhalte in das Bauingenieurwesen der fünfziger und sechziger Jahre nachvollziehbar.

N. Becker

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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