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Stuttgarter unikurier Nr.80/November 1998
Alcatel SEL-Stiftungsprofessur für Professor Ropohl:
Systemphilosophie der Technik
 

Das Alcatel SEL-Stiftungskolleg an der Universität Stuttgart hat in Zusammenarbeit mit der Abteilung Wissenschaftstheorie und Technikphilosophie des Instituts für Philosophie, Pädagogik und Psychologie den Fertigungsingenieur und Technikphilosophen Günter Ropohl (Frankfurt a.M.) für eine Gastprofessur gewinnen können. Im vergangenen Semester las Ropohl für Hörer aller Fakultäten über eine Systemphilosophie der Technik.

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Über Technik, ihren Sinn und Wert, über ihre Chancen ebenso wie ihre Risiken, wird seit einiger Zeit in der Öffentlichkeit besonders heftig und kontrovers diskutiert. Einem euphorischen Technikverständnis, das glaubt, alle menschlichen Probleme mit fortwährender Technisierung lösen zu können, steht eine defaitistische Technikkritik entgegen, die das reale Humanisierungspotential von Technik unterschätzt. Apologie oder Apokalypse – diese unfruchtbare Frontenbildung in der gegenwärtigen Technik-Debatte aufzuheben ist für Günter Ropohl das zentrale Anliegen. Es prägt seinen synthetischen Ansatz einer Technikphilosophie.

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Bei einem Empfang der Universität für Prof. Ropohl (rechts) hob der bisherige
Prorektor Lehre, Prof. Dr. Eckart Olshausen (Mitte), die Bedeutung der
Stiftungsvorlesung im Zusammenhang mit den Bemühungen der Universität hervor,
fachübergreifende Studieninhalte zu stärken. Angesichts schnell veraltender
Wissensbestände gelte es zunehmend, den Studierenden Methoden- und
Sozialkompetenz sowie Kommunikationsfähigkeit zu vermitteln. Links im Bild ist
Prof. Hubig.        (Foto: Eppler)

Nicht allein auf theoretischer Ebene gilt es, den vielfältigen Integrations- und Kompatibilitätsproblemen einer arbeitsteilig organisierten technologischen Praxis gerecht zu werden. Angesichts der verwickelten soziokulturellen Folgeprobleme technischen Handelns müssen zugleich Gestaltungsstrategien eröffnet werden, mit denen der zunehmenden Komplexität von Technik angemessen begegnet werden kann. Beides verlangt nach einer philosophischen Reflexion, die sich nicht darin bescheidet, wohltuende Wirkungen und verderbliche Folgen einander aufzurechnen. Technik muß als umfassendes kulturelles Phänomen begriffen werden. Ropohl favorisierte dabei kybernetisch-systemtheoretische Modelle, wie sie in der allgemeinen Systemtheorie Ludwig von Bertalanffys, in der Kybernetik Norbert Wieners samt ihren regelungs- und nachrichtentechnologischen Vorläufern und Nachfolgern, in der Bourbaki-Schule, aber auch in praxisorientierten Ansätzen von Systemanalyse und Systemtechnik entwikkelt worden sind. Auf sie griff er zurück, um ein neues, jeden Reduktionismus ausschließendes Technikverständnis philosophisch zu begründen. Wesentlich war dabei nicht nur die Verknüpfung von funktionalen, strukturalen und hierarchischen Systemaspekten, sondern zugleich deren Einbettung in einen handlungstheoretischen Ansatz. Technik ist mehr als die Summe angeblich ethisch neutraler Mittel für beliebige Zwecke. Technik müsse vielmehr als soziotechnisches System gedacht werden, welches seinen Wert erst in gesellschaft-lichen Handlungszusammenhängen erhält. Zwar sei das Artifizielle Kennzeichen des Technischen, aber als ein „Sachsystem“, das in solchen individuellen und sozialen Handlungskontexten hergestellt und verwendet wird, welche sich selbst wiederum systemisch generieren. In einem derart konzipierten Systemmodell technischen Handelns lassen sich technische Artefakte wie die daran geknüpften soziotechnischen Interdepen-denzen begreifen. Ropohl zog daraus eine bedenkenswerte Schlußfolgerung: Es gibt keine unschuldige Technik. Der Technik eignet von vornherein eine normative Dimension. Diese normative Dimension erschöpft sich nicht in moralischen Regeln für Individuen im Umgang mit der Technik. Sie umfaßt gleichermaßen Regeln der gesellschaftlichen Ordnung.
Technikethik hätte dann aber ihren Ort weder allein im Bereich moralischer Bewertung von technischen Verwendungszwecken und Gebrauchsweisen noch ließe sich die technische Entwicklung ausschließlich über eine Berufsethik des Ingenieurs steuern. Ausgehend von seinem systemtheoretischen Technikverständnis forderte Ropohl, Technik- und Wirtschaftsethik zusammenzuführen. Einer integrativen Sozialethik stellte er eine auf der Einheit von Moral und Politik beruhende Sozialtechnologie zur Seite.    Elke Uhl

KONTAKT
Prof. Dr. Christoph Hubig, Abteilung für Wissenschaftstheorie und Technikphilosophie des Instituts für Philosophie, Pädagogik und Psychologie, Seidenstr. 36, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-2490, -2491, Fax 0711/121-2492; e-mail: christoph.hubig@po.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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