Home           Inhalt
balken.gif (998 Byte)
Stuttgarter unikurier Nr.79/Juni 1998
Podiumsdiskussion zum Abschluß des Schülerinnen-Projekts „Probiert die Uni aus!":
Keine Angst vor Jungs und Technik
 

Ob denn die Jungs in den naturwissenschaftlichen Disziplinen ebenfalls nur in den Computer-Monitor starren würden, fragte eine Schülerin während einer Podiumsdiskussion in die Runde. Die Frage löste allgemeine Heiterkeit aus, doch ist sie durchaus ernst zu nehmen: darin äußert sich ihr Unbehagen in einer Gruppe von Männern, die vor lauter Technik die Menschen nicht mehr sehen. So Frauen nicht den Gegenständen, Methoden und der Arbeit von Ingenieur- und Naturwissenschaften ablehnend gegenüberstehen, schreckt sie oft das Umfeld, in das sie bei einem Studium solcher Fächer geraten könnten. Sie erwarten nur wenige Kommilitoninnen, haben offensichtlich Bedenken, in einem Raum sozialer Leere zu verschwinden oder fürchten wohl die bisweilen freundliche Arroganz der Männer, Unannehmlichkeiten, die sich im Beruf fortzusetzen drohen.

kleinbal.gif (902 Byte)
 

 

All das sollte sie jedoch nicht davon abhalten, ein Studium in den klassischen Männerstudiengängen aufzunehmen. Darüber waren sich sechs studien- und berufserfahrene Frauen einig, die am 15. Mai im Pfaffenwaldring 47 während einer Podiumsdiskussion einigen Dutzend Schülerinnen der gymnasialen Oberstufe Rede und Antwort standen. Mit der Veranstaltung schloß der erste Zyklus des Projekts „Probiert die Uni aus! Naturwissenschaften und Technik für Schülerinnen der Oberstufe."

Die Frauenbeauftragten der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten hatten sich zu dem Projekt zusammengefunden, um den Schülerinnen Mut zu machen, das Fach ihrer Neigung auch zu studieren. Über zweihundert junge Frauen hatten über fünf Monate hinweg jeweils freitags nachmittags Gelegenheit, in Theorie und Praxis in vierzehn Studiengänge „hineinzuschnuppern".

Dr. Barbara Unteutsch, die Frauenreferentin der Universität, hatte bei der Einladung darauf geachtet, daß Expertinnen unterschiedlicher beruflicher Bereiche vertreten waren. Die Mathematikerin Andrea Hofmann entwickelt für ein Versicherungsunternehmen die Software für die Versicherungsver-waltung. Professorin Dr. Monika Auweter-Kurtz, die ehemalige Frauenbeauftragte der Universität, war Anfang der 90er Jahre die erste baden-württembergische Ingenieur-Professorin. Professorin Dr. Irmtraud Munder, gelernte Physikerin, lehrt unter anderem an der Fachhochschule Furtwangen. Daneben saßen die Bauingenieurin Kalliope Papadimitriou sowie die Chemikerin Dr. Brigitte Helfrich, die im Schweizer Konzern Ciba angestellt ist.

Während die Professorinnen vor allem betonten, daß sich Beruf und Familie bei entsprechender Organisation vereinbaren ließen, setzten die Frauen aus der Wirtschaft einen etwas anderen Akzent. Sowohl Andrea Hofmann als auch Kalliope Papadimitriou konnten nur unterstützen, was Brigitte Helfrich erzählte: Seit sie als Mutter nur noch halbtags arbeite, stagniere ihre Karriere, wenn auch auf hohem Niveau. Fazit Helfrich: „Wenn man Familie will, dann kann man nicht auch Karriere machen." In Deutschland bleibt offensichtlich noch einiges zu tun, um der Teilzeit Akzeptanz zu verschaffen und Arbeitsplätze so anzulegen, daß sich Männer wie Frauen der Familie wie dem Beruf ohne eklatante Nachteile widmen können.

So weit sollte frau bei der Wahl des Studienfaches jedoch zunächst nicht denken. Dabei sollte vielmehr die Lust und das Interesse am Gegenstand den Ausschlag geben, so die einhellige Meinung. Und gerade im Bereich der Ingenieurwissenschaften bestünden derzeit gute Chancen, die Männerdomäne zu erobern, fehle es der Industrie doch am Nachwuchs, stärkte Barbara Unteutsch den Mädchen den Rücken. Überdies hatten die beruflich erfolgreichen Frauen auf dem Podium nicht von allzugroßen Problemen mit ihren männlichen Kollegen zu berichten. Mit denen könne sich frau sogar unterhalten, beruhigten sie die Schülerin, die ihren Abscheu vor den am Computer hängenden jungen Männern zum Kriterium der Fächerwahl machen wollte. Die gäbe es, wie computerverliebte Studentinnen, überall, doch fänden sich darüber hinaus viele Leute, die sich dann doch lieber mit Menschen aus Fleisch und Blut unterhielten.

Der nächste Projektzyklus, der noch stärker den Bedürfnissen und Vorkenntnissen der Schülerinnen angepaßt werden wird (siehe dazu nebenstehenden Bericht), soll Anfang 1999 starten. Unter anderem plant die Informatik für die Faschingsferien vom 15.-19. Februar eine „Erlebniswoche".     /hjg

 

KONTAKT
Dr. Barbara Unteutsch, Frauenreferentin, Geschwister-Scholl-Str. 24 B, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-2156, Fax 0711/121-4035

e-mail: unteutsch@verwaltung.uni-stuttgart.de

 

kleinbal.gif (902 Byte)

Frauen für Naturwissenschaften und Technik:
Erwartungen erfüllt

 

Rein quantitativ darf die Aktion „Probiert die Uni aus!" mit über 270 Anmeldungen für die ingenieurwissenschaftlichen und 200 Anmeldungen für die naturwissenschaftlichen Fächer sowie mehr als 50 Anmeldungen für die Informatik als großer Erfolg gewertet werden. Doch auch qualitativ können die Veranstalterinnen, die Frauenbeauftragten der beteiligten Fakultäten, außerordentlich zufrieden sein: Nur bei zwei Schülerinnen wurden die Erwartungen nicht, bei allen anderen dafür voll und ganz oder teilweise erfüllt. Soweit ein erstes Fazit nach Abschluß des ersten Zyklus des Projekts, bei dem mehr als 200 Schülerinnen der gymnasialen Oberstufe prüfen konnten, ob ihre Begabungen und Neigungen einem naturwissenschaftlichen oder technischen Studium entsprechen. Überrascht waren die Veranstalterinnen nach der Auswertung der Fragebögen, daß fast 80 Prozent der Teilnehmerinnen die Klassen 11 und 12 besuchen, wobei die Elftklässlerinnen mit fast 50 Prozent aller Teilnehmerinnen überwiegen. Abiturientinnen sind offenbar zum Jahresanfang so intensiv mit den Vorbereitungen für das Abitur beschäftigt, daß sie solche Angebote nicht mehr wahrnehmen können.

Nur 43 Prozent der Schülerinnen waren damit einverstanden, daß die Aktion nur für sie und nicht für ihre männlichen Mitschüler veranstaltet wurde. 27 Prozent hätten den Jungs eine gleich gute Veranstaltung gegönnt, oder fanden es unnatürlich, nur unter Frauen zu sein. Die restlichen 30 Prozent standen der Frage eher unentschlossen gegenüber. Aufschlußreich war dabei der starke soziale Impetus, der die jungen Frauen veranlaßte, ihre Mitschüler zu bedauern, weil ihnen Ähnliches nicht geboten wurde. Ob sich junge Männer wohl in ähnlicher Weise äußern würden?

Langlebige Vorurteile
Wenig verständlich ist diese Einstellung, wenn man sich die Antworten der Schülerinnen auf die Frage ansieht, ob sie bereits Vorurteilen gegenüber Frauen und Naturwissenschaften oder Technik begegnet seien. Da wird deutlich, daß diese Vorurteile vor allem in der Schule von männlichen Mitschülern an erster und von männlichen Lehrern an zweiter Stelle geäußert werden. Größter Beliebtheit erfreut sich dort das Vorurteil, daß Frauen technisch unbegabt seien; es folgen: Frauen seien naturwissenschaftlich unbegabt, sie könnten nicht logisch denken und schließlich: Ein Beruf im technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich sei nicht mit einer Familie vereinbar und eigne sich daher nicht für Frauen.

Die Aussagen darüber, ob die Teilnahme am Projekt die Studienwahl beeinflußt habe, sind gespalten: 30 Prozent sehen unmittelbaren Einfluß, wobei davon wiederum die Hälfte bereits beabsichtigte, ein naturwissenschaftliches oder technisches Fach zu studieren und sich jetzt in dieser Absicht bestärkt fühlt; die andere Hälfte war sich in dieser Wahl noch nicht sicher, fühlt sich jetzt aber bestätigt; nur ganz wenige sagen, daß sie erst nach der Teilnahme am Projekt wissen, wo ihre Begabungen liegen. Für 26 Prozent der Teilnehmerinnen hat das Projekt keinen Einfluß auf ihre Fächerwahl gehabt. Gut 40 Prozent der Schülerinnen sind in dieser Frage noch unentschieden.

Wichtig war für die Veranstalterinnen, etwas über die Lebensplanung der jungen Frauen zu erfahren. Die überwiegende Mehrheit von über 60 Prozent will einen interessanten Beruf mit einer Familie verbinden. Die zweitgrößte Gruppe gibt an, vorrangig im Beruf Karriere machen zu wollen. Lediglich zwei Schülerinnen waren der Ansicht, ein interessanter Beruf sei mit Kindern nicht vereinbar, so daß die Frau gezwungen sei, nach der Geburt ihrer Kinder ihren Beruf aufzugeben.

Soweit ein vorläufiges Fazit. Die Erfahrungen sollten nicht nur innerhalb der Universität Stuttgart Auswirkungen haben, sondern sie werden durch die Frauenreferentin, die Mitglied in einem AK des Ministeriums zum Thema „Frauen in ingenieurwissenschaftliche Fächer" ist, auch auf Landesebene thematisiert.

B. Unteutsch

 


last change: 09.06.98 / eng
Pressestelle der Universität Stuttgart

Home           Inhalt