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Stuttgarter unikurier Nr.79/Juni 1998
Wenn Biologen und Ingenieure das gleiche Ziel verfolgen:
Gemeinsam die Zellfabrik managen
 

Aus inhaltlichen Berührungspunkten von Bio- und Ingenieurwissenschaften entwickelt sich seit Beginn der neunziger Jahre eine neue Forschungsdisziplin, die häufig mit dem Schlagwort "Metabolic engineering" umschrieben wird. In Stuttgart haben 25 junge Wissenschaftler in einem Kurs praktische Erfahrungen auf diesem neuen Gebiet erworben.

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"In Deutschland ringen wir noch um viele Begriffe", berichtet Professor Matthias Reuss vom Institut für Bioverfahrenstechnik über die neue Disziplin. In der Bundesrepublik wird das Gebiet "Metabolic engineering" nur an drei Forschungsstätten bearbeitet, und einen deutschen Namen dafür gibt es noch nicht. Die Spezialisten verschiedener Fachrichtungen arbeiten zusammen, um großtechnische Prozesse wirtschaftlicher zu gestalten.

In so mancher Fabrik, die beispielsweise Antibiotika oder Aminosäuren herstellt, läuft ohne Mikroorganismen gar nichts mehr. Die kleinen Zellen produzieren oft billiger, besser und schneller als jedes Verfahren, das sich Chemiker oder Ingenieure ausdenken könnten. Aber das heißt noch lange nicht, daß die Winzlinge optimal arbeiten. Bei vielen Prozessen sind mehr Gesamtausbeute oder eine höhere Leistung pro Zelle erwünscht.

Die Schlüssel zu den Verbesserungen halten Wissenschaftler verschiedener Disziplinen in der Hand: Wie man Detailinformationen über den Stoffwechsel der Zellen sammelt oder ihn verändert, lernen die Biologen in ihrer Ausbildung. Die Ingenieure hingegen bringen die Erfahrungen mit, wie man die vielen Einzelinformationen zu funktionellen Blöcken zusammenfassen und mit Computerprogrammen analysieren kann. Zusammen bilden die Forscher ein kompetentes Managerteam für die Minifabrik in der Zelle.

Sowohl Spezialwissen als auch Überblick seien erforderlich, um die biotechnischen Verfahren zu verbessern, sagt Reuss. Im komplexen Stoffwechsel-System gelte es, beispielsweise die Stellen ausfindig zu machen, wo der Nachschub in der Zelle nicht schnell genug bereitsteht. Dort lägen die Ansatzpunkte, an denen die Genetiker mit großer Aussicht auf Erfolg etwas verbessern könnten.

Ohne Kommunikation läuft aber keine gemeinsame Forschung. Das zeigte sich auch, als Biologen und Ingenieure in dem von der EU geförderten Projekt "From gene to product in yeasts: a quantitative approach" begannen, die Vorgänge in der "Zellfabrik" zu erforschen. Wegen der so unterschiedlichen Ausbildung gab es oftmals Verständigungsschwierigkeiten. In dieser Situation entstand die Idee, einen Kurs anzubieten. "Wir wollten eine Brücke bauen", erzählt Reuss.

Wie man das Wissen und die Methoden beider Fachgebiete verknüpft, haben Mitarbeiter des Instituts für Bioverfahrenstechnik zusammen mit Wissenschaftlern aus ganz Europa in einem einwöchigen Kurs gezeigt. Bei Vorlesungen und Übungen im Labor und am Computer haben Biologen und Ingenieure einen Einblick in das jeweils andere Spezialgebiet bekommen.

Nach den guten Erfahrungen mit dem ersten Kurs planen die Veranstalter, in Zukunft das Angebot zu wiederholen. Als Kursort kommen verschiedene Institute in Europa in Frage, und eine verstärkte Förderung durch die EU ist beantragt. "Wir denken auch darüber nach, einen internationalen Studiengang zum "Metabolic engineering" zu gründen", berichtet Reuss.

Der Kurs und das EU-Projekt sind aber nicht die einzigen Aktivitäten, mit denen die neue Forschungsrichtung in Stuttgart vertreten ist. Auch im "Zentralen Schwerpunktprojekt Bioverfahrenstechnik" verbessern Natur- und Ingenieurwissenschaftler gemeinsam biotechnische Prozesse. Die Biologen, Chemiker und Verfahrenstechniker aus 15 Instituten blicken auf eine mehr als zehnjährige Erfahrung in diesem Bereich zurück. Zwei Jahre lang läuft das Projekt noch. Für die Zeit danach werden verschiedene Ausrichtungen des Schwerpunkts diskutiert. Konkret plant Prof. Ernst Dieter Gilles vom Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik den Schwerpunkt Biosystemtechnik. Dieser wird weitere Beiträge für die Entwicklung des "Metabolic engineering" leisten.

Die Vorreiterrolle, die die Universitäten in dieser in Deutschland noch jungen Forschungsrichtung einnehmen könnten, begrüßt Reuss. Er sagt: "Wenn diese Disziplin in Stuttgart ausgeweitet werden kann, brauchen wir nicht mehr weltweit zu suchen, um Partnerinstitute für unsere Arbeiten zu finden".      /op

 


last change: 09.06.98 / eng
Pressestelle der Universität Stuttgart

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