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Stuttgarter unikurier Nr. 75/76 September 1997
Internationale Tagung:
Biomasse - ein Energieträger mit Zukunft
 

Um die durch Biomassenutzung möglichen Umweltvorteile zu optimieren, sollte die Forschung auf diesem Sektor intensiviert werden. Darüber bestand Konsens bei der mit 160 Teilnehmern aus Europa, den USA, Kanada und Indien sehr gut besuchten Tagung über „Vergasung und Pyrolyse von Biomasse - Stand der Technik und Zukunftsperspektiven“. Veranstalter war das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Energy Research Group der Aston University in Birmingham. Die Tagung, die Anfang des Sommersemeters im Stuttgarter Haus der Wirtschaft stattfand, war die erste ihrer Art in Deutschland und gleichzeitig das dritte EU-Canada Meeting im Bereich „Thermal Biomass Conversion“.

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Die Techniken der Vergasung und der Pyrolyse von Biomasse dienen der Umwandlung des meist festen Einsatzmaterials (Holz, Stroh, organische Abfälle, Energiepflanzen) in gasförmige und flüssige Sekundärenergieträger. Diese lassen sich zum Beispiel in Motoren oder in Gasturbinen im Vergleich zu anderen Nutzungsmöglichkeiten vielseitiger, effizienter und umweltfreundlicher einsetzen. Sie können damit im Ver-gleich zur direkten Verbrennung einen größeren Beitrag zu einer umwelt- und klimaverträglicheren Energieversorgung leisten. Vergasung und Pyrolyse sind von allen Möglichkeiten zur Energienachfragedeckung über den Zwischenschritt der Umwandlung von festen Bioenergieträgern in flüssige oder gasförmige Sekundärenergieträger die Optionen mit dem höchsten Potential und den besten Zukunftsperspektiven, wie Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt vom IER in seinem Eröffnungsvortrag ausführte. Defizite gibt es jedoch bei beiden Techniken.

Dies wurde bei dem Vortrag von Prof. Tom Beenackers von der University of Groningen (Niederlande) sehr deutlich, der einen Überblick über den weltweiten Stand der Vergasungstechnik gab; er berichtete aber auch, daß die Biomassevergasung in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte - insbesondere bei Anlagen im größeren Leistungsbereich - gemacht hat.

Auch die Pyrolyse von Biomasse ist noch weitgehend im Forschungsstadium, wie Prof. Tony Bridgwater von der Aston University in Großbritannien berichtete; im wesentlichen werden die Möglichkeiten, aus Holz ein beispielsweise in Motoren einsetzbares Öl zu produzieren, erst im Labormaßstab erprobt. Erste Ansätze einer möglichen großtechnischen Umsetzung sind bisher kaum erkennbar.

Berichte über eine Anlage in Värnamo in Schweden - dort wurde weltweit erstmals eine Gasturbine mehrere hundert Stunden mit Biomasse betrieben - und Projekte in Indien ergänzten dies; dort werden Open-Top-Vergaser im kleinen Leistungsbereich zur Stromerzeugung mit Motoren bereits erfolgreich bei der Elektrizitätsversorgung im ländlichen Bereich eingesetzt.

Bei der Pyrolyse wurde ebenfalls über aktuelle Projekte berichtet. Bei Versuchen englischer Fachleute, in Dieselmotoren Pyrolyseöl einzusetzen, zeigten sich - trotz einiger ermutigender Ergebnisse - noch erhebliche technischen Probleme. Ähnliches gilt auch für den Einsatz von Pyrolyseölen in den marktüblichen Heizölbrennern zur Wärmebereitstellung. Aber es gibt auch sehr vielversprechende Ansätze einer Nutzung von Pyrolyseprodukten außerhalb des Energiesektors: beispielsweise kann die verflüssigte Biomasse als Chemierohstoff genutzt werden (zum Beispiel als liquid smoke).

Die Tagung hat gezeigt, daß in den letzten Jahren sowohl bei der Vergasung als auch bei der Verflüssigung erhebliche Fortschritte gemacht wurden; eine ganze Reihe größerer und kleinerer nationaler und internationaler Projekte laufen. Mit weiteren Fortschritten kann gerechnet werden. Andererseits wurde deutlich, daß beide Techniken bisher weder technisch ausgereift oder gar großtechnisch verfügbar sind. Deshalb müssen - und das war Konsens unter den Teilnehmern - die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen national wie international verstärkt werden, damit die mit diesen Technologien erreichbaren Umweltvorteile für Deutschland und Europa besser genutzt werden können. Dann könnte die Biomasse einen deutlich weitergehenden Beitrag zur Lösung der Energie- und Umweltprobleme leisten.

 

KONTAKT
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Dr.-Ing. M. Kaltschmitt, Heßbrühlst. 49 a, 70565 Stuttgart; Tel. 0711/780-6116; Fax 780-6177

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart 1998