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Stuttgarter unikurier Nr. 75/76 September 1997
Podiumsdiskussion des Studium Generale:
Studieren unter sich wandelnden Randbedingungen
 

Das Studium an deutschen Universitäten muß und wird sich in den nächsten Jahren wandeln. Darüber waren sich Rektor, Professoren und Studierende einig, die über das Thema „Studium 2000“ am 26. Juni diskutiert haben. Bei dieser Veranstaltung im Rahmen des Studium Generale wurden zahlreiche Einzelaspekte des zu erwartenden Wandels angesprochen. Die eineinhalb Stunden Diskussionszeit waren daher viel zu kurz bemessen, um ein konkretes Bild vom zukünftigen Studium zu entwerfen.

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„Der Wandel wird von der traditionellen Form des Studiums mit viel Frontalunterricht wegführen“, vermutete Prof. Wolfgang Rucker vom Institut für Theorie der Elektrotechnik. Moderne Medien spielten eine immer größere Rolle, so Rucker, und über das Internet seien viele Informationen auch außerhalb von Lehrveranstaltungen zugänglich. Allerdings müßten auch die Studierenden diesen Wandel mitmachen und die neuen Möglichkeiten in ihr Studium mit einbeziehen.

Prof. Hans Paus vom Physikalischen Institut äußerte sich beunruhigt über die heutigen Studierenden, die weniger interessiert und diskussionsbereit seien als ihre Vorgänger. „Die Studierenden konsumieren heute eine Vorlesung wie einen Krimi. Am Ende eines Experimentes muß der Student nicht mehr verstehen, sondern klatschen, und zappt dann zur nächsten Veranstaltung“, beschrieb Paus seine „erschreckenden Erfahrungen“.

„Wenn ich nach sechs Semestern mein Vordiplom machen will, habe ich schon jetzt keine Zeit, um nach einer Vorlesung zu diskutieren“, sagte Ulrike Schwidtal, Studentin des Bauingenieurwesens. Damit das von Gesellschaft und Arbeitsmarkt angestrebte Ziel möglichst kurzer Studienzeiten erreicht wird, rechnet sie mit einer fortschreitenden Verschulung des Studiums und mit mehr Leistungsnachweisen. Sie vermutet auch, daß zukünftig durch strengere Zulassungsbedingungen eine Wahl des Studienfaches nach der Neigung kaum noch möglich sein wird und die Studieninhalte insgesamt stärker am Arbeitsmarkt orientiert sein werden. Für den Fall, daß die Mittel für die Ausbildungsförderung gekürzt und Studiengebühren erhoben werden, befürchtet sie außerdem, daß die Zahl der Studierenden aus ärmeren Familien zurückgeht.

Studiengebühren hält Rektor Prof. Günter Pritschow für sinnvoll, sofern keine Nachteile für Studierende entstünden. Jemand, der nach dem Studium mehr als der Durchschnitt verdiene, könne aber einen Teil der Kosten zurückzahlen, die der Gesell-schaft durch seine Ausbildung entstanden seien. Als Ziele für den zukünftigen Wandel nannte der Rektor den vermehrten Einsatz der neuen Medien und mehr Austausch mit ausländischen Universitäten. „Es gibt viele Möglichkeiten, das Studium 2000 in positivem Licht erscheinen zu lassen“, faßte Pritschow seinen Standpunkt zusammen.

Für eine Internationalisierung des Studiums nach dem Vorbild zum Beispiel holländischer oder dänischer Universitäten sprach sich auch Prof. Rainer Schönhaar vom Institut für Literaturwissenschaft aus. Um mehr Platz für eine bessere Fremdsprachenausbildung an der Universität zu schaffen, sollten die Studiengänge entrümpelt werden. Daneben schlug Schönhaar vor, das Angebot an der Universität so zu gestalten, daß es den Anforderungen von Vollzeitstudenten genauso Rechnung trage wie denen der Teilzeitstudenten. „Wer außerhalb der Uni in einen Arbeitsrhythmus eingebunden ist, kann sich nicht einfach für eine Stunde daraus entfernen“, sagte Schönhaar. Daher sei es sinnvoll, wenn beispielsweise eine Bibliothek 24 Stunden am Tag zugänglich wäre.

Neben den finanziellen und organisatorischen Problemen ist die Demoralisierung der Studierenden für Susanne König ein wichtiges Thema. Die Studentin der Philosophie und Kunstgeschichte wünscht sich angesichts voller Hörsäle mehr motivierende Worte von den Professoren. Statt zu fragen „Du tust zu wenig. Was willst Du hier überhaupt?“ solle auch mal jemand sagen „Es ist richtig, was Du machst“ , meinte König. Für Studierende, die schon nach der Zwischenprüfung den Schritt in die Arbeitswelt vollziehen könnten, wünscht sie sich einen berufsqualifizierenden Abschluß ohne den bisherigen „Makel des abgebrochenen Studiums“. Wie die Prüfungstermine möglichst vorteilhaft gelegt werden könnten, um die Semesterferien für eine Tätigkeit im zukünftigen Berufsfeld zu nutzen, wie ein neuer berufsqualifizierender Abschluß nach der Zwischenprüfung aussehen könnte und wie man den Kontakt zu den Schülern, den zukünftigen Studierenden aufnehmen könnte, wurde nur kurz angesprochen. So war am Ende der Veranstaltung das erreicht, was Moderator Dr. Martin Bauer vom Institut für Philosophie, Pädagogik und Psychologie als Ziel beschrieben hatte: das Thema „Studium 2000“ von möglichst verschiedenen Seiten zu betrachten.     /op

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart 1998