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Stuttgarter unikurier Nr. 75/76 September 1997
1.213.857.792 Teilchen:
Molekulardynamik-Weltrekord
 

Atome in fester Materie, die gedrückt, verbogen oder gebrochen wird? Zum Studium dieser Frage bauen sich die Physiker im Computer ein Stück eines Festkörpers aus einzelnen Atomen auf, schalten Modell-Kräfte dazwischen ein, zerren daran und berechnen durch Lösen der Newtonschen Gleichungen den Weg eines jeden einzelnen Partikels. - Bei solchen Berechnungen ist Dr. Jörg Stadler vom Institut für Theoretische und Angewandte Physik (Prof. Dr. Hans-Rainer Trebin) ein Weltrekord gelungen. Mit dem von ihm entwickelten Molekulardynamik-Programm konnten am Supercomputer CRAY T3E erstmals mehr als 1,2 Milliarden Teilchen gerechnet werden, die einen Aluminiumeinkristall simulieren.

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Mit bisherigen Rechnerleistungen konnten Proben aus 1.000 bis 1 Million Teilchen betrachtet werden, die in Würfel mit Kantenlängen von 10 bis 100 Teilchenabständen oder etwa 3 bis 30 Nanometern passen. Systeme dieser Größe sind eigentlich noch keine richtigen Festkörper, allenfalls atomare Cluster. Will man plastische Verformung oder Rißausbreitung studieren, wobei die atomaren Vorgänge an der Rißspitze den Bruchverlauf bis tief in den Kristall beeinflussen, sind größere Teilchenzahlen erforderlich.
Mit dem am Institut für Theoretische und Angewandte Physik von Dr. Jörg Stadler entwickelten Molekulardynamik-Programm IMD konnten an der CRAY T3E des Bundeshöchstleistungsrechenzentrums Stuttgart in einem Demonstrationslauf erstmals 1.213.857.792 Teilchen gerechnet werden, die einen Aluminiumeinkristall simulieren. Das System formt einen Würfel von 1.000 Atomabständen, das heißt von 0.0003 mm Kantenlänge und kommt damit in seinen Ausmaßen nahe an die Leiterbahnbreite der Chips, aus denen der Rechner besteht.

Möglich wurde dieser Weltrekord durch den großen Arbeitsspeicher der Supercomputers (64 Gb) und das schnelle Kommunikationsnetz (300 Mb/s). Bei so hohen Teilchenzahlen sind allerdings nur wenige Atomschwingungen zu verfolgen. Man kann aber bei Verkleinerung der Proben die reale Laufzeit des physikalischen Vorganges bis in den Mikrosekundenbereich steigern.

Die anfallenden Datenmengen, nämlich die Atomkoordinaten für alle Zeiten, kann man wegen ihrer Fülle (50.000 Seiten) nicht mehr ausdrukken, nur mehr direkt auf einem Video abbilden. Auf den Video-Clips wird dann die ganze Bewegungsvielfalt auf atomarer Skala sichtbar, von den Schallschwingungen bis zu atomaren Hüpfprozessen, von der Versetzungsbewegung bis zum zick-zack-förmigen Rißfortschritt.

Beim Supercomputer-Wettbewerb „Mannheim SuParCup ‘97“ (siehe http://parallel.rz.uni-mannheim.de/sc/) erreichte das Programm den Bronze-Preis, der mit DM 1.000 ausgestattet ist. Er wurde kürzlich anläßlich der Tagung „Supercomputer ‘97“ in Mannheim überreicht. Der erste Preis ging an einen amerikanischen Wissenschaftler deutscher Herkunft, der zweite an ein deutsch-japanisches Autorenteam.

 

KONTAKT
Institut für Theoretische und Angewandte Physik der Universität Stuttgart, Prof. Dr. Hans-Rainer Trebin, Dr. Jörg Stadler, Pfaffenwaldring 57, 70569 Stuttgart,
Tel. 0711/6 85-52 55; Fa: 07 11/6 85-52 71

e-mail: trebin@itap.physik.uni-stuttgart.de
WWW: http://www.itap.physik.uni-stuttgart.de/h.rt/br

 


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