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Stuttgarter unikurier Nr. 75/76 September 1997
Überseegeschichte in Stuttgart und Melbourne:
Ferdinand von Müller - ein Kosmopolit der Wissenschaft
 

Vor etwa einem Jahrzehnt wurde in der Abteilung Überseegeschichte des Historischen Instituts das Forschungsprojekt „Ferdinand von Müller“ verankert. Es war sozusagen der deutsche Arm eines internationalen Teams mit dem Zentrum in Melbourne, das sich zur Aufgabe machte, die in aller Welt verstreuten Briefe des deutsch-australischen Naturwissenschaftlers und Geographen Ferdinand von Müller zu sammeln, zu transkribieren und zu edieren. Müller hat, seinen eigenen Angaben zufolge, etwa 100 000 Briefe geschrieben. Vom Forschungsteam wurden bis heute etwa 12 000 Briefe gesammelt, davon etwa 1 000 im Historischen Institut.

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Müller, geboren 1825 in der Hansestadt Rostock, absolvierte eine Apothekerlehre in Husum, studierte und promovierte in Kiel, bevor er als 22jähriger nach Australien auswanderte. Dort wurde er 1853 in Melbourne zum ersten „Government Botanist“ ernannt, ein Amt, das er bis zu seinem Tode im Jahre 1896 ausübte.

 

Australische Pflanzenwelt erforscht
Müller entfaltete in seiner fast fünfzigjährigen Amtszeit eine außergewöhnlich rege und umfassende Forschertätigkeit, vor allem auf botanischem und geographischem Gebiet. Es war die Zeit, da in großen Expeditionen die noch unbekannten Gebiete des Innern Australiens erforscht wurden. Er selbst unternahm viele Forschungsreisen oder förderte sie, wobei ihm die Suche nach dem 1848 beim Versuch einer Ost-West-Durchquerung des Kontinents verschollenen Brandenburger Ludwig Leichhardt ein Hauptanliegen war. Die zahlreichen geographischen Namen deutschen Ursprungs im Innern des Erdteils gehen auf Müller zurück. Sein größtes Verdienst war die Erforschung der australischen Pflanzenwelt; keiner hat die Menge des von ihm Entdeckten übertroffen. Seine Publikationstätigkeit stand dem nicht nach.

 

Schenkungen für´s Naturalienkabinett
Müller erfreute sich einer geachteten Stellung im internationalen Wissenschaftsbetrieb. Das Naturalienkabinett in Stuttgart - das heutige Naturkundemuseum - bedachte er mit zahlreichen Sendungen der damals in Europa sehr begehrten australischen Fauna. Aus diesem Grunde wurde er, der inzwischen britischer Staatsbürger geworden war, vom württembergischen König 1868 mit dem persönlichen Adel und 1871 mit dem erblichen Freiherrntitel ausgezeichnet. Der „Baron“, wie er in Australien genannt wurde, „revanchierte“ sich mit der Einrichtung einer Stiftung, aus deren Zinserlösen Forschungsreisen junger württembergischer Naturwissenschaftler gefördert wurden. Der letzte, der von diesem - inzwischen aufgelösten - Fonds für seine Forschungen profitierte, war Karl-Dietrich Adam, der heute das Fach Ur- und Frühgeschichte am Historischen Institut vertritt.

Der 100. Todestag des großen Deutsch-Australiers war Anlaß für eine ganze Reihe von Veranstaltungen im Herbst 1996 in Australien. Symposien in Melbourne boten Fachleuten verschiedenster Wissenschaftsgebiete Einblick in Müllers vielfältige Tätigkeit. Der Verfasser konnte gerade rechtzeitig mit der Herausgabe des Briefwechsels zwischen Müller und dem Geographen August Petermann unter dem Titel „Die Erforschung Australiens“ im Perthes Verlag, Gotha, aufwarten.

 

Deutsch-australische Sondermarke
Als öffentliche Ehrung war die vom Verfasser angeregte Sondermarke der Deutschen Bundespost gedacht. Die Australia Post, die Ehrungen von Personen durch Briefmarken ablehnt, konnte bei einem Besuch von Bundespostminister Wolfgang Bötsch überzeugt werden, sich dem deutschen Vorhaben anzuschließen. Das Resultat war eine, von einem australischen Künstlerteam entworfene, in Deutschland und Australien gleiche Sondermarke.

In einer vom australischen Botschafter, Max Hughes, in Bonn organisierten Feierstunde überreichte Anfang 1997 die Deutsche Post AG dem Verfasser einen Scheck in Höhe von 5.000 DM, während die Australia Post das Zentrum in Melbourne mit 5.000 australischen Dollars bedachte. Diese Mittel sollen für die Veröffentlichung des ersten Bandes der „Selected Letters“ von Müller verwendet werden.

Das Müller-Projekt wird - angesichts der weit verstreuten und noch nicht erschlossenen Quellen - noch einige Jahre fortgesetzt werden. Die Verankerung im Historischen Institut hilft über die größten finanziellen Engpässe hinweg. Und Australien hat, wie man begeisterten Berichten der Besucher im Zentrum in Melbourne - darunter der frühere Bundesumweltminister Töpfer und DFG-Präsident Frühwald - entnehmen kann, deutschen Fachleuten manches Neue zu bieten! Ferdinand von Müllers kosmopolitisches Wissenschaftsverständnis könnte durchaus auch heute als Vorbild dienen.

Johannes H. Voigt

 

KONTAKT
Prof. Dr. Johannes Voigt, Deutsch-Australisches Editionsprojekt in der Abteilung Überseegeschichte des Historischen Instituts, Keplerstr. 17, 70174 Stuttgart; Tel. 0711/121-2465, -3451


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Pressestelle der Universität Stuttgart 1998