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Symposium und Ausstellungen zum 100. Geburtstag von Max Bense   >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Ideologiefreier Vordenker

symposion-max bense farbkonkretion  

Mit einem Symposium und einem vielfältigen Rahmenprogramm gedachte die Uni ihrem einstigen Vordenker Max Bense. Die Bilder zeigen den Philosophen in einer Vorlesung 1976 sowie eine Farb- und Formkonkretion zu der von Bense in die Semiotik eingeführten „gossen Matrix“ des Künstlers Karl Herrmann.                                                 
(Fotos: Jonnie Doebele, Brummer)

 

„Er konnte ohne Notizblock und Bleistift nicht leben, in nahezu jeder Lebenslage arbeitete er“, erinnert sich Elisabeth Walther-Bense an ihren Weggefährten Max Bense. Am 7. Februar wäre der Stuttgarter Philosoph und Wissenschaftstheoretiker 100 Jahre alt geworden. Max Bense lehrte und forschte von 1949 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1978 als Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der ehemaligen Technischen Hochschule Stuttgart und wirkte bis zu seinem Tode 1990 in Stuttgart. Er hat ein umfassendes Werk und viele Spuren in der intellektuellen Landschaft der Bundesrepublik hinterlassen. Aus Anlass seines Geburtstags veranstaltete das Internationale Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT) der Universität Stuttgart gemeinsam mit der Stadt Stuttgart das Symposium „Weltprogrammierung. Max Bense zum 100. Geburtstag“. Die Veranstaltung war integriert in ein vielfältiges, dem Wirken Benses gewidmetes Rahmenprogramm mit Ausstellungen, Vorträgen, Inszenierungen und Radiosendungen.

max bense-1983 „Mit der Tagung Weltprogrammierung ergreifen wir die Gelegenheit, die schwierigen, oft undurchschauten Interaktionen von Kultur und Technik aus der Perspektive einer der bedeutendsten technikphilosophischen Positionen der deutschen Nachkriegsmoderne zu untersuchen“, betonte Prof. Gerd de Bruyn, der Leiter des IZKT, und gab damit die Richtschnur der zweitätigen Veranstaltung vor. Anders als Heideggers Technikphilosophie, aber auch anders als die Kritik der instrumentellen Vernunft der Frankfurter Schule hat Bense auf Technik und Rationalität gesetzt. Im Versuch, die moderne Technikentwicklung ideologiefrei zu bewerten, kommt ihm eine Vorreiterrolle zu. Früh lenkte er seine Aufmerksamkeit auf die Materialität der Sprache und die technischen Aspekte des geistigen, ästhetischen Produzierens. Max Bense war einer der ersten Philosophen, die sich mit Nachrichtentechnik und Kybernetik beschäftigten. Weitsichtig erkannte er die Bedeutung des Computers, den er als die „entscheidende Erfindung der Menschheit“ bezeichnete. Genau hier setzte auch das Symposium „Weltprogrammierung“ an, das ein Bild vom facettenreichen Denken Benses lieferte und durch die Fokussierung auf das Computerzeitalter höchst aktuell war. Vorträge internationaler Wissenschaftler befassten sich mit Benses Konzept eines existenzialistischen Rationalismus, seiner Ästhetik und Semiotik bis hin zu jenen Überlegungen, die man heute in den Medienwissenschaften diskutiert. In zum Teil heftigen Auseinandersetzungen, sonst eher unüblich für wissenschaftliche Veranstaltungen, wurde Benses Programm einer technologischen Aufklärung befragt.

Arbeit in jeder Lebenslage….Max Bense 1983 in seinem Büro.
(Foto: Privat

Bazon Brock rühmte in seinem Eröffnungsvortrag Benses „weiße Mystik“, die Erkenntnis, dass Technologie zur würdigen Erbin der Theologie werde. „Technologie ist zu einem Medium geworden, das die Hoffnung theologischer Inhalte erhält. Durch die Repeat-Taste ist die Auferstehung gewährleistet, da die ständige Präsenz jederzeit wiederholt werden kann, selbst wenn das auf dem Bildschirm Abgebildete nicht mehr existiert.“ Einige jüngere Wissenschaftler setzten sich kritisch mit Benses „spiritueller Reinheit der Technik“ (Bense) auseinander und suchten die Grenzen seines technologischen Optimismus auszuloten. Bei aller Vehemenz der Diskussion waren sich die Referenten in einem einig: Benses Werk muss unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts neu entdeckt werden.  
Eingeschoben in das Symposium fand im Stuttgarter Rathaus ein Festakt statt, an dem Kulturbürgermeisterin Dr. Susanne Eisenmann und Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel teilnahmen. Während die Kulturbürgermeisterin an die umtriebige Persönlichkeit erinnerte und an die denkwürdigen Eklats, die Benses religionskritischen Äußerungen einst in der Öffentlichkeit hervorriefen, würdigte Rektor Ressel die Verdienste des Hochschullehrers. Bense war es, der sich gemeinsam mit Fritz Martin für das Promotionsrecht in Philosophie einsetzte und somit die Voraussetzung schuf, dass aus der Technischen Hochschule Stuttgart eine Universität wurde. Darüber hinaus begründetet er das Studium Generale, den Arbeitskreis „Geistiges Frankreich“ und mit der „Studiengalerie“ die erste Galerie an einer deutschen Universität überhaupt. Durch sein Wirken wurde Stuttgart zu einem international bedeutenden Zentrum computergenerierter Literatur und Grafik, der visuellen und konkreten Poesie.

Peter Weibel

Der Festvortrag, den Prof. Peter Weibel vom Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) hielt, stellte Benses Überlegungen zu den „Modi der technischen Existenz“ in den aktuellen philosophischen Zusammenhang einer „Anthropotechnik“. Ein weiterer Höhepunkt der Feierlichkeiten war am folgenden Abend die Geburtstagsfeier in der Stadtbücherei Stuttgart. Unter dem Motto „…an Wörter und nicht an Dinge denken“ erinnerten sich dort Freunde und Weggefährten an Max Bense, zudem standen Performance, ein Max-Bense-Kino und ein Auftritt der Stuttgarter Voice-Company „Exvoco“ auf dem Programm. Eröffnet wurde in diesem Rahmen auch die Fotoausstellung von Jonnie Doebele mit dem Titel „6.12.76, 18.15 – 19.20h“. In diesem knapp bemessenen Zeitfenster konnte der einstige Student von Max Bense den fotoscheuen Philosophen in einer seiner legendären Vorlesungen mit der Kamera begleiten.

Eine Max Bense-Hommage der ganz anderen Art sind die typographischen Kompositionen des Künstlers Karl Herrmann, die der KunstKreis Rektoramt im Verwaltungsgebäude Keplerstraße 7 ausstellt. Gezeigt werden Arbeiten, die mit den Lettern einer neuen, algorithmisch entwickelten Schriftfamilie gesetzt sind.

Festredner Peter Weibel, Vorstand des ZKM Karlsruhe. (Foto: Heinzelmann)

In einem zweiten Teil der Ausstellung sind Diagramme zur triadischen Semiotik von Charles Sanders Peirce zu sehen. Peirce in Deutschland bekannt gemacht und seine Semiotik entfaltet zu haben, gehört zu den großen Verdiensten von Elisabeth Walther und Max Bense. Die Ausstellung ist noch bis zum 17. September zu sehen. Im Zusammenhang mit dem Stuttgarter Symposium „Weltprogrammierung“ stand auch die Ausstellung „Bense und die Künste“ am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie. Diese Ausstellung gewährte Einblick in die internationale Wirkung des Philosophen auf bildende Kunst und Literatur.         Nikolaos Karatsioras/Elke Uhl/amg

Prof. Gerd de Bruyn mit B. Brock Tagung Weltprogramierung tagung  
Prof. Gerd de Bruyn (rechts) im Geschpräch mit Bazon Brock Akademie für gesprochenes Wort  
   
tagung Elisabeth Walther-Bense Michaela Ott  
Fotos: Heinzelmann Weggefährtin Elisabeth Walther-Bense Referentin Michaela Ott