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Neue Reaktorkonzepte zielen auf mehr Effizienz und Sicherheit   >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Generationswechsel in der Kernenergie

Im Energiemix der Zukunft wird die Rolle der Kernkraft weltweit sehr unterschiedlich bewertet. Während in Deutschland über verlängerte Restlaufzeiten diskutiert wird, schaffen zum Beispiel die USA mit Milliardenkrediten für zwei neue Kernreaktoren derzeit Tatsachen. Ein Grund für die Erforschung neuer Reaktorkonzepte, die mehr Effizienz und Sicherheit bei weniger Atommüll versprechen. Auch Wissenschaftler der Uni Stuttgart sind dabei.

Der weltweite Energieverbrauch wird in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich zunehmen. Für die Deckung dieses Bedarfs kommt der Kernenergie nach Auffassung des Autors trotz des Ausbaus erneuerbarer Energien auch weiterhin eine wichtige Bedeutung zu. Denn sie kann große Mengen an elektrischer Energie und Wärme bereitstellen, ohne nennenswerte Mengen des Klimagases CO2-freizusetzen. Dabei steigen die Anforderungen an die Sicherheit, Zuverlässigkeit und Effizienz kerntechnischer Anlagen laufend, und auch die Vermeidung von radioaktiven Abfällen ist ein viel diskutiertes, bis heute nur teilweise gelöstes Problem. Forscher auf der ganzen Welt arbeiten an einer neuen Generation von Kernkraftwerken, die diesen Gesichtspunkten Rechnung trägt.
Derzeit sind weltweit 435 große Kernkraftwerke mit einer elektrischen Leistung von jeweils durchschnittlich 1.000 Megawatt in Betrieb. Diese so genannten Reaktoren der zweiten Generation werden mittelfristig ihre vorgesehenen Laufzeiten von 40 bis 60 Jahren erreichen. Demzufolge werden sie heute bereits durch Kernkraftwerke der dritten Generation ersetzt, zum Beispiel durch den Europäischen Druckwasserreaktor (European Pressurized Water Reactor, kurz EPR), der durch seine Konstruktion und Sicherheitstechnik den gestiegenen Anforderungen bereits näher kommt.
Grundlegend neue Möglichkeiten eröffnen aber erst die Kernreaktoren der vierten Generation, die insbesondere bezüglich der Sicherheit, Effizienz und Abfallvermeidung noch einen Schritt weiter gehen. Wissenschaftler des Instituts für Kernenergetik und Energiesysteme der Uni (IKE) sind eingebunden in internationale Arbeitsgruppen wie die EU-Projekte zum Plutonium-Management, zur Hochtemperatur-Technologie sowie zu Hochleistungs-Leichtwasser-Reaktoren. Ihr Ziel ist es, die Nutzung der Energie aus Kernspaltung langfristig und nachhaltig sicherzustellen.

Innenaufbau Druckwasserreaktor Die Idee eines inhärent sicheren Kernreaktors wurde bereits in den 1980er Jahren in Deutschland entwickelt. Sie ist heute wieder aktuell und wird von einem Reaktorkonzept der vierten Generation aufgegriffen, dem Hochtemperaturreaktor (High Temperature Reactor, kurz HTR). Dabei werden kleinere Einheiten heliumgekühlter Reaktoren entweder modular zu größeren Kraftwerkseinheiten für die Stromerzeugung zusammengeschaltet oder einzeln direkt als Hochtemperatur-Wärmequelle (bis 900 Grad Celsius) für verfahrenstechnische Prozesse genutzt, zum Beispiel für die Hochtemperatur-Elektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff. Der Reaktorkern des HTR ist durch die Wahl geeigneter Materialien wie Graphit und Keramik in seinen thermophysikalischen Eigenschaften so ausgelegt, dass eine Kernschmelze ausgeschlossen ist. Mitarbeiter des IKE haben in diesem Zusammenhang umfangreiche theoretische Untersuchungen durchgeführt, welche laufend durch Vergleiche mit Ergebnissen anderer Forschergruppen und Messungen an verschiedenen weltweit existierenden Prototypen und Demonstrationsanlagen verifiziert werden, zum Beispiel in Japan, China, Südafrika und den USA.
Innenaufbau des Europäischen Druckwasserreaktors EPR, einem Reaktorkonzept der dritten Generation. (Grafik: Institut)

Ein anderes Reaktorkonzept der vierten Generation befasst sich unter anderem damit, den Kraftwerkswirkungsgrad um etwa zehn Prozentpunkte zu erhöhen und dadurch den Brennstoffverbrauch sowie die Menge der radioaktiven Abfälle zu reduzieren. Diese Reaktoren sollen beispielsweise die Vorteile der hohen Wärmekapazität des überkritischen Dampfes bei einem hohen Druck von 250 bar nutzen. Im Rahmen einer europäischen Kooperation mit dem Kernkraftwerkshersteller AREVA und dem Karlsruhe Institute of Technology leisteten mehrere Stuttgarter Doktorarbeiten wesentliche Beiträge zur Auslegung des Prototyps eines solchen Hochleistungs-Leichtwasser-Reaktors (High Perfomance Light Water Reactor, kurz HPLWR).
Der Generationswechsel bei den Anlagen ist auch mit einem Generationswechsel der beteiligten Wissenschaftler verbunden. So werden am IKE junge Doktoranden in aktuelle Forschungsprojekte mit eingebunden. Die Erforschung nukleartechnischer Zukunftskonzepte trägt somit auch dazu bei, die junge Generation an die Kernenergietechnik heranzuführen. Dahinter steht das Anliegen, die technische Kompetenz auf diesem Gebiet in Deutschland zu erhalten und dem steigenden Bedarf an jungen, hoch qualifizierten Ingenieurinnen und Ingenieuren bei Herstellern, Betreibern und Gutachtern Rechnung zu tragen. Eckart

 

 

KONTAKT
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Prof. Eckart Laurien
Institut für Kernenergetik und Energiesysteme
Tel. 0711/685-62138
e-mail: eckart.laurien@ike.uni-stuttgart.de