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Forschung hinter den Kulissen: Historische Gebäude – drahtlos überwacht   >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Kabel und Klopfen sind passé

Was haben die Museumsinsel in Berlin, die Portale des Münsters in Schwäbisch-Gmünd, der Palazzo Malvezzi in Italien, die Altstadt von Hebron und die Schlosskapelle Schönbrunn bei Wien gemeinsam? Sie alle sind historisch, und sie alle fungieren als Test-Gebäude für eine neue Generation von Sensoren für die Gebäudeüberwachung. Im Rahmen der Reihe „Forschung hinter den Kulissen“ stellte Prof. Christian Große von der Materialprüfungsanstalt (MPA) der Uni die intelligenten, drahtlosen Systeme im Juni der Presse vor. Das Interesse der Medienvertreter war sehr groß.

„Smart Monitoring of Historic Structures (smoohs)“ heißt das von der Europäischen Union mit 1,4 Millionen Euro geförderte Projekt. Für dessen Vorstellung brachte Prof. Christian Große, Leiter der Abteilung Zerstörungsfreie Prüfung und Überwachungstechnik der MPA, den Prototypen eines Messgeräts mit. Das kleine und robuste Kästchen
lässt sich einfach an Gebäuden anbringen und muss nicht verkabelt werden, da es seine Daten per Funk übermittelt.

Prof. Christian Große  

In Echtzeit können die leistungsfähigen Miniatursensoren viele Parameter gleichzeitig erfassen, wie etwa Temperatur, Feuchtigkeit, die Materialdehnung, Vibrationen oder die Bestrahlungsstärke. Sogar Schallemissionen, die das Wachsen von Rissen ankündigen, entgehen den Sensoren nicht. „Die Zeiten, in denen Zerfallsprozesse an Gebäuden nur nach Augenschein erfasst werden konnten oder Ingenieure Mauern abklopften, sind damit vorbei“, freut sich Große. Auch die unschöne Verkabelung konventioneller Überwachungsgeräte, oft genug ein herber Eingriff in die sensible Ästhetik der Bauwerke, gehört der Vergangenheit an.
Damit die vielen kontinuierlich gemessenen Parameter nun aber nicht zu undurchschaubaren und schwer zu bearbeitenden Zahlenkolonnen führen, statten die Stuttgarter Wissenschaftler die Sensorknoten mit einer Intelligenz aus, die es ihnen erlaubt, die erfassten Daten eigenständig zu bewerten und zu filtern. Nur die relevanten Daten werden anschließend weitergeleitet, etwa zum Computer im Büro des Restaurators oder per SMS aufs Handy – gegebenenfalls verbunden mit einer Warnung oder einem Vorschlag zum weiteren Vorgehen. Christian Große erläutert: „Die Werte für Temperatur und Dehnung müssen immer gemeinsam betrachtet werden. Erst wenn eine Schallemission, die man sich als Mikroerdbeben im Gestein vorstellen kann, normale Werte überschreitet und die Werte für Temperatur und Dehnung ebenfalls aus dem Rahmen fallen, können Schädigungsprozesse stattfinden, die weitere Untersuchungen erfordern.“

Prof. Christian Große mit dem drahtlosen Prüfgerät für die Überwachung historischer Gebäude.  (Foto: Eppler)

 

Muenster-Scwaebisch-Gmuend Das Heilig-Kreuz-Münster in Schwäbisch-Gmünd, eines der Test Gebäude.               
(Foto: Autenrieth/Thurek)

Energie aus der Umgebung

Unter Federführung der Universität Stuttgart sind an dem Vorhaben insgesamt 14 Forschungsinstitutionen aus Deutschland, Italien, Österreich, Polen, Kroatien und den Palästinensischen Autonomiegebieten beteiligt. Die ersten Sensorknoten werden an den Portalen des Münsters in Schwäbisch Gmünd angebracht. Für sie wird es dann zunächst heißen, den Normalzustand zu erfassen und das Gebäude in einer Art Selbstlernprozess „kennen zu lernen“. Und damit den unermüdlichen Messgeräten nie die Energie ausgeht, befassen sich die Forscher schließlich auch mit dem optimalen „energy harvesting“, der Gewinnung von Strom aus Quellen in der unmittelbaren Umgebung.

In zwei Jahren, so hofft Dr. Markus Krüger von der MPA, werden die intelligenten Sensorknoten, an deren Entwicklung er maßgeblich beteiligt ist, reif für den Einsatz sein. Die Miniatursensorik ist zudem relativ preiswert: Pro Sensor kalkuliert Krüger mit Kosten zwischen 100 und 200 Euro.
Quasi als „Science Fiction“-Vision möchten die Forscher die Überwachungstechnik in ferner Zukunft auch in der Gegenrichtung nutzen: So könnte man mit den Sensorknoten, die in Echtzeit Daten erfassen und auswerten, umgekehrt auch in Echtzeit auf Bauten einwirken. Denkbar ist zum Beispiel, auf diese Weise die Steifigkeit von Brücken zeitweise zu erhöhen.                                               Julia Alber

 

KONTAKT
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Prof. Christian Große
Materialprüfungsanstalt Universität Stuttgart
Tel. 0711/685-66786
e-mail: christian.grosse@mpa.uni-stuttgart.de
>>> http://www.smoohs.eu