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Vortragsabend zum UNESCO-Welttag der Philosophie >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Orientierung im Möglichkeitsraum

Philosophie ist nach wie vor gefragt: Durch Globalisierung und Fortschritt entstehen neue Denkräume, in denen vor allem sie als Stütze der gesellschaftlichen Orientierung dienen kann. So das Fazit eines Vortragsabends, den das Institut der Philosophie der Uni anlässlich des 4. UNESCO-Welttags für Philosophie am 28. November veranstaltete. Bekannte Philosophen nahmen Stellung zum Thema „Die Aktualität der Philosophie in der globalisierten Welt“.

Welttag der Philosophie

Zum UNESCO-Welttag der Philosophie gab es an der Uni Stuttgart einen Vortragsabend zur Aktualität des Faches.  
(Poster: UNESCO/Sandro Chia)

 

Kaum eine akademische Disziplin beschäftigt sich so sehr mit der Klärung ihres eigenen Selbstverständnisses und ihres Gegenstandsbereichs wie die Philosophie. Was ist Philosophie, wo fängt sie an und wo hört sie auf, und schließlich: Wozu gibt es sie überhaupt? Dieser Frage ging Prof. Christoph Hubig, Direktor des Instituts für Philosophie der Uni Stuttgart, in seinem Vortrag auf den Grund. Fakt ist, dass der Arbeitsmarkt für angehende Philosophen, die in komplexem und analytischem Denken geschult sind, vor allem im Interdisziplinären mehr denn je boomt. Die Frage jedoch, was eigentlich Philosophie ist, sei viel schwieriger zu beantworten. Das Historische Wörterbuch der Philosophie benötigt hierfür 150 Spalten, um die historische Entwicklung des Begriffs zu skizzieren. Martin Heidegger definierte die Philosophie als das „Nachdenken über das Nachdenken“. Diese Liebe zum Wissen beziehungsweise zur Weisheit liegt schon in den Anfängen der Philosophie. Und da liegt auch bereits ihr erster Bezug zur heutigen globalisierten Welt.

Die Geburt der abendländischen Philosophie ereignete sich zeitgleich in Unteritalien und Kleinasien. Diese Regionen waren gerade durch das Nebeneinander verschiedener Völker geprägt. Das Bedürfnis nach Identitätsbildung und Orientierung war die Folge. Das Aufeinandertreffen der Vielfalt der Mythen erzwang die Frage nach den Grundlagen des Seins schlechthin. Der Terminus Philosophie wird dabei das erste Mal eingeführt. Heraklit gebraucht ihn im Sinne von „sich wundern“. Später verstand der Aufklärungsphilosoph Christian Wolff unter Philosophie die Wissenschaft des Möglichen. Fortan galt es, die Räume der möglichen Weltbezüge zu modellieren, in denen man sich orientieren kann. Kurz: Philosophie ist die Voraussetzung einer Orientierung in solchen Möglichkeitsräumen.

Politische Themen als philosophisches Problem
Die Öffnung solcher Möglichkeitsräume ist ein typisches Phänomen unserer Zeit. Das zeigte Prof. Armin Grunwald vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe, ein Experte für die philosophische Politikberatung. „Der wissenschaftliche und technische Fortschritt erweitert die Handlungsmöglichkeiten des Menschen“, so Grunwald. Dadurch erhöhe sich zwar die Kontingenz, also das, was möglich ist, aber  zugleich auch die Verantwortung. Die Orientierung ist dabei zu einem schwierigen Problem geworden, das sich aber gut mit Philosophie bewältigen lässt. Probleme wie zum Beispiel die Stammzellenforschung, die Endlagerung radioaktiver Abfälle oder die nachhaltige Energieversorgung sind so auch zu philosophischen Problemen geworden. Das Spektrum der Philosophie in der Politikberatung ist entsprechend breit angelegt. Analyse und Kritik zeichnen das philosophische Denken, das sich in Sprachkritik, also der Reflektion der in den Wissenschafts- und Technikdebatten verwendeten Sprache (Sprachphilosophie), Wissenskritik,  der epistemologischen Bearbeitung (Wissenschaftstheorie)  und in der Aufklärung von Technisierungseffekten (Technikphilosophie) anbringen lässt. Hinzu kommen die Analyse von moralischen Unsicherheiten und Moralkonflikten (Ethik) und eine auf das eigene Tun gerichtete Verfahrenskritik, also die Analyse der Beratungsformen vor dem Hintergrund demokratietheoretischer Normen (politische Philosophie).
Gregor Betz, Juniorprofessor des Instituts für Philosophie in Stuttgart, illustrierte die Aktualität der Philosophie anhand von drei Beispielen. So stellte er ein Argument des Philosophen Peter Singer vor, das auf die Frage antwortet, wozu jeder einzelne Bürger einer wohlhabenden Gesellschaft angesichts krasser globaler Einkommensunterschiede moralisch verpflichtet ist. Im zweiten Beispiel analysierte Betz das scheinbar unverfängliche Prinzip, das häufig beim Umgang mit Unsicherheiten, etwa in der Klimapolitik, verwendet wird: Behandele Fälle, über die wir nichts wissen, als gleichwahrscheinlich! Tatsächlich führe dieses sogenannte Indifferenzprinzip aber zu Paradoxien. Schließlich zeigte Betz, dass auch die Auffassung, man könne strikt zwischen rein normativen und rein deskriptiven Behauptungen unterscheiden, widersprüchlich ist. Dies sei unter anderem ein für die Forderung nach Wertfreiheit der Wissenschaften einschlägiges Resultat.                                       Nikolaos Karatsioras

 

 

KONTAKT
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Dr. Sandro Gaycken
Institut für Philosophie
Tel. 0711/685-82456
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