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Johannes Kepler, Galileo Galilei und die Supernova >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Was geschah eigentlich im Jahre 1609?

Im Jahr der Astronomie liest man allerorten die berühmten Namen Johannes Kepler und Galileo Galilei. Während jedoch die Keplerschen Gesetze bis heute Gegenstand des Schulunterrichts und dadurch sehr bekannt sind, reduziert sich das Wissen im Falle von Galilei darauf, dass er durch ein Fernrohr in den nächtlichen Himmel geschaut habe oder es heißt irrtümlich, er habe unter Beweis gestellt, dass die Erde keine Scheibe sei. Zu Unrecht, meint Prof. Reinhard Krüger vom Institut für Literaturwissenschaft der Uni.

Kepler und Galileo waren beide bedeutende Forscher, die es gewagt hatten, die Thesen des Kopernikus ihren eigenen Arbeiten zugrunde zu legen und das heliozentrische Weltsystem mit der Sonne als Mittelpunkt damit zu verfeinern. Dabei hatte es zunächst kaum den Anschein, als könne man damit in Konflikt mit den Instanzen der Philosophie und der Theologie geraten. Zwar hatte Kopernikus Bedenken, seine These vom heliozentrischen Weltbild könne die Kritik der Kirche auf sich ziehen, weshalb seine Hauptschrift unter dem Titel „De revolutionibus orbium coelestium“ erst nach seinem Tode im Jahre 1543 veröffentlicht wurde. Tatsächlich reagierte der Klerus jedoch zuerst mit Stillhalten. Damit verhielt sich die Kirche ganz im Sinne ihrer eigenen Tradition, hatte sie doch von jeher - und insbesondere, wenn sie an der Macht war - versucht, ihren Frieden mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu schließen.

Einen Konflikt gab es lediglich zwischen dem antiken und mittelalterlichen Weltbild auf der einen und dem Alten Testament auf der anderen Seite: Im Buch Josua nämlich wird berichtet, dass Gott den Lauf der Sonne aufgehalten habe, als es in der Schlacht der Israeliten gegen die Kanaaniter erforderlich war, den Tag noch um einige Zeit zu verlängern. So war es nach alttestamentarischer Auffassung schlechterdings undenkbar, dass die Sonne im Zentrum des Universums steht - denn sonst hätte Gott ihren Lauf ja nicht aufhalten können.  

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Heutige Reststrahlung der von Kepler und Galilei beobachteten Supernova des Jahres 1604.                                            
(Foto: Chandra Harvard)

 

Dieser Position folgt auch Dante um 1300 in seinen kosmologischen Überlegungen und weist die altgriechische Theorie vom Zentralfeuer zurück. Ähnlich denkt Nicole Oresme (1330-1382), der als Bibliothekar des französischen Königs Charles V und späterer Bischof unter anderem eine Abhandlung von der Weltkugel mit dem Namen „Traité de l’espère“ verfasste. In dieser Schrift stellt Oresme fest, dass die Bibel ein anderes Weltbild voraussetzt als das weltliche Denken. Dies bedeute weiter, dass man mit zwei Wahrheiten leben müsse, nämlich der biblischen und der naturphilosophischen. Beide Wissenskulturen sind demnach als voneinander getrennt zu betrachten. Da so der Konflikt zwischen theologischer Tradition und kosmologischem Denken nicht auf die Spitze getrieben wird, war diese Bemerkung auch nicht Gegenstand kirchlicher Verfolgungen.

 

Ähnlich strategisch verfährt Kopernikus: Während er die Zentralstellung der Sonne behauptet, äußert er sich keinesfalls über mögliche Konflikte mit biblischen Berichten. Stattdessen kritisiert er im Vorfeld jene, die seine Positionen mit theologischen Argumenten bekriegen würden, sie sollten als Theologen doch besser bei dem von ihnen beherrschten Sachgebiet bleiben. So plädiert auch Kopernikus für eine Trennung der beiden Wissenskulturen und akzeptiert keinen Transfer des theologischen Wissens in das naturphilosophische. Auf dieser Basis konnte nun weiter geforscht werden, ohne dass die Kirche eingegriffen hätte. Denn mit der Sprachregelung von der Trennung des theologischen und des naturphilosophischen Diskurses konnte sie gut leben.


Zum Konflikt kam es erst, als Galilei die Lösung des Paradoxons zwischen Kopernikus auf der einen und dem Alten Testament auf der anderen Seite in Vorlesungen und Publikationen massiv vorantrieb. Dieser Bruch mit dem Prinzip der zwei Wahrheiten trieb ihn in die Fänge der Inquisition. Es ist also die radikale Forderung nach allumfassender Durchsetzung des naturwissenschaftlichen Denkens, die zur Eskalation des Konfliktes durch den Vatikan führte und es ist Galileis Verdienst, diesen Prozess mit großem Risiko angestoßen zu haben.

Neues Paradigma des astronomischen Denkens

Im Jahr 1604 dann tauchte im Sternbild des Schlangenträgers eine Supernova auf, deren verglühende Reste man noch heute am Himmel beobachten kann. Seither waren Johannes Kepler und Galileo Galilei gleichermaßen daran interessiert, die Konsequenzen aus einem solchen Phänomen zu ziehen. Wenn nämlich ein so gewaltiger neuer Stern auftauchen konnte, dann hieß dies nichts anderes, als dass das Universum selbst eher ein dynamisches denn ein statisches System ist.

 

 

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Kosmische Vorstellungen in Dantes Divina Commedia. (Bild entnommen aus Sandro Botticelli: Zeichnung zu Dante Alighieri, Paradiso)

 

Die Entdeckung des Prinzips der Dynamik und der Wandelbarkeit lieferte das neue Paradigma des astronomischen Denkens, das sich gleichermaßen im weiteren Werk von Kepler und Galilei manifestierte. Kepler gelingt es, auf der Grundlage seiner Beobachtungen der Planetenbahnen die Bewegungsgesetze der Himmelsmechanik zu formulieren. Galilei hingegen behauptete trotz der inquisitorischen Verfolgung bis zuletzt das Prinzip der Dynamik. Sein sprichwörtlich gewordenes, wenn auch als Zitat Galileis nicht bewiesenes „und  sie bewegt sich doch“ belegt dies bis heute.

 

Beide Forscher haben im Jahre 1609 bahnbrechende Entscheidungen getroffen: Kepler hat seine Astonomia nova vorgelegt, während Galilei wohl als einer der ersten von Neugierde getrieben das in Holland von Jan Lippershey erfundene Fernrohr in den Nachthimmel richtete. Kepler war es möglich, mit seinen Berechnungen präzise mathematische Modelle für die Bewegung der Planeten vorzulegen, während Galilei mit dem Fernrohr bis dahin noch nie zielgerichtet wahrgenommene Details der Himmelskörper zum Gegenstand seiner Untersuchungen und zum Ausgangspunkt seiner Hypothesen nahm. Wenn beider Leistungen in diesem Jahr gedacht wird, so muss der Supernova des Jahres 1604 gleich mitgedacht werden. Es ist aber auch zu bedenken, dass der eine ohne wesentliche Anfeindungen sein Leben als kaiserlicher Hofmathematiker und unterstützt von bedeutenden Mäzenen beenden konnte, während der andere sein Leben zwischen der Gunst einflussreicher Männer und der Inquisition verbrachte. Dennoch sei nicht unerwähnt, dass Kepler wegen seiner Auffassungen, die weit über etablierte Lehrmeinungen hinausgingen, Professuren an den Universitäten Tübingen und Rostock versagt wurden. In beiden Fällen stellte sich theologische Verbohrtheit und akademische Betriebsblindheit als Hindernis für innovatives Denken heraus, ohne das auch aus heutiger Perspektive in der Zukunft keine bahnbrechende wissenschaftliche Leistung erbracht werden kann.                                                                Reinhard Krüger
 

KONTAKT
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Prof. Reinhard Krüger
Institut für Literaturwissenschaft
Abteilung Romanische Literaturen I
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