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Oberflächen sollen sich selbst reparieren >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Metalle mit „guter Heilhaut“

Nanokapseln, die in die Oberfläche von Metallbauteilen eingebettet sind, entleeren an einer „verletzten“ Stelle des Materials Wirkstoffe, die vor Rost und Abrieb schützen oder Risse füllen können – welch spannende Vorstellung und welche Herausforderung für die Forschung. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Stuttgart und Essen sowie in Paderborn, Potsdam und Braunschweig entwickeln derzeit solche Metalloberflächen, die sich selbst reparieren. Mit beteiligt ist Dr. Claudia dos Santos vom Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Uni.

Die faszinierende Selbstheilungskraft der menschlichen Haut steckt kleine Verletzungen problemlos weg – der Volksmund spricht auch von einer „guten Heilhaut“. Wenn jedoch Metall etwa am Auto beschädigt wird, ist fremde Hilfe vonnöten. Doch jetzt entwickeln zwei interdisziplinär arbeitende Forschergruppen sich selbst reparierende Schutzschichten für Metalloberflächen – in System und Funktion ähnlich der menschlichen Haut. Unterstützt werden die beiden Verbundprojekte von der VolkswagenStiftung in der Förderinitiative „Innovative Methoden zur Herstellung funktionaler Oberflächen“ über einen Zeitraum von drei Jahren mit insgesamt gut einer Million Euro.

Oberflächen und Bauteile „heilen“ sich selbst
„Die Natur hat viele Mechanismen geschaffen, bei denen eine Selbstheilung stattfindet“, stellt Dr. Claudia dos Santos fest. Bei der Entwicklung neuer Verfahren für funktionale Metalloberflächen lassen sich dos Santos und ihr Team daher von der Natur inspirieren, aber auch von technischen Innovationen – etwa aus dem Flugzeugbau. Ihre Idee besteht darin, kleine Kapseln in Metalloberflächen einzubetten. „Wenn das Metall durch Reibung beschädigt wird, öffnen sich die Kapseln und geben eine ölhaltige Flüssigkeit mit einem Wirkstoff frei“, erklärt dos Santos das Prinzip. Die Forscherin erprobt derzeit vor allem zwei dieser Additive. Im einen Fall wird bei Reibung eine aktive Komponente freigegeben: Wie eine Creme salben diese Maschinenöle die „verletzte“ Stelle ein; sie schützen die Metalloberfläche vor Abrieb und halten bewegliche Maschinenteile am Laufen. Im anderen Fall besteht der Wirkstoff aus einem Korrosions-Inhibitor, der bei Beschädigung austritt und so Rost vermeiden hilft. 200 Nanometer messen die schützenden Kapseln im Durchschnitt. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist 350- bis 600-mal so dick.

nickelschicht nickelschicht mit kapsel

Nickelschicht ohne (links) und mit Kapseln unter dem Rasterelektronenmikroskop.
(Fotos: Institut)

 

Gemeinsam mit Professor Dr. Christian Mayer vom Fachbereich Chemie der Universität Duisburg-Essen arbeitet die Ingenieurin an einem Verbundprojekt, das den Titel „Functional
surfaces via inclusion of nanocapsules in metallic matrices“ trägt*). Während sie die Beschichtungen erprobt, entwickelt der Chemiker die Nanokapseln. Die Außenwand stellt er aus einem Kunststoff her. Um ihre äußere Hülle schmiegt sich ein sogenannter Surfactant, ein stabilisierender Schutzfilm, der das Zusammenklumpen der Kügelchen verhindert. In deren Inneren befindet sich eine Trägerflüssigkeit, beispielsweise ein Öl – und eben der Wirkstoff. „Man kann sie sich wie eine Weintraube vorstellen: Die Außenhülle ist fest, aber dennoch verformbar. Wenn man die Traube zerdrückt, hält man eine faltige Hülle in der Hand, aus der Traubensaft austritt“, vergleicht Mayer. „Die eigentliche Neuheit besteht in der Kombination von zwei Methoden: der Beschichtung mit gelösten Metallionen und Nanokapseln in einem“, erläutert die 37-jährige Expertin für Galvanik dos Santos. Für die erforderliche Beschichtung im galvanischen Bad werden die Bauteile in eine Lösung getaucht, die die Salze des abzuscheidenden Metalls enthält. Nach Anlegen von Gleichstrom beginnt der Beschichtungsprozess. In der Industrie verchromt man bei der Galvanisierung etwa Eisenteile und macht sie so widerstandsfähig gegen Korrosion; bei dem Projekt hingegen schwimmen neben den üblichen Metallionen darüber hinaus auch die Nanokapseln in der Flüssigkeit. „Sie haben eine hohe Affinität zur Metalloberfläche, an der sie fast automatisch haften“, erklärt Kapselspezialist Mayer.
Eine Herausforderung ist derzeit noch ihre Anpassung an unterschiedliche Umgebungsbedingungen: Beim Transport sind die Kapseln Frost oder Hitze ausgesetzt, müssen mechanischem Druck standhalten. Auch im galvanischen Bad herrschen raue Bedingungen mit extremen pH-Werten und osmotischen Druckgradienten, die sie leicht zerstören können. Doch „gerade weil viele Gegenstände galvanisiert werden, wollten wir diesen Arbeitsschritt integrieren, um unser Verfahren für die Industrie praktikabel zu gestalten“, betont Mayer. Für Unternehmen aus der Automobil- und Galvanisierungsbranche sei die Entwicklung besonders geeignet: „Bei unseren Industriepartnern sind gerade Schmierstoffe und Korrosions-Inhibitoren sehr erwünscht“, beschreibt dos Santos die Nachfrage. Die Kooperation mit Mayer und seinem Team an der Universität Duisburg-Essen kam erst durch die Förderung der VolkswagenStiftung zustande. Beide sind überzeugt: „Das Projekt hat einen Entwicklungsprozess in Gang gesetzt, der nach Ablauf des Vorhabens weitergeht.“                                  Dr. Heidrun Riehl-Halen

In Auszügen entnommen aus: „Impulse für die Wissenschaft 2009. Aus der Arbeit der VolkswagenStiftung “.

*) Unter dem Titel: „Formation of bi-functional coatings on metals based on self-locating nano- and micro-containers“ untersucht eine zweite Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Guido Grundmeier, Universität Paderborn, die Entwicklung eines neuartigen Korrosionsschutzes für metallische Bauteile.

KONTAKT
_________________________________

Dr. Claudia Beatriz dos Santos
Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb
Tel. 0711/970-1754
e-mail: Claudia.DosSantos@ipa.fraunhofer.de
>>>> http://www.ipa.fraunhofer.de