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Innovationen im Designprozess >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Form und Funktion auf einen Streich

Ingenieure und Designer arbeiteten in der Produktentwicklung über lange Strecken nebeneinander her. Doch das funktioniert nicht angesichts der vielfältigen Schnittstellen von Form und Funktion sowie immer kürzeren Produktentwicklungszeiten. Das Forschungs- und Lehrgebiet Technisches Design am Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design (IKTD) der Uni entwickelt einen innovativen Konstruktionsprozess, der die einst separaten Welten bereits in einer frühen Entwicklungsphase zusammenbringt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der sinnvolle Einsatz digitaler Medien.

digitale skizze   cad-modell Der Weg von der Planung über die Konzeption und den Entwurf bis zur fertigen Ausarbeitung eines Produktes vollzieht sich heute meist noch in einer Kombination von realen Zeichnungen und Modellen sowie digitalen Berechnungen und Simulationen. Dies liegt zum einen an der noch fehlenden Akzeptanz neuer digitaler Medien in diesem Bereich, aber auch daran, dass die verschiedenen Entwicklungsprogramme nicht zusammenpassen. Die Folge ist ein Hin und Her zwischen realer und digitaler Welt, bei der die Ergebnisse einer Entwurfsüberarbeitung immer wieder in die Computerberechnungen zurückgeführt werden müssen. Der Aufwand für dieses „iterative“, sich schrittweise annähernde Vorgehen ist jedoch hoch – zu hoch für ein wirtschaftliches Umfeld, in dem Produktentwicklungszeiten und Herstellkosten immer geringer sein sollen und die Anforderungen an ein Produkt gleichzeitig steigen.

Der digitale Designprozess – integriert in den interdisziplinären Entwicklungsprozess – zielt denn auch darauf, die Iterationsschleifen zwischen den Entwicklungsphasen zu verringern und Fehler zu minimieren. Wie dies in der Praxis funktioniert, zeigt das Beispiel eines Ruderpropellers, den das Institut in Zusammenarbeit mit der Heidenheimer Firma Voith entworfen hat. Dabei wurden zunächst auf einem Digitalboard erste Skizzen erstellt. „Man muss sich das wie einen flachgelegten Bildschirm vorstellen“, erklärt Frank Beier, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungs- und Lehrgebiets Technisches Design am IKTD. „Darauf zeichnet man wie gewohnt von Hand, nur dass der Bleistift aus Kunststoff ist.“ Hinter dem Board verbirgt sich ein Programm, das die Striche in digitale Zeichen umrechnet.

cnc-fraesvorgang

Fräsvorgang an der 5-Achs-CNC-Fräsmaschine.

  Doch das Umsetzen der zweidimensionalen Zeichnung in die dreidimensionale virtuelle Darstellung ist kein Automatismus. „Die Daten müssen von Anfang an so generiert werden, dass sie von dem Programm verarbeitet werden können“, sagt Beier.
Anschließend werden technisch-physikalische Anforderungen wie etwa das Strömungsverhalten in die Zeichnung integriert. Der überarbeitete Entwurf wird nun über einen Volumenkörper „gelegt“, der mit einem computerunterstützten Designprogramm (CAD-Programm) erstellt wurde. Mit Hilfe des CAD-Datensatzes lassen sich verschiedene Entwurfsvarianten durchspielen, von denen schließlich einige wenige zu einem „echten“ virtuellen Modell weiterentwickelt werden. Jetzt erst kommt der Sprung in die reale Welt: Der CAD-Datensatz wird in einen Maschinencode umgerechnet, mit dessen Hilfe schließlich ein physisches Modell des Ruderpropellers gefräst werden kann. „Der digitale Entwurf hat den Vorteil, dass in kurzer Zeit sehr viel mehr Varianten möglich sind“, erklärt Beier. „Zudem werden die Modelle präziser.“ Generell werden durch den Einsatz digitaler Medien bereits in einer frühen Entwurfsphase mehr Kommunikationsmöglichkeiten erreicht. Ein durchgängiger digitaler Designprozess ist wegen der oben beschriebenen Kompatibilitätsprobleme jedoch noch Zukunftsmusik.
reales modell

Reales Modell des Ruderpropellers.
(Fotos: Institut)

 

Adaptiver Konstruktionsprozess
Das Konzept des digitalen Designprozesses baut auf Forschungen auf, mit denen Dr. Annika Götz - übrigens als erste Frau – im Sommer 2008 am Forschungs- und Lehrgebiet Technisches Design des IKTD promoviert wurde. In ihrer Dissertation mit dem Titel „Ein adaptiver Konstruktionsprozess für Ingenieure und Designer“ erarbeitete die 31-Jährige einen Konstruktionsprozess, der auf einer allgemeinen und übergreifenden Produktstruktur basiert,
die sowohl merkmals-, funktions- und baugruppenorientiert ist. Betrachtet man zum Beispiel ein Motorrad, so fokussiert die funktionsorientierte Produktstruktur drei Teilfunktionen: Die Funktionsgestalt wird vom Motor und Antrieb repräsentiert, die Interfacegestalt besteht aus dem Lenker mit allen Stellteilen und der Rohrrahmen bildet die Tragwerksgestalt. Hierzu entwickelte Götz das so genannte „Zylindermodell“. Diese direkte Verbindung zwischen Produktelementen und Prozessschritten hilft dem Konstrukteur, das Ziel jedes Prozessschrittes klar zu erkennen und unterstützt ihn so bei seiner Arbeit. Für jeden Prozessschritt definierte Götz Teilschritte und ordnete diese zu einer sinnvollen Reihenfolge, die fix oder flexibel ablaufen kann. Die flexiblen Abfolgen wurden adaptiv, das heißt angepasst an die jeweilige Produktart gekoppelt. Dadurch entstanden vier grundsätzliche Konstruktionsprozesse, die je nach Produktart verwendet werden können.

 

Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Ingenieuren und Designern erfolgte ebenfalls über einen neuartigen Ansatz. Die Erkenntnis, dass Ingenieure bei der Entwicklung der Funktion von Designern und Designer bei der Entwicklung des Interfaces von Ingenieuren unterstützt werden sollten, wird zunehmend auch in der Ausbildung berücksichtigt.
Der neue adaptive Konstruktionsprozess hat sich während der Erprobung in mehreren Produktentwicklungen und Aufgabenstellungen bewährt. So wurden neben Investitions- und Konsumgütern auch zwei Entwicklungen eines Corporate Designs erfolgreich durchgeführt. Erfahrene Ingenieure aus drei verschiedenen Unternehmen evaluierten den am IKTD entwickelten adaptiven Konstruktionsprozess. Sie beurteilten ihn als einfach und praxisrelevant und sahen darin deutliche Potentiale zur Steigerung der Effizienz.                  amg

 

 

KONTAKT
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Prof. Thomas Maier
Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design
Forschungs- und Lehrgebiet Technisches Design
Tel. 0711/685-66055
e-mail: thomas.maier@iktd.uni-stuttgart.de

 

2. Symposium „Human Machine Interaction Design“ >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Damit der Mensch die Maschine steuert…

Die optimale Bedienung einer Maschine oder eines Produktes beginnt heute schon in den frühen Phasen der Produktentwicklung und basiert auf fundierten Analysen der Gebrauchstauglichkeit (Usability). Diese Erkenntnis stand im Mittelpunkt des zweiten Symposiums „Human Machine Interaction Design“ im März. Die Veranstaltung war eine Kooperation zwischen dem MTM-Institut in Zeuthen, dem Designcenter Stuttgart und dem Forschungs- und Lehrgebiet Technisches Design des Instituts für Konstruktionstechnik und Technisches Design (IKTD) der Uni.
Die Bedienung moderner Produkte wird durch die Funktionsvielfalt immer komplexer und stellt den Benutzer vor neue Herausforderungen. Davon betroffen sind alle, von jung bis alt, von der Hausfrau bis zum Ingenieur, vom Laien bis zum Profi. Zentrale Bedeutung für alle Bedienaufgaben hat die Schnittstelle zwischen der Maschine beziehungsweise dem Produkt und dem Menschen, das so genannte Mensch-Maschine-Interface. Gute Bedienung verkörpert demzufolge eine optimale Mensch-Maschine-Schnittstelle. Nicht die Maschine soll den Menschen steuern, sondern umgekehrt – ein scheinbar selbstverständlicher, aber durchaus ernst zu nehmender Grundsatz.
Das Symposium verknüpfte die Theorie mit der Praxis und zeigte auf, wie Produkte und Maschinen nutzerzentriert realisiert werden können. Beteiligt waren rund 80 Experten, die sich mit der Konzeption, Entwicklung und Bedienung eines Interfaces auseinandersetzen. Ziel war es, das Augenmerk bei einer Produktentwicklung auf die optimale Interfacegestaltung zu lenken und so die Relevanz dieses Themas zu verstärken.                                                                                                                                            uk