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Maschinen lernen Sprachen nicht leicht

 

„Wenn Computer rechnen können, warum sollen sie dann nicht auch sprechen können?“ Diese Frage beschrieb vor 20 Jahren das hochgesteckte Ziel einer Kooperation der Universitäten Stuttgart und Tübingen, die die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Maschinellen Sprachverarbeitung und der natürlich-sprachlichen Systeme intensivieren sollte. Doch was der Mensch ständig unbewusst tut, nämlich bei Worten mit mehreren Bedeutungen wie zum Beispiel Bank oder Schloss die Bedeutungen aus dem Kontext zu erschließen, hat sich für Computer als schwerwiegendes Problem herausgestellt. Inzwischen haben die Forscher hierbei wichtige Etappen zurückgelegt. Aufgabe des aktuellen, vor einem Jahr von der Deutschen Forschungsgemeinschaft an der Uni Stuttgart eingerichteten Sonderforschungsbereichs (SFB) 732 „Inkrementelle Spezifikation im Kontext“ ist es, die Mechanismen zu erkennen, die es ermöglichen, Doppeldeutigkeiten in der Sprache die richtige Bedeutung zu zuweisen.

An der Kooperation waren 1987 federführend das Institut für Maschinelle Sprachverarbeitung (IMS) mit seinem Leiter Prof. Christian Rohrer und das Seminar für natürlich-sprachliche Systeme der Universität Tübingen unter der Leitung von Prof. Franz Guenthner beteiligt. Daneben gab es eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Fachbereiche Informatik, Mathematik, Germanistik, Anglistik, Elektrotechnik und Fertigungstechnik. Ein wichtiger Meilenstein war 1989 die Einrichtung des inzwischen abgeschlossenen SFB 340 „Sprachtheoretische Grundlagen für die Computerlinguistik“. Der SFB beschäftigte sich mit den sprachtheoretischen Grundlagen für solche Anwendungen, die die Simulation eines sehr „tiefen“ Sprachverständnisses voraussetzen, wie zum Beispiel die maschinelle Übersetzung oder die automatische Textzusammenfassung. Vor allem die Beteiligung eines Instituts von IBM Deutschland neben den Unis Stuttgart und Tübingen war von besonderer Bedeutung, weil zum ersten Mal in Deutschland eine privatwirtschaftliche Gesellschaft an einem SFB beteiligt war.

Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer
 

Das Gemälde von Bruegel

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

An den Turmbau von Babel knüpft sich die biblische Erzählung von der babylonischen Sprachverwirrung. Das Gemälde von Bruegel wurde entnommen aus „Bruegel Das volltändige Werk“

Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Was geschieht beim Sprechen im Gehirn?

Weitere Projekte folgten. 1993 startete „Verbmobil“ an der Uni Stuttgart, mit dem Fernziel eines „tragbaren Übersetzungscomputers“ für kurze Gespräche wie Terminabsprachen. Verbmobil war ein Vorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und wurde 2000 erfolgreich abgeschlossen. Bei dem seit 1997 laufenden DFG-Schwerpunktprogramm „Sprachproduktion – Informationsvermittelung durch natürliche Sprache“ untersuchen Forscher des IMS sowie der Neurologischen und Neuroradiologischen Klinik der Universität Tübingen in mehreren Projekten die Grundlagen der Sprachverarbeitung im menschlichen Gehirn. Die Wissenschaftler wollen die Funktionsweise des menschlichen Gehirns bei der Entstehung von Sätzen, der Auswahl von Wörtern und der Artikulation von Äußerungen aufzeigen. Langjährige Kooperationen mit dem Dudenverlag und dem Langenscheidt Verlag pflegt der Arbeitsbereich Lexika/Textcorpora des IMS. Hier wurden umfangreiche eigene elektronische Lexika aufgebaut und Software entwickelt, mit der aus großen Mengen von Texten Beispiele extrahiert und linguistisch klassifiziert werden können. Solches Material dient unmittelbar einer inhaltlichen Verbesserung bestehender Wörterbücher.

   Die Erfassung der Stimmgebung mit modernen signaltechnischen Methoden stand im Mittelpunkt eines vom Land Baden-Württemberg geförderten Projekts „Robuste Verfahren zur Schätzung der Stimmqualität mit Mikrofongruppen“ der Universität Stuttgart. Prof. Bin Yang vom Lehrstuhl für Systemtheorie und Signalverarbeitung und Dr. Wolfgang Wokurek vom IMS erfassten messtechnisch verschiedene Stimmqualitäten wie zum Beispiel die raue Stimme eines Trainers, der Kommandos an seine Spieler gibt, und klassifizierten diese.

   Wie Kinder lernen, die Betonungsmuster ihrer Muttersprache zu verstehen und selbst anzuwenden, das untersuchen Forscher des IMS seit 2005. Besonders interessiert sie, wie Kinder in den Altersstufen von sechs Monaten bis sechs Jahren lernen, Wort- und Silbenbetonungen in der Lautsprache wahrzunehmen und zu produzieren.

   Für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses richtete die Uni Stuttgart im Jahr 2000 ein neues Graduiertenkolleg ein mit Forschungsbereichen von Phonetik, Phonologie, Syntax und Semantik bis zu Schnittstellenmodulen, die die verschiedenen Ebenen aufeinander beziehen. Das Kolleg konnte auf den Ergebnissen des Stuttgarter Kollegs „Linguistische Grundlagen für die Sprachverarbeitung“ aufbauen, das nach neunjähriger Förderung Ende 1999 ausgelaufen war.

Neuer Sonderforschungsbereich seit 2006

Auf der Agenda des neuen SFB 732 stehen Grundfragen der Sprachwissenschaft, wie zum Beispiel die Auflösung von Mehrdeutigkeiten. Beim SFB 732 arbeiten Linguisten, Computerlinguisten, Informatiker und Wissenschaftler weiterer Fachbereiche interdisziplinär zusammen, der Schwerpunkt liegt auf der theoretischen Linguistik. Sprecherin des SFB ist Prof. Artemis Alexiadou vom Institut für Linguistik/Anglistik. Auch mit der Frage, wie man einen gegebenen Inhalt sprachlich ausdrückt, beschäftigt sich der SFB. Ein bestimmter Inhalt kann sprachlich auf sehr vielfältige Arten ausgedrückt werden. Wie man automatisch die Passendste für einen gegebenen Kontext wählt, ist Thema eines der Teilprojekte des SFB.

Birgit Vennemann

 

 

 

KONTAKT

 
                                                                

Prof. Artemis Alexiadou
Institut für Linguistik/Anglistik
Tel. 0711/685-83121
e-mail: artemis@ifla.uni-stuttgart.de    
> > > www.uni-stuttgart.de/linguistik/sfb732/

   
 
 
last change:20.12.2007/ yj
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