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Algen und Pilze

 

Algen und Pilze ziehen als „Mitarbeiter“ am Institut für Ni.htmletallische Anorganische Materialien im Büsnauer Wald ein. Mit Unterstützung der Wissenschaftler vor Ort sollen sie einmal Werkstoffe produzieren.

Als der Keramikverbund Karlsruhe-Stuttgart, unterstützt vom Land Baden-Württemberg, 1990 ins Leben gerufen wurde, waren Algen kein Thema. Die Arbeitsgemeinschaft, die es so bislang in Deutschland nicht gab, hatte zum Ziel, der Hochleistungskeramik aus den „Kinderschuhen“ zu verhelfen – einer Werkstoffklasse härter als Stahl, unempfindlich gegenüber extremen Temperaturen und leichter als vergleichbare Metallbauteile. Mit dem Verbund einher gingen an der Uni Stuttgart drei neue Institute, darunter das für Ni.htmletallische Anorganische Materialien.

Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer
 

Wasserabweisende Oberfläche eines bioinspirierten Materials

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Lotus-Effekt: Wasserabweisende Oberfläche eines bioinspirierten Materials.
                                 (Foto: INAM/MPI für Metallforschung)

   Hochleistungskeramiken, die sich im Maschinenbau gleichermaßen etabliert haben wie etwa in der Medizin- und Elektrotechnik, werden in der Regel durch das Zusammenbacken kristalliner Pulver bei einem speziellen Brennverfahren hergestellt. Aufgrund ihrer Eigenschaften bestechen sie, ob als Rollen- und Kugellager, als Prothesenmaterial, als Träger für integrierte Schaltkreise oder als Isolator. Eine große Bedeutung kommt ihnen als Aktoren für die Benzineinspritzung zu. In Lamda-Sonden tragen sie als Festelektrolyt zur Optimierung der Verbrennungsprozesse bei und in Brennstoffzellen zur Energiegewinnung. Hochleistungskreamiken kleiden Brennkammern aus, sie fungieren als Speicherelemente in Computern, finden sich in Abgaskatalysatoren, werden als „Messer“ bei der Metallbearbeitung eingesetzt und als Ventile in Verbrennungsmotoren. Mit der Optimierung Letzterer beschäftigten sich die Wissenschaftler am Institut für Ni.htmletallische Anorganische Materialien seit Anfang der 1990er Jahre. Zwischenzeitlich haben sich Siliziumnitridkeramiken für Motorventile im Rennsport durchgesetzt und wurden auch in Automarken der oberen Preisklassen angeboten, tragen sie doch dazu bei, Treibstoffverbrauch, Schadstoffproduktion und Geräuschentwicklung zu reduzieren. Eingang in die weitere Serienproduktion haben sie aufgrund ihres etwas höheren Preises bisher jedoch noch nicht gefunden.

Die Metallkunde wird zur Werkstoffwissenschaft

25 Uni-Institute aus acht Fakultäten sowie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen schlossen sich 1994 zur „Arbeitsgemeinschaft Materialwissenschaft und Werkstofftechnologie“ zusammen, um die Existenz und Leistungsfähigkeit dieser Forschungsgebiete an der Uni Stuttgart vor allem auch gegenüber der Industrie zu verdeutlichen. Ein Jahr später wurde aus dem Studiengang Metallkunde die „Werkstoffwissenschaft“, mit einem breit angelegten, modernen Konzept.

   Auf dem Weg hin zu maßgeschneiderten keramischen Materialien mit definierten Gefügen starteten die Wissenschaftler am Institut für Ni.htmletallische Anorganische Materialien Werkstoffe von Anfang an mit dem Materialaufbau von der Molekülebene her. Polymere, die sie beim „molekularen Puzzlen“ aus Silizium, Bor, Kohlenstoff und Stickstoff synthetisierten und mittels Thermolyse in keramische Materialien überführten, zeichnen sich durch eine hervorragende thermische, chemische und mechanische Stabilität aus. Da Techniken aus der Kunststoffherstellung hier übertragbar sind, können beispielsweise auch keramische Fasern für den Einsatz in Faserverbundwerkstoffen gezogen werden.

Von der Natur inspiriert

Keramiken bei Raumtemperatur, ohne Druck und unter normaler Atmosphäre herstellen? Für die neueste Idee haben sich die Stuttgarter Wissenschaftler von der belebten Natur, etwa von Muscheln, inspirieren lassen und nennen – was da derzeit noch im Becherglas abläuft – folgerichtig „bio-inspirierte Materialsynthese“. Ausgangspunkt ist ein Träger-Plättchen, beispielsweise ein Siliziumkristall, auf dem sich in einer Lösung Polymermoleküle selbstorganisiert zu einer Monoschicht anordnen. Wird diese organische Schablone in eine wässrige Lösung etwa mit einem Titansalz gegeben, so lagern sich Nanopartikel aus Titandioxid an und es wächst eine keramische Schicht. Wird der Vorgang wiederholt, entstehen Sandwichstrukturen. „Bei nur 60 Grad Celsius haben wir schon den Kunststoff PET mit Titandioxid beschichtet“, verrät Dr. Joachim Bill, derzeit kommissarischer Institutsleiter. Kratzfester Kunststoff, geschützt vor der energiereichen UV-Strahlung des Sonnenlichts, ist das beeindruckende Ergebnis.

   Auch mit anderen Metalloxiden haben die Wissenschaftler schon experimentiert. Materialien auf der Basis von Zinkoxid bieten sich beispielsweise als Leuchtstoffe für Displays an oder als Elektrodenmaterial für Solarzellen. Und die Forscher haben gestaunt: als sie einer Zinksalzlösung verschiedene Aminosäuren zugaben, lagerten sich auf den Trägerplättchen zinkoxid-basierte Materialien in unzähligen Formen ab – glatte Monoschichten bis hin zu sechseckigen Plättchen sowie Mikroschwämmchen, die sich so wasserabweisend präsentieren wie die Blätter der Lotus-Pflanze. „Inzwischen gelingt auch die Herstellung von Nanodrähten aus Zinkoxid“, erklärt Prof. Fritz Aldinger, der bis Oktober 2007 in Personalunion das Uni-Institut für Ni.htmletallische Anorganische Materialen leitete und Direktor am Max-Planck-Institut für Metallforschung war. Das Gerüst dieser rund 50 Nanometer dünnen aber langen Nanodrähte bilden fadenförmige DNS-Moleküle. „Aufregende Kandidaten für die Nanoelektronik“, betont Aldinger, da Zinkoxid ein Halbleiter ist und Nanodrähte für neue Technologien in diesem Bereich sehr gefragt sind.

   Wie werden sie ihre neuen Mitarbeiter, die Algen und Pilze, dazu bringen, miniaturisierte Keramikbauteile herzustellen, ob eine „Ernährungsumstellung“ zum Ziel führen kann oder die Hilfe von Bakterien angesagt ist? Die Materialwissenschaftler haben auf jeden Fall noch viel „Überzeugungsarbeit“ zu leisten – die sich aber angesichts faszinierender Aussichten allemal lohnt.

Julia Alber

 

 

 

KONTAKT

 
                                                                

Institut für Ni.htmletallische Anorganische Materialien
Dr. Joachim Bill
Tel. 0711/689-3201
Fax 0711/689-3255
Heisenbergstraße 3
e-mail: bill@mf.mpg.de
> > > aldix.mpi-stuttgart.mpg.de/

   
 
 
last change:20.12.2007/ yj
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