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Stuttgarter Kulturgeschichte im Blick > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Bernhard von Gugler –
Mathematiker und Musikwissenschaftler

Gelegentlich schlummern in Archiven noch verborgene Juwelen. Im Nachlass des Mathematikers, Musikwissenschaftlers und früheren Rektors der Polytechnischen Hochschule Bernhard von Gugler (1812 – 1880) fanden sich im Universitätsarchiv bemerkenswerte Quellen zur Stuttgarter Stadt- und Kulturgeschichte.

Das „von“ war Bernhard Gugler durch König Wilhelm I. 1862 für seine Verdienste als Rektor der Polytechnischen Schule Stuttgart verliehen worden. Geboren wurde er bürgerlich 1812 in Nürnberg als Sohn eines Pfandleihers. Seine Aussichten auf eine akademische Ausbildung waren standesgemäß schlecht. Bei der Ausbildung zum Schulmeister offenbarte er jedoch eine so ungewöhnliche Begabung, dass er das Nürnberger Polytechnikum und ab 1829 das Gymnasium besuchen durfte. Von 1832 bis 1835 führte ihn das Studium der Mathematik und anderer Naturwissenschaften an die Universitäten Erlangen, Wien und München. Die Fernpromotion in Tübingen rundete 1837 seinen Bildungsweg ab. Nun lehrte Gugler selbst am Nürnberger Polytechnikum und schrieb dort mehrere Fachbücher zur Darstellenden Geometrie. Insbesondere das 1841 veröffentlichte „Lehrbuch der Descriptiven Geometrie“ wurde unter Fachleuten schnell zu einem Standardwerk, das erstmals das Fachwissen seiner Zeit in einem einzigen Band vereinte.

 
 

Bernhard von Gugler

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Der Mathematiker und Musikwissen-schaftler Bernhard von Gugler.
                                           (Foto: Uni-Archiv)

  Nach der Ernennung zum Professor für Deskriptive Geometrie im Frühjahr 1843 an der Polytechnischen Schule in Stuttgart wurde Gugler hier schnell heimisch. Noch im gleichen Jahr übernahm er zusätzlich eine Lehrerstelle am Königin Katharina Stift und brachte dort mit großer Freude den „Jungfrauen des Schwabenlandes“ Physik und andere Naturwissenschaften nahe. 1851 traf er hier auf Eduard Mörike, mit dem ihn bald eine auf musischem Gebiet fruchtbare Freundschaft verband.

  Das Klavierspiel hatte sich Gugler als Kind einst selber angeeignet. Nun brachte er sich aktiv in das aufblühende Stuttgarter Musikleben ein und wurde 1847 zum Mitbegründer des noch heute als Oratorienchor bestehenden Vereins für Klassische Kirchenmusik. Einen Ruf als ernstzunehmenden Musikkenner erwarb er sich durch seine deutschen Libretto-Bearbeitungen für Mozarts Opern „Così fan tutte“ (1856) und „Don Giovanni“ (1868). Dass er sich dabei naturwissenschaftlich genau am Urtext orientierte, war unter Musikwissenschaftlern zu jener Zeit noch vollkommen unüblich und nicht unumstritten.

  In seinem Beruf veröffentlichte er mathematische Schriften, übersetzte ein französisches Lehrbuch, führte 1848 Zinsberechnungen für das Ablösegesetz zur Entschädigung enteigneter Grundherren durch, war Visitator für württembergische Gewerbe- und Realschulen und wirkte in Prüfungskommissionen mit. Als 1854 die Gewerbliche Fortbildungsschule gegründet wurde, erteilte er auch dort Unterricht in technischem Zeichnen. Noch im selben Jahr wurde er Vorstand dieser Anstalt. Das in den Jahren 1858 bis 1862 ausgeübte Rektorat der Polytechnischen Schule war allenfalls der Höhepunkt, nicht das Ende der Karriere. Danach blieb er fast bis an sein Lebensende Vorstand der mathematischen Abteilung.

Schreiben als weitere Leidenschaft

Nachdem er 1851 erstmals zur Weltausstellung nach England gereist war, erfasste ihn eine weitere Leidenschaft: für die Augsburger Allgemeine Zeitung, die Schwäbische Chronik, das Morgenblatt für gebildete Leser, die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung und andere Blätter schrieb er hunderte Aufsätze zu den verschiedensten schulischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und vor allem musikalischen Themen. Im Auftrag der Württembergischen Zentralstelle für Gewerbe und Handel berichtete er fortan regelmäßig als Experte für Musikinstrumente von internationalen Ausstellungen in Paris, London und Wien.

  Das letzte große Vorhaben, die Mitarbeit an Friedrich Chrysanders 97 Bände umfassender Händel-Gesamtausgabe, kam über wenige Fragmente nicht hinaus. Bernhard von Gugler starb am 12. März 1880 nach längerer Krankheit.

  Dank der Initiative von Heidemarie Hechtel (Stuttgarter Nachrichten) wurde sein Grab auf dem Pragfriedhof kürzlich unter Bestandsschutz gestellt und komplett renoviert. Es liegt direkt gegenüber dem seines Freundes Eduard Mörike.

Klaus Wendel

                                                                                                                                                                                          

2006 erschien die Biographie „Für die Mathematik begabt, zum Lehren berufen, von der Musik begeistert - der Mathematiker und Musikwissenschaftler Bernhard von Gugler (1812 - 1880)“ (ISBN 978-3-86582-351-9) des Historikers Klaus Wendel, der an der Universität Stuttgart studiert und promoviert hat.

                                                                                                                                                                                          

 
 
last change:20.12.2007/ yj
Pressestelle der Universität Stuttgart