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KLEMENS KRAUSE HAT DAS COMPUTERMUSEUM AUFGEBAUT > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Als die Rechner laufen Lernten

 
  Klemes Krause
 


Mit viel Spaß am Objekt, aber auch mit viel Sorgfalt kümmert sich Klemes Krause um das Computermuseum. In den Schubfächern finden sich Einzelteile für Reparaturen.                                                                                                                                                     (Fotos: Eppler)

 

Einblick in die Entwicklung der Informationstechnik bietet das Computermuseum des Fachbereichs Informatik im Informatikneubau auf dem Campus in Vaihingen. Das reicht von mechanischen Rechenmaschinen über Tischrechner und die ersten Personalcomputer bis zu Bordcomputern, Messgeräten oder Entwicklungssystemen. Und die Geräte sind fast alle funktionsfähig. Ohne Klemens Krause gäbe es dieses Museum nicht. Ursula Zitzler sprach mit dem begeisterten Sammler mechanischer und elektronischer Computer.

Sie arbeiten am Institut für Softwaretechnologie als Programmierer und Systemadministrator und haben nebenbei das Computermuseum aufgebaut. Wie kam es dazu?

Klemes Krause

   
Schon als Schüler hat sich der begeisterte Sammler für technische Geräte interessiert.

Krause:
Schon während der Schulzeit habe ich Radios repariert und an technischen Geräten gebastelt. In den 1970-er Jahren kamen die ersten Rechenmaschinen und Elektronenrechner auf die Flohmärkte, vorher waren sie sehr teuer. Damals habe ich angefangen, Elektronen- und auch mechanische Rechner zu kaufen, wobei mich die Elektronik interessiert hat. 1977 habe ich dann in Ulm an der Fachhochschule mit dem Studium der Technischen Informatik begonnen. Zu der Zeit wurden noch die Rechner aus einzelnen Logikgattern zusammengebaut und -geschraubt. Damals habe ich mir meinen ersten Mikroprozessor gekauft und als ich 1982 an die Uni Stuttgart kam – damals konnte man als Privatmann nicht mehr benötigtes Material von der Uni kaufen, was heute nicht mehr möglich ist –, habe ich immer mal wieder ausrangierte Rechner erworben. Mein damaliger Chef, Prof. Burkhardt, hatte dafür wohl auch ein Faible und hat mir gestattet, diese sowie auch mechanische Rechenmaschinen und andere Kuriositäten in der Azenbergstraße im Glasschrank auszustellen. Am Tag der offenen Tür habe ich damals meine röhrenbestückte ANITA, den PET 2001 und andere vorgeführt.

 
 

Christian Costi und Krause

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

In Christian Costi hat Krause einen Verbündeten gefunden.

1991 sind wir in die Breitwiesenstraße umgezogen, wo es mehr Platz gab, so etwa auch für die großformatigen PDP8-Schränke aus dem Institut für Plasmaphysik. Nach der Emeritierung von Prof. Burkhardt wollte dessen Nachfolger keine Geräte, die älter als drei Jahre waren, in seiner Abteilung haben. So entstand die Idee eines Computermuseums.

Unterstützung erhielt ich von den Professoren Gunzenhäuser und Lehmann, die dafür einen Raum mit 30 Quadratmetern zur Verfügung stellten. 1996 beschloss der Fakultätsrat auf Antrag des damaligen Dekans der Fakultät Informatik, Prof. Claus, ein Computermuseum einzurichten. Ungefähr ein halbes Jahr haben wir Regale aufgebaut und Tastaturen geputzt. Im Februar 1997 wurde das Museum eröffnet. Mit der Planung des Informatikneubaus auf dem Campus wuchs die Fläche um mehr als das Dreifache.

Hat Sie die Unterstützung durch die Fakultät überrascht?

Krause:
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass eine Mehrzahl der Professoren diese Idee für gut und unterstützenswert hielt.

An den Exponaten lässt sich die Entwicklung der EDV der letzten Jahrzehnte gut darstellen. Was war für Sie die Veränderung mit den größten Auswirkungen?.

   

Krause

 
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass eine Mehrzahl der Professoren diese Idee für gut und unterstützenswert hielt.
 

Krause:
Qualitative Änderung gab es, als man mit den Rechnern Musik oder Bilder bearbeiten konnte. Heute kann man ohne EDV-Kenntnisse im Internet in Diskussionsgruppen kommunizieren, ein Bildbearbeitungsprogramm bedienen oder eine Tabellenkalkulation machen.

Wieviel Exponate zeigen Sie?

Krause:
Etwa 200, ein größerer Teil befindet sich im Keller. Firmen und Privatleute bieten uns ihre nicht mehr benötigten Stücke an. Manche Rechner haben wir mehrfach. Die benutzen wir entweder als Ersatzteilträger oder tauschen die Geräte im Museum bisweilen aus.

Wählen Sie bestimmte Schwerpunkte aus?

Krause:
Das Museum ist grob chronologisch sortiert. In der Vitrine stehen die alten mechanischen Anfänge und Vorläufer der digitalen Rechner, im Regal daneben erste Elektronenrechner und in der Mitte der Magnettrommelrechner LGP-30 als ältester Computer. Dieser stand ursprünglich am Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen. Ein zweites Exemplar hat uns vor zwei Jahren ein früherer Schüler vermittelt. Es stammt ursprünglich von der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart. Alle drei LGP-30 der Uni Stuttgart wurden um 1970 an drei Esslinger Gymnasien abgegeben, die damit in Zusammenarbeit mit der FH Esslingen einen sehr frühen Informatikunterricht gaben. Als der „MPA-Rechner“ verschrottet werden sollte, hat der Schüler ihn für 50 DM gekauft. Alle Unterlagen, darunter der Lieferschein und Schriftwechsel, sowie die Originalsoftware sind erhalten geblieben.

Gibt es ein ähnliches Museum, etwa bei IBM?

Krause:
Ja, das funktioniert ähnlich. IBM stellt technische Infrastruktur zur Verfügung und die Rentner halten die Maschinen am Laufen. Das IBM-Museum zeigt ausschließlich IBM-Geräte. Es ist natürlich grösser als das Museum hier und man kann dort funktionierende Tabelliermaschinen, beispielsweise die D11, elektronische Rechenlocher, die IBM-704 und ebenfalls einen lauffähigen röhrenbestückten Magnettrommelrechner, die IBM-650 und natürlich ganz moderne Sachen wie eine IBM-360 im Betrieb sehen.

Gibt es bestimmte Funktionen, die Sie an den alten Rechnern begeistern?

 
 

Sinclair ZX80

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Unter den Lieblingsstücken ist auch ein Sinclair ZX80.

Krause:
Das Schöne speziell an dem PDP-8 aus dem Beginn der 1960-er Jahre ist der Befehlssatz, der – vielleicht den Schachregeln vergleichbar – mit minimalem Aufwand nützliche Dinge vollbringt. Übrigens haben wir gerade bei diesem Rechner lustige Funde gemacht. Die damalige Institutssekretärin hat damit eine Schallplattensammlung verwaltet und die Akademische Seglervereinigung hat ihre Kasse geführt.

Auf dem LGP-30 läuft ein Programm, das 20 Wurzeln berechnet und in einer Tabelle ausdruckt. Wir wissen genau, dass wir – bei 12.236 Maschinenbefehlen einen Fehler ausschließen können. Ein Pentium würde dafür wahrscheinlich Milliarden von Maschinenbefehlen ausführen. Zudem kann man bei den alten Rechnern noch die Bits in Form von Spannung sehen.

Was würden Sie sich für Ihr Museum noch wünschen?

Krause:
So richtig schöne „Dinosaurier“ wie einen PDP-8 Classic, eine IBM-650 oder einen der ersten Rechner von Konrad Zuse, eine Z-22.

Wo wollen Sie diese unterbringen?

Krause:
Wir müssten für die Z-22 ziemlich viel ausräumen. Gedacht habe ich an das Foyer im Höchstleistungsrechenzentrum.

Beeindruckend ist, dass die Geräte alle funktionieren, wie kriegen Sie das hin?

Krause:
Da stecken viele Arbeitsstunden drin. Seit dem Jahr 2000 unterstützt mich Christian Corti, der als Student mit einer IBM 5110 unter dem Arm zu mir kam und sich Tipps für die Reparatur holen wollte. Er war so fasziniert von Lochstreifen, Kernspeichern und aus Röhren aufgebauten Flip Flops (damit bezeichnet man elektronische Bauteile, die zwei Zustände einnehmen können), dass er Dauergast im Museum wurde. Inzwischen ist er selbst Mitarbeiter in der Informatik. Er war begeistert von dem Gedanken, einen Magnettrommelrechner aus dem Jahr 1958, den wir 1999 von der FH Esslingen erhielten, wieder zum Laufen zu bringen. Wir haben die Maschine, die ursprünglich für numerische Aufgaben oder statische Berechnungen entwickelt wurde,  komplett auseinander genommen und wieder zusammengebaut. Schätzungsweise 500 Arbeitsstunden hat jeder von uns dabei in diesen Rechner investiert, der wohl einer der ältesten noch funktionierenden Computer in Deutschland sein dürfte.

Bei den Reparaturen haben wir teilweise mehr Schwierigkeiten mit der Mechanik als mit der Elektronik. So kann es passieren, dass geölte Metallteile miteinander verkleben oder Kunststoffriemen sich auflösen. Schon deshalb muss man die Geräte ab und zu in Betrieb nehmen. Andernfalls funktionieren sie  bei den Vorführungen nicht.

Vielen Dank für das Gespräch.

Julia Alber/zi

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Menschen an der Universität

Eine Universität wird lebendig durch die Menschen, die dort tätig sind. Menschen bilden den Nachwuchs für Führungsaufgaben in der Gesellschaft aus, forschen in den unterschiedlichsten Disziplinen, sorgen für reibungslose Abläufe in der Verwaltung, studieren Fächer ihrer Wahl oder bauen, wie Klemens Krause es getan hat, so ganz nebenbei ein Computermuseum auf.

Für Technik hat sich Klemens Krause, 1955 in Donaueschingen geboren, schon als Schüler interessiert. Er erkundete das Innenleben von Radios und begann mit dem Sammeln alter Geräte. Der Informatikunterricht im Jahr 1972 bestand – erinnert er sich – in der Erlaubnis, am Nachmittag mit dem programmierbaren Tischrechner Wang 600 spielen zu dürfen. Dennoch studierte er nach dem Abitur zunächst zwei Semester Biologie in Hohenheim, wo er mit der Lochkartentechnik am Rechenzentrum in Berührung kam, bevor er ab 1977 an der Fachhochschule in Ulm Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Technische Informatik studierte. Nach dem Diplom 1980 war er zwei Jahre in der Industrie tätig und wechselte 1982 als Programmierer an die Abteilung Computersysteme der Uni Stuttgart. Im Lauf der Jahre hat sich sein Tätigkeitsbereich stark verändert: Weg vom Aufbau von Prototypenschaltungen, deren Inbetriebnahme und Wartung hin zur Systemadministration von Unixsystemen. Das Computermuseum, dem er fast seine ganze Freizeit widmet, ist – wenn man so will – fast logische Konsequenz seiner Sammelleidenschaft und Technikbegeisterung. Was damals an der FH Ulm aktueller Lehrstoff war wie TTL-Technik, Kernspeicher oder Lochkarten, erzählt er schmunzelnd, ist inzwischen Inhalt des Museums. Viel Zeit für andere Hobbies bleibt nicht. Aber der eine oder andere Marathon-Lauf ist drin.

zi

 

 
 
last change:20.12.2007/ yj
Pressestelle der Universität Stuttgart