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Stuttgarter unikurier Nr. 90 November 2002
Internationales Kolloquium zur historischen Geographie:
Migrationen in der antiken Welt 
 

Unter dem Titel „Troianer sind wir gewesen - Migrationen in der antiken Welt“ veranstaltete die Abteilung Alte Geschichte des Historischen Instituts der Universität Stuttgart vom 8. bis 12. Mai das achte Internationale Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums. Rund 180 Historiker, Archäologen, Geographen, Altphilologen und Philosophen aus Italien, Österreich, der Schweiz, Russland und Deutschland waren zu der Veranstaltung im Internationalen Begegnungszentrum der Uni angereist. Julia Alber vom Unikurier sprach mit Prof. Eckart Olshausen, dem Direktor des Historischen Instituts.

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Unikurier: Herr Professor Olshausen, wie ist Ihr Resümee nach dem Kolloquium? 

Prof. Olshausen: Ich würde sagen, es war ein großer Erfolg. Die Stimmung war vorzüglich, die Diskussionen waren lebendig. Es war harmonisch und jeder konnte das fragen, was er wollte. Das ist immer mein Ziel, dass diese Begegnungen harmonisch verlaufen und eine Vielzahl von Gesprächen zustande kommt. Man diskutiert über alles mögliche, es werden auch Pläne angesprochen, und auf diese Weise ergeben sich Anknüpfungspunkte für weitere wissenschaftliche Projekte. 

Unikurier: Hat das Thema des Kolloquiums „Troianer sind wir gewesen - Migrationen in der antiken Welt“ einen Bezug zu unserer heutigen Zeit? 

Prof. Olshausen: Es hat in der Tat aktuelle Bezüge. Ich bin Mitglied bei Amnesty International, habe mehrere Berichte gelesen über erzwungene Wanderungen, auch Deportationen, und bin so auf das Thema gekommen. Die Migration in der antiken Welt das ist ohne Zweifel ein Anstoß aus moderner Problematik. Unsere Projekte und speziell das Kolloquium sind ja nicht auf engste Zeiträume fixiert, sondern wir lassen das offen. Ich glaube, dass auch von der Moderne immer wieder Impulse für die antike Forschung kommen können.

Unikurier: Über welche Themen wurde während der drei Tage diskutiert und gab es auch neue Aspekte?

Prof. Olshausen: Ich glaube, die meisten Themen waren keine „Schubladenthemen“, sondern grundsätzlich haben sie Projekte angedeutet. An neuen Aspekten war zum Beispiel die Diskussion um den Heimatbegriff, die ich vorgenommen habe. Das ist eine Sache, die man noch nicht gemacht hat, die aber meines Erachtens wichtig ist. Heimat, da denkt man an die Heimatvertriebenen und an die Verbände. Dass Heimat ganz anders verwandt werden kann und ganz andere Aspekte als nur diesen gefühlsbetonten hat, kann zum Beispiel durch diese Forschungen deutlich werden. Wir haben Massenwanderungen beobachtet, Wanderungen von Einzelnen und freiwillige, ja sogar gewünschte Wanderungen, sowie erzwungene Wanderungen, deren wesentliche Ursachen Naturkatastrophen sind, Armut und Kriege. Wir haben diskutiert, wie auf Wanderungen Völkerschaften zusammenwachsen oder sich trennen können, und wir haben die Wanderungen von Händlern, Handwerkern und Künstlern behandelt. Ein weiterer Gesichtspunkt war das Exil Einzelner und Deportationen als Mittel der Sicherheitspolitik. 

Unikurier: Migration heute und früher, gibt es da grundlegende Unterschiede?

Prof. Olshausen: Die Unterschiede sind nicht groß. Bei uns kommt noch die Technik hinzu. Die Möglichkeiten sind grundlegend anders als in der Antike, aber das Phänomen der Wanderung und seiner Facetten, das ist damals so wie heute. In der Antike haben wir aber abgeschlossene Vorgänge, die sich gut studieren lassen. 

Unikurier: Kann man denn für die Neuzeit etwas aus der Geschichte lernen?

Prof. Olshausen: Eine Handlungsanweisung können wir aus der Geschichte nicht bekommen, das wäre eine platte Analogisierung und Parallelisierung, das ist nicht sinnvoll und führt in die Irre. Aber dass man die Geschichte nutzen kann und nutzen sollte, das ist keine Frage. Es gibt positive Modelle, an denen sich zeigen lässt, wie gewünschte Volksgruppen aufgenommen und eingegliedert werden. Die Hergerufenen, wie zum Beispiel Händler oder Fachleute, werden nach getaner Arbeit angenommen, sie gehen in der Stadtbevölkerung auf, nehmen auf, was ihnen begegnet, geben aber ihre Kultur nicht völlig auf, sondern bringen ihre Kulturelemente in ein neues Kulturbild der Stadt ein. 

Kontakt
Historisches Institut, Abteilung Alte Geschichte, Keplerstr. 17, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-3440, -3439, Fax 0711/121-3584, e-mail: eckart.olshausen@po.hi.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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