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Stuttgarter unikurier Nr. 82/83 September 1999
Alcatel ­ SEL Stiftungsprofessur 1999:
Künstliche Intelligenz ­ was ist das eigentlich?
 

Auf Einladung der Abteilung für Wissenschaftstheorie und Technikphilosophie konnte für die diesjährige Alcatel-SEL-Stiftungsprofessur Prof. Dr. Thomas Christaller vom Forschungszentrum Informationstechnik GmbH (GMD) und Leiter des Institutes für Autonome intelligente Systeme (AiS) in St. Augustin gewonnen werden. Über acht Vorträge erstreckte sich seine Vorlesungsreihe im Sommersemester mit dem Titel “Künstliche Intelligenz (KI) ­ was ist das eigentlich?“, die Themen wie ’Menschen aus Menschenhand’, ’Was ist natürliche Intelligenz’, ’Handeln, Wahrnehmen, Lernen’ oder ’Roboter und Mensch’ behandelte.

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Prof. Dr. Christaller

Prof. Dr. Christallers Forschungsgebiete sind die kognitive Robotik, die verhaltensorientierte KI und die Architekturen für KI-Systeme. Er arbeitet auf Gebieten anwendungsorientierter Entwicklung Autonomer Service Roboter und Roboterteams. In seinen Vorträgen umriß er die Problemgeschichte der Entwicklung von Konzepten der Forschungen zur Künstlichen Intelligenz von der Antike bis zu den heute etwa von Hans Moravec entwickelten Konzepten von Robotern der 4. Generation (in den Jahren 2030-2040).
Insbesondere aber zeigte Christaller den gegenwärtigen Stand der Forschung auf und kam dabei zu dem Schluß, daß das Phänomen der “Intelligenz“ ­ sowohl als “künstliches“ als auch als “natürliches“ ­ immer noch keineswegs theoretisch einheitlich verstanden wird. Definitionen der KI reichen von Theorien, die sagen, intelligent sei das, was Computer tun, wenn es den Menschen als intelligent erscheine, über solche, die KI auf Symbolverarbeitung einschränken bis zu üblichen Definitionen, nach denen künstliche Systeme dann als intelligent gelten, wenn sie den nach dem Mathematiker Alan Turing benannten Turing-Test bestehen. (Also wenn Reaktionen und Antworten, von denen man nicht weiß, ob sie von einem Menschen oder einer Maschine kommen, für sich genommen vernünftig erscheinen.) Weiter vorherrschend ist auch die sogenannte “Physical Symbol System Hypothesis“ (PSSH), nach der Symbole und Regeln der Symbolmanipulation eindeutigen physikalischen Zuständen im System zugeordnet werden müßten.
Christaller stellte dar, daß nach der Entwicklung von Assistenzsystemen der entscheidende Durchbruch jedoch erst vor 15 Jahren erfolgte, als man begann, Forschungsprogramme aufzustellen, die Roboter entwickeln sollen, die sich in möglichst natürlichen Umgebungen aufhalten und dort “angemessen“ handeln können. Sowohl für natürliche als auch für künstliche Intelligenz wird dabei stets die Existenz eines physikalischen Körpers vorausgesetzt.
Eindrucksvoll beschrieb Christaller den heute sichtbar gewordenen Paradigmenwechsel, der sich von Modellen der symbolischen logischen Repräsentation hin zu einer verhaltensorientierten KI-Forschung bewege. Hier wende man letztlich die Erkenntnis an, daß auch die “natürliche menschliche Intelligenz“ sich als biologisches Phänomen durch einen enormen Evolutionsdruck, verbunden mit hohen “energetischen Kosten“, entwickelt hat. Die Primatenintelligenz wird dabei verstanden als ein Mittel zur Lösung sozialer Probleme, die durch flexibles, unberechenbares, genetisch nicht vollständig determiniertes Verhalten der Individuen entstanden sind, durch Beobachtung von und projektive Einfühlung in Artgenossen.

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Alles andere als eine Spielerei: Höchst komplexe
Anforderungen an die KI-Forschung stellen Roboter,
die zielgerichtet miteinander agieren und
angemessen aufeinander reagieren sollen. Aber
das gilt ja auch für die Vorbilder in den natürlichen
Systemen.    (Foto: GMD)

Die Simulation dieser Art von höherstufiger sozialer Intelligenz und evolutivem Lernen führte zur nichtklassischen KI-Forschung und zur Modellierung “Künstlichen Lebens“ (Artifical Life) oder “künstlicher Biologie“, nach der es hoffnungslos ist, komplexe Sensorsignale aus einer unvorhersehbaren, sich wandelnden Umgebung in symbolische Repräsentationen umzuwandeln. Erforderlich sei deshalb unter anderem die Anwendung mathematischer Konzepte der dynamischen Systemtheorie, um Roboter so zu bauen, daß sie durch evolutive Verhaltensanpassung lernen können. Christaller demonstrierte dies eindrucksvoll an zahlreichen Fallbeispielen, wie den technischen Details und Voraussetzungen, die nötig sind, um Roboter auch auf Gruppenaktivitäten wie Fußballspielen zu programmieren.
Die fundamentale Herausforderung der Zukunft liegt nach Christaller in der Entwicklung der Kombinationsfähigkeit von Feinabstimmung komplexer Verhaltensweisen, Repräsentationen, Steuerungsinstanzen und Hardwarekomponenten mit zur dynamischen Einheit gebrachten resultierenden Roboteraktionen.

A. Karger

KONTAKT
Abteilung für Wissenschaftstheorie und Technikphilosophie, Seidenstr. 36, 70174 Stuttgart, Tel: 0711/121-2491; Fax: -2492

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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