Zylindrische Speicherzellen

Verschenktes Potenzial

Modulare Batteriekonstuktion für mehr Effizienz

Ohne Batterie kann kein Elektroauto fahren. Forscher der Universität Stuttgart arbeiten daran, die benötigten Batterien weiterzuentwickeln und diese effizienter zu gestalten.
[Foto: Max Kovalenko]

Lithium-Ionen-Zellen sind so etwas wie das Herz in der Batterie eines Elektroautos. Das Problem dabei: 50 Prozent der Reichweite, die die Zellen eigentlich ermöglichen, bleiben in der Praxis ungenutzt. Schuld daran ist eine ineffiziente Batteriekonstruktion. Das Team um Kai Peter Birke am Institut für Photovoltaik der Universität Stuttgart will das ändern und hat einen Industrie-4.0-fähigen Ansatz entwickelt.

Tesla, BMW i und Opel Ampera – sie alle haben eine Batterie, um voll- oder teilelektrisch zu fahren. Doch wer sich das Innenleben der drei Batterien anschaut, stellt fest, dass sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Tesla verwendet zylindrische Zellen, rund 10.000 Stück. In den Batterien der i-Modelle von BMW stecken prismatische, also quaderförmige Zellen. Weil sich dieser Zelltyp relativ groß bauen lässt, also mit hoher Nennkapazität, sind nur rund 100 Zellen erforderlich. In der Batterie des Ampera wiederum befinden sich Pouch-Zellen, die äußerlich an eine Vakuumverpackung für Kaffee erinnern. „Die Batteriefertigung von Elektrofahrzeugen steckt in den Kinderschuhen, es gibt Kleinserien oder Handarbeit“, sagt Prof. Kai Peter Birke, Fachgebietsleiter Elektrische Energiespeichersysteme am Institut für Photovoltaik der Universität Stuttgart. Jeder Hersteller macht es bei jedem Modell anders. „So ist es kaum möglich, mit den derzeitigen Konzepten tatsächlich die Wertschöpfung mit einer Batterie zu erreichen, die allgemein angenommen wird“, ist Birke überzeugt.

Dazu muss man sich nur vergegenwärtigen, was mit der Energiedichte beim Übergang von der einzelnen Zelle zum Gesamtsystem, der Batterie, passiert: „Sie sinkt, von größenordnungsmäßig 200 Kilowattstunden pro Kilogramm auf 100“, sagt Birke. Die Energiedichte beeinflusst jedoch direkt die Reichweite eines Elektrofahrzeugs. Flapsig formuliert bekommen Elektroautos also ihre PS, die in den Zellen stecken, nicht auf die Straße. „Eine Batterie besser zu konstruieren, ist daher ein Schlüssel zu größeren Reichweiten“, so Birke. Aber nicht nur das. In seinen Augen begünstigt eine geeignete Batteriekonstruktion darüber hinaus Produktion, Reparatur und Recycling. Den Nachweis dafür erbringt Birkes Team gerade in dem auf drei Jahre angelegten Projekt „Libelle“ (Lithium-Ionen-Batterien mit selbsttragenden und leichten Einheiten), dessen Leitung Christoph Bolsinger innehat. Es wird von der in Stuttgart ansässigen Vector Stiftung gefördert und läuft noch bis zum Frühjahr 2018.

Stabil, aber nicht schwer

„Eine moderne Batterie muss leicht sein“, ist Birke überzeugt, „dann steigt die Energiedichte automatisch.“ Bei den heute etablierten Lithium-Ionen-Batterien ist eher das Gegenteil der Fall. Sie benötigen ein stabiles Gehäuse, das sie vor Umwelteinflüssen und vor der Zerstörung bei einem Unfall bewahrt. Denn so hoch entwickelt, wie Lithium-Ionen-Zellen inzwischen auch sind: Brennende Elektroautos – so wenig es auch gewesen sein mögen – zeigen, dass es sich um eine sensible Technologie handelt.

Prof. Kai Birke (r.) und Mitarbeiter des Projekts Libelle.
Prof. Kai Birke (r.) und Mitarbeiter des Projekts Libelle.

Die im Libelle-Projekt entwickelte Batteriekonstruktion nutzt die mechanische Stabilität der Zelle aus. Getreu dem Prinzip „Ein Streichholz hält keiner großen Belastung stand, aber viele Streichhölzer nebeneinander entwickeln eine beachtliche Tragkraft“. Das Modulkonzept aus Stuttgart macht darüber hinaus eine vom Zelltyp unabhängige, flexible Fertigung möglich, eine Option, die es derzeit in der Praxis so noch nicht gibt. „Unser Ansatz ist also Industrie-4.0-fähig“, resümiert der Wissenschaftler. Das Team um Birke nutzt dafür einen gängigen, kommerziell erhältlichen zylindrischen Zelltyp mit 18 Millimeter Durchmesser und 65 Millimeter Länge; zylindrische Zellen erreichen bei vergleichbarem Volumen die größten Energiedichten pro Kilogramm. Sieben dieser Zellen stecken die Forscher in die Bohrungen einer honigwabenförmigen dünnen Platte. „Wir haben in Experimenten nachgewiesen, dass diese Zellen den typischen auftretenden Belastungen bei Unfällen widerstehen können, egal ob die Kräfte aus horizontaler oder vertikaler Richtung einwirken“, sagt Bolsinger. „Die Zellen werden in unserem Konzept daher zu selbsttragenden Einheiten.“ Den Abschluss am oberen Ende der senkrecht in der Grundplatte stehenden Zellen bildet eine identische Platte. „Durch die Honigwabenform können wir aus diesen Modulen Gesamtsysteme zusammensetzen, die den zur Verfügung stehenden Bauraum optimal ausnutzen“, erklärt Bolsinger. Sie lassen sich nebeneinander oder übereinander stapeln. Für mechanische und elektrische Verbindungen zwischen den Modulen dienen isolierende oder leitende Elemente, die das Forscherteam in vorhandene Aussparungen der honigwabenförmigen Modulplatten einsteckt. Die Platine für die elektronische Überwachung ist parallel zu den Zellen am Rand der Module angebracht, pro Modul eine Platine. „Das Gehäuse, in dem die fertige Batterie dann steckt, muss sie nur noch vor Umwelteinflüssen wie Feuchtigkeit oder Staub schützen“, sagt Birke: „Deshalb kann es sehr leicht sein.“ Und: Ein solch modulares Prinzip erlaubt das Recycling der Batterie, weil nichts mehr geschweißt ist.

Effizienz steigt um ein Drittel

Das Forscherteam hat im Labor Demonstratoren aufgebaut, die teils in Serie, teils parallel geschaltet sind und eine Betriebsspannung von 48 Volt erreichen. „Das reicht natürlich nicht für eine Anwendung im Elektroauto, wo größenordnungsmäßig 400 oder 800 Volt gefordert sind“, sagt Birke. „Aber wir wollten ja lediglich das Prinzip demonstrieren – eine spätere Skalierung ist kein Problem.“

Während die Energiedichte bei klassischen Konstruktionen beim Übergang von der Zelle zum Gesamtsystem um den Faktor 2 sinkt, ist es bei den Demonstratoren nur noch ein Faktor von 1,8 – ohne Kühlung. „Mit einer geeigneten Kühlung, die wir derzeit gemeinsam mit dem Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart entwickeln, wollen wir wenigstens einen Faktor 1,5 erreichen, Ziel ist 1,3“, so der Wissenschaftler. Bei einer Energiedichte von 200 Kilowattstunden pro Kilogramm auf Zellebene wären das dann 133 Kilowattstunden pro Kilogramm auf Batterieebene, ein Drittel mehr als derzeit möglich ist.
Michael Vogel

Prof. Dr. Kai Peter Birke, Abteilung Elektrische Energiespeichersysteme am Institut für Photovoltaik (IPV), Tel.: +49 711/685-67180, E-Mail

Christoph Bolsinger, Institut für Photovoltaik (IPV), Tel.: +49 711/685-67181, E-Mail

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