Was macht ein Tropfen auf dem heißen Stein?

DROPIT-Doktoranden sind dem Verhalten kleinster Wasserelemente auf der Spur

Forscher in Stuttgart und Bergamo untersuchen, wie sich Tröpfchen in Bezug auf ihre Umgebung verhalten und wie die Industrie davon profitieren kann.

Wer hat nicht schon einmal Regentropfen beobachtet, die in eine Pfütze fallen? Während ambitionierte Laien an der Art des Aufpralls die Dauer des Regenschauers erkennen wollen, gehen die Forscher des deutsch-italienischen Graduiertenkollegs DROPIT der Universität Stuttgart der wissenschaftlichen Frage nach, wie sich Tröpfchen untereinander und zu ihrer Umgebung verhalten. Ihre Antworten spielen für viele industrielle Anwendungen eine wichtige Rolle.

In einem Labor des Instituts für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt (ITLR) der Universität Stuttgart bedienen die Doktoranden Anne Geppert und Ronan Bernard ein neues, hochmodernes System. Die Micro-Particle-Image-Velocimetry (Micro-PIV) genannte Technik ist ein berührungsloses, laseroptisches Geschwindigkeitsmessverfahren, das auf der Detektion von kleinsten, der Strömung zugegebenen Partikeln beziehungsweise deren Verschiebung beruht. Dafür bestücken die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Tropfen mit selbstleuchtenden Teilchen, die durch das Anstrahlen mit einem grünen Laser fluoreszieren. Aufgenommen zu zwei definierten Zeitpunkten mit einer hochauflösenden Kamera, lässt sich die Geschwindigkeit aus der zurückgelegten Entfernung der Partikel berechnen, die sich innerhalb des Zeitintervalls mit der Strömung bewegt haben. „Die Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass wir durch die Kombination eines PIV-Systems mit einem Mikroskop auch Strömungsfelder im Mikrometerbereich untersuchen können“, sagt Anne Geppert, assoziiertes Mitglied von DROPIT.

Mit Hilfe der Micro Particle-Image-Velocimetry (Micro-Piv) lässt sich die Geschwindigkeit aus der zurückgelegten Entfernung der Partikel berechnen, die sich innerhalb eines Zeitintervalls mit der Strömung bewegt haben.
Mit Hilfe der Micro Particle-Image-Velocimetry (Micro-Piv) lässt sich die Geschwindigkeit aus der zurückgelegten Entfernung der Partikel berechnen, die sich innerhalb eines Zeitintervalls mit der Strömung bewegt haben.

Die Interaktion von Tropfen verstehen

Was geschieht, wenn Tropfen mit bestimmten Medien, Materialien und Oberfl ächenstrukturen interagieren, auf ihnen zerstäuben oder verdampfen, ist in weiten Teilen immer noch rätselhaft. „Tropfen sind viel mehr als Regen“, beschreibt ITLR-Direktor Prof. Bernhard Weigand die Faszination des Forscherteams für das so kurze wie komplexe „Leben“ dieser Objekte. „Unser Forschungsziel ist, die Auswirkungen mikroskopischer Strukturen auf sichtbare Effekte zu ergründen“, so Weigand. Klar ist bereits, dass selbst kleinste Veränderungen der Oberflächenstruktur eines Tropfens oder seiner Aufprallfläche zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das ist Grundlagenforschung. Die DROPIT-Forscher haben aber auch die praktische Umsetzung im Sinn: Ob bei der Sprühkühlung von Lebensmitteln, bei Verdunstungsvorgängen oder Verbrennungsprozessen im Motor – immer ist das Verhalten kleinster Tröpfchen für den Erfolg entscheidend.

Für das Untersuchungsgebiet von DROPIT wurden drei Zielanwendungen definiert. Zum einen erforschen die Doktorandinnen und Doktoranden Verdampfungsprozesse, um die Gemischbildung in Verbrennungsmotoren zu verbessern. „Durch Veränderungen beim Reibungswiderstand lässt sich der Benzinverbrauch senken“, bringt Dr. Grazia Lamanna, akademische Oberrätin am ITLR, das ehrgeizige Forschungsziel auf den Punkt. Ein weiteres Augenmerk liegt auf sogenannten superhydrophoben Oberflächen, wie sie beispielsweise extrem wasserabweisende Textilien oder Windschutzscheiben aufweisen. Der dritte Forschungsbereich widmet sich dem Zusammenspiel unterschiedlicher Flüssigkeiten. „Diese Ansätze dienen zum Beispiel der Entwicklung neuer Medikamente, bei denen eine Flüssigkeit eine andere umhüllt“, führt Anne Geppert aus.

Reger Austausch über Länder- und Fachgrenzen hinweg

Seinen Start erlebte das Graduiertenkolleg im Oktober 2016 im norditalienischen Bergamo. DROPIT, das verkürzt für „Droplet Interactions Technologies" steht, ist eines der Projekte der strategischen Partnerschaft zwischen den Universitäten Stuttgart und Bergamo. Beteiligt ist zudem die Universität Trient. Rund 20 Forscherinnen und Forscher arbeiten parallel in beiden Ländern. Während des zunächst auf viereinhalb Jahre ausgelegten Graduiertenkollegs wird es jährliche Kolloquien sowie spezielle Vorlesungen für die Doktorandinnen und Doktoranden geben. Vorgesehen sind auch halbjährige Auslandsaufenthalte im jeweiligen Partnerland. Um die große Bandbreite wissenschaftlicher Fragen abzudecken, die die verschiedenen Bereiche der Tropfen-Interaktion aufwerfen, werden viele Wissensgebiete gebraucht. Deshalb arbeiten an DROPIT Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen mit, darunter Mathematik, Informatik, Strömungsmechanik oder Thermodynamik.

Das Graduiertenkolleg DROPIT zeichnet sich durch intensive Ausbildung und selbstständige Projektarbeit aus.
Das Graduiertenkolleg DROPIT zeichnet sich durch intensive Ausbildung und selbstständige Projektarbeit aus.

Die gute technische Ausstattung des Kollegs hat nach Weigands Einschätzung ebenso wie die thematische Bandbreite zu der „sehr hohen Zahl“ an Bewerbungen geführt. „Die intensive Ausbildung der Doktorandinnen und Doktoranden bei gleichzeitig sehr selbstständiger Projektarbeit sorgt dafür, dass die Absolventen später gute Berufschancen haben“, ist sich Grazia Lamanna sicher. Und auch inhaltlich bietet die ausgeprägte Zusammenarbeit mit der Universität Bergamo nach Meinung der Beteiligten viele Vorteile. So sei zum Beispiel ein Mikro-Computertomograf von extrem hoher Qualität, wie ihn Maurizio Santini an der Universität Bergamo aufgebaut habe, weltweit bislang einzigartig, wie Bernhard Weigand erklärt. Das Gerät erlaubt es, dreidimensional zu scannen, um Objekte mit einer Präzision von Mikrometern zu durchleuchten und abzubilden.

Jens Eber

  • Prof. Dr.-Ing. habil. Bernhard Weigand, Direktor des Instituts für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt (ITLR), Tel. +49 (0) 711 685-63590, 
    E-MailWebsite
  • Dr.-Ing. Grazia Lamanna, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt (ITLR), Tel. +49 (0) 711 685-62173, 
    E-MailWebsite
  • Dipl.-Ing. Anne Geppert, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt (ITLR), Tel. +49 (0) 711 685-62173, 
    E-MailWebsite
  • Ronan Bernard M.Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Instiut für Thermodynamik der Luft- und Raumfahrt (ITLR), Tel. +49 (0) 711 685-62325, 
    E-MailWebsite

Kontakt

 

Hochschulkommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

Zum Seitenanfang