Krebsmedikamente auf der Basis von Proteinwirkstoffen gelten als vielversprechender Weg zur Bekämpfung bösartiger Erkrankungen. Doch ihre Entwicklung dauert oft viele Jahre, ist kostenintensiv, und wie das Medikament am Ende tatsächlich anschlägt, ist erst nach umfangreichen klinischen Tests abschätzbar. Wissenschaftler des Zentrums für Systembiologie der Universität Stuttgart und weitere Partner erarbeiten in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 3,5 Millionen Euro (Anteil Uni Stuttgart 2,3 Millionen) geförderten Verbundforschungsprojekt ein ganzheitliches mathematisches Modell, mit dem sich die Wirkung von Krebsmedikamenten besser vorhersagen und der Entwicklungsprozess beschleunigen lässt. An dem Projekt mit dem Namen „PREDICT“ sind acht Arbeitsgruppen aus vier Instituten der Universität Stuttgart, die Universität Tübingen, die Robert Bosch Gesellschaft für Medizinische Forschungsowie die Industrieunternehmen Bayer Tech-nology Services und Celonic beteiligt.
Wer neue, hochwirksame Medikamente für die Therapie komplexer, zur Zeit nicht oder nur ungenügend behandelbarer Erkrankungen entwickeln will, muss die verschiedensten Prozesse ganzheitlich verstehen. Diese reichen von den genetischen Grundlagen über den molekularen Ablauf zellulärer Reaktionen und die (Fehl)funktion der beteiligten Organsysteme bis hin zur Reaktion des gesamten Körpers. Das gilt gerade auch bei immuntherapeutischen Ansätzen, also der Behandlung mit Antikör-pern und davon abgeleiteten Proteinen, die sich insbesondere bei einigen Blutkrebsformen als sehr wirksam herausgestellt haben. Beim Design solcher Wirkstoffe sind neben der bestmöglichen Wirkung insbesondere die pharmakologischen Eigenschaften zu berücksichtigen, um ein optimales therapeutisches Ergebnis zu erzielen, gleichzeitig jedoch unerwünschte Nebenwirkungen zu minimieren.
PREDICT, das auf dreijährigen, ebenfalls vom BMBF geförderten Vorarbeiten des Zentrums für
Systembiologie und seiner Partner aufbaut, will am Beispiel protein-basierter Krebsmedikamente
experimentelle Forschung und mathematische Modellierung vereinen. Ziel ist es, ein ganzheitliches
Modell zu erstellen, das die tumor-spezifische Wirkung dieser Therapeutika vorhersagen kann. Das
mathematische Modell berücksichtigt nicht nur die Biologie des Tumors und sein Wachstumsverhalten,
sondern beschreibt auch die Verteilung des Wirkstoffs im Körper und seine Anreicherung im
Tumorgewebe sowie dessen molekularen Wirkmechanismus an der Tumorzelle, was letztendlich im
Idealfall die Zerstörung des gesamten Tumor zur Folge haben soll. In einem iterativen Prozess
werden experimentelle Daten zur Validierung und Optimierung des Modells herangezogen, im Gegenzug
können Vorhersagen des Modells experimentell überprüft werden. Daraus entsteht ein
Multiskalen-Modell, das alle Ebenen vom Molekül über Zellen und Gewebe bis zu den Organen und dem
ganzen Körper umfasst. Es soll einen Vergleich mit etablierten Therapieverfahren und eine
Vorhersage des therapeutischen Potentials der neuen Wirkstoffe erlauben und so letztlich dazu
beitragen, die klinische Prüfung dieser neuen Medikamenten-Klasse und die Entwicklung neuer
Therapieverfahren in der Onkologie zu beschleunigen.
In dem Projekt werden neuartige, vom Institut für Zellbiologie und Immunologie der
Universität Stuttgart entwickelte tumorspezifische biologische Wirkstoffe eingesetzt, die
zielgerichtet in Tumorzellen die so genannte Apoptose, den programmierten Zelltod, auslösen und so
den Tumor insgesamt zerstören.
Kontakte:
Prof. Dr. Klaus Pfizenmaier (Koordinator), Universität Stuttgart, Institut für Zellbiologie
und Immunologie (IZI), Tel.0711/685-66986, E-Mail: klaus.pfizenmaier [at] izi.uni-stuttgart.de
Beate Witteler-Neul, Universität Stuttgart, Zentrum Systembiologie (CSB), Tel. 0711/685-69926
E-Mail: witteler [at] zsb.uni-stuttgart.de
Andrea Mayer-Grenu, Universität Stuttgart, Abt. Hochschulkommunikation, Tel. 0711/685-82176,
E-Mail: andrea.mayer-grenu [at]hkom.uni-stuttgart.de