Home           Inhalt           Suchen

Stuttgarter unikurier Nr. 92 Dezember 2003
Exkursion der Wasserbauer nach China:
Von der Großen Mauer bis zum Drei-Schluchten-Damm

Mit der Teilflutung Anfang Juni 2003 begann die letzte von insgesamt drei Bauphasen des Drei-Schluchten-Projekts am Jangtse in China, dem derzeit größten Staudamm-Projekt der Welt. Bei einer 14-tägigen technischen Exkursion im April hatten 24 Studierende und Doktoranden aus dem Bereich Wasserbau der Universität Stuttgart Gelegenheit, die Dammbaustelle nahe Yichang in ihrer interessantesten Bauphase zu sehen und Partnereinrichtungen in China zu besuchen.
kleinbal.gif (902 Byte)

Auch an der Tongji University erhielten die Gäste Einblick in die Labors, hier eine Versuchseinrichtung zur Wasseraufbereitung.
Auf Anregung von Studenten des Master-Studiengangs WAREM (Water Resources Engineering and Management) hatte schon vor über einem Jahr die Organisation der Exkursion begonnen. Prof. Helmut Kobus, Emeritus am Institut für Wasserbau und ehemaliger Präsident der International Association for Hydraulic Engineering and Research (IAHR), war sofort bereit, seine Kontakte nach China zu nutzen und die Exkursion zu begleiten. Die international besetzte Gruppe - darunter neben Deutschen einige Chinesen, ein Bulgare, ein Ghanaer, eine Malayin - machte sich trotz der angespannten gesundheits- und weltpolitischen Lage (SARS, Irak-Krieg) am 31. März auf den Weg in die chinesische Hauptstadt. In Peking empfing Prof. Wang vom China Institute of Water Resources and Hydropower Research die Stuttgarter Gruppe und begleitete sie bei der 14-tägigen Reise über Wuhan, Yichang und Nanjing bis nach Shanghai.

Das neue China zeigte sich
Zunächst standen die Große Mauer, der Sommerpalast sowie die Verbotene Stadt im Zentrum Pekings auf dem Programm, allesamt eindrucksvolle Beweise chinesischer Baukunst. Erste wissenschaftliche Station war die Tsinghua University, Partnerhochschule der Universität Stuttgart und eine der renommiertesten Lehr- und Forschungseinrichtungen Chinas. Die Stuttgarter Gäste erhielten Einblick in hervorragend ausgestattete Übungslabors, in denen sich die Studenten selbst den gelernten Stoff bei Versuchen veranschaulichen können. Hochinteressant war ein sehr offener Vortrag über Chinas Wasserressourcen, deren Nutzung und die damit verbundenen Probleme. Nach der Besichtigung eines State Key Laboratory, in dem an einem riesigen physikalischen Modell die Sedimentation direkt oberhalb des Drei-Schluchten-Damms untersucht wird, gab es Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch mit chinesischen Studenten.

Auch an der Universität in Wuhan, der nächsten Station, werden Teilaspekte des Drei-Schluchten-Damm-Projekts untersucht; Schwerpunkte liegen hier auf der Fernerkundung und den hydroelektrischen Anlagen. Hier wird die Erosion direkt unterhalb des Dammes untersucht. Da die vorgesehene Zeit nicht ausgereichte, alle Fragen zu beantworten und Modelleinrichtungen zu zeigen, wurden die Stuttgarter Wasserbauer kurzerhand auf eine nächtliche Tour zu weiteren Instituten eingeladen, was den überall zu beobachtenden Willen der Chinesen, sich von der besten Seite zu zeigen, unterstrich. "Als westliche Gäste fühlten wir uns überall hochwillkommen, das neue China zeigte sich uns allerorten", meinte dazu Exkursionsteilnehmerin Eva Fenrich.

Energie für 400 Millionen Menschen
Höhepunkt der Exkursion war der Besuch des Drei-Schluchten-Damms bei Yichang. Am Vorabend empfing der Vizepräsident der verantwortlichen Projektgesellschaft China Yangtze Three Gorges Development Co. die Gruppe mit einem Bankett. Auf dem Weg zur Baustelle konnten die Stuttgarter im Modell-Center einen Überblick über das Projekt gewinnen: Wenn im Jahr 2009 der Bau des Dammes abgeschlossen und das dadurch entstehende, 600 Kilometer lange Staubecken komplett gefüllt sein wird, soll der Damm nicht nur einen wesentlichen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten, sondern mit einer installierten Leistung von 18,2 GW (entspricht etwa 13 Atomkraftwerken) den rapid ansteigenden Bedarf an elektrischer Energie der über 400 Mio. Einwohner im Yangtse-Becken zumindest teilweise befriedigen. Von einem extra angelegten Aussichtspunkt am linken Dammufer konnte man die fast fertiggestellten fünfstufigen Doppelschleusen sehen, durch die ein durchgehender Schiffsverkehr auf dem Yangtse, dem wichtigsten Transportweg in der Region, nach der Teilflutung sichergestellt wird. Nach Abschluss des Projekts werden hochseetaugliche Schiffe die über 1.000 Kilometer flussaufwärts im Landesinneren liegende Mega-City von Chongqing (30 Mio. Einwohner) erreichen können.

Bei der anschließenden zweitägigen Schiffstour den Yangtse stromauf durch die drei Schluchten mit Übernachtung auf dem Boot und in Wushan, einer aufgrund des steigenden Wassers bereits umgesiedelten Stadt, konnten sich die Exkursionsteilnehmer selbst ein Bild von den Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt und die Menschen machen. Einige der besichtigten Orte und Landschaften werden durch das im Endausbau um 70 Meter aufgestaute Wasser bald nicht mehr zu sehen sein.

Wasserbau-Universität Hohai
Nach der Besichtigung der wunderschön angelegten chinesischen Gärten in Suzhou stand wieder eine Universität auf dem Programm. Die Hohai University in Nanjing ist, wie der Name zumindest dem Chinesen schon sagt, eine ausgesprochene Wasserbau-Universität und langjähriger Kooperationspartner des Instituts für Wasserbau und insbesondere des Studiengangs WAREM. So wurden die Stuttgarter auch von einer WAREM-Absolventin an der Universität begrüßt. Hauptaugenmerk der Präsentationen und Führungen lag auf den Hochwasserschutzmaßnahmen im Unterlauf des Yangtse, die dort an großflächigen physikalischen Modelle untersucht werden.

Zum Abschluss der Exkursion empfing an der Tongji University in Shanghai der Leiter des UN Environmental Programme Institute for Environment and Sustainable Development die Teilnehmer. Er zeigte nicht nur seine Laboreinrichtungen für Wasseraufbereitung und Abwasserbehandlung, sondern gab auch Einblick in die Bemühungen seines Instituts zur Verbesserung der sanitären Verhältnisse im Zuge der Umsiedlungsmaßnahmen des Drei-Schluchten-Projekts. Die Tongji University ist übrigens der Gründungsort des ersten chinesischen IAHR Student Chapter nach dem Vorbild der Stuttgarter Gruppe, seinerzeit des ersten Student Chapter. Um viele Eindrücke, Erfahrungen und Kontakte im Sinne der Internationalisierung und Netzwerkbildung reicher kehrten die Stuttgarter Wasserbauer am 13. April zurück nach Stuttgart.

Eva Fenrich, Jürgen Brommundt, Jens Mödinger

KONTAKT
Jens Mödinger,
Institut für Wasserbau,
Pfaffenwaldring 61, 70569 Stuttgart,
Tel. 0711/685-6598, Fax 0711/685-6600,
e-mail: jens.moedinger@iws.uni-stuttgart.de

 


llast change: 17.12.03 / hj
Pressestelle der Universität Stuttgart

Home           Inhalt           Suchen