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Stuttgarter unikurier Nr. 90 November 2002
Technik und Naturwissenschaft am Gymnasium:
Schüler entwickeln Holzschaum 
 

„Das ist doch unmöglich! Holz kann man nicht schäumen“, sagen Fachleute und Laien. „Doch, das ist machbar, und zwar aus Abfall“, kontern Wissenschaftler. Dass dies tatsächlich funktioniert, lernen Schülerinnen und Schüler bei einem Projekt an der Uni Stuttgart, das von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gefördert wird. 

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Die Krupp-Stiftung bewilligte dem Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde (IKP) der Universität Stuttgart, der TheoPrax-Stiftung, dem Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal, den Firmen Tecnaro (Eisenach) und Sidler (Tübingen) sowie drei Schülergruppen aus dem Wirtemberg-Gymnasium Stuttgart-Untertürkheim, dem Albert-Einstein-Gymnasium Eisenach und dem Ludwig-Marum-Gymnasium Pfinztal-Berghausen 200.000 Euro für zwei Jahre. Das Projekt trägt dazu bei, die Kontakte der Universität Stuttgart mit Gymnasien zu intensivieren. 

Was tun mit dem Abfallstoff Lignin?
Holz besteht zu etwa 30 Prozent aus Lignin, einem duroplastischen Biopolymer, und zu rund 70 Prozent aus Zellulosefasern. Bei der Papierproduktion wird das unerwünschte Lignin herausgelöst, zu Pulver getrocknet und verbrannt. Norbert Eisenreich, Jürgen Pfitzer und Helmut Nägele fanden 1997 einen Trick, aus dem Lignin-Abfallpulver mit einer Kunststoff-Spritzgießmaschine Auto-Innenverkleidungen, Uhrengehäuse, Krippenfiguren, Armlehnen, Drehgriffe und weitere Produkte großserienfähig herzustellen. Sie fügten dem Lignin wieder Naturfasern zu, wie beispielsweise Hanf, Sisal, Flachs oder Chinaschilf, und entwickelten Arboform® als spritzgießfähiges natürliches Kunstholz, dessen Eigenschaften denen von Buchenholz ähneln. Die Nachwuchsforscher Pfitzer und Nägele gründeten die Tecnaro GmbH. Bei der Suche nach neuen unternehmerischen Ideen und Aufträgen entstand gemeinsam mit TheoPrax das Projekt „Holzschäume“. Ziel dabei ist, durch Zugabe von Treibmitteln während der schmelzflüssigen Verarbeitung bei etwa 150 Grad Celsius in der Spritzgießmaschine das Lignin aufzuschäumen und anschließend einzufrieren. Bereits die Vorversuche klappten, und die Idee wurde zum Patent angemeldet. Aufgabe im von der Krupp-Stiftung geförderten Projekt ist nun, diese Idee durch Experimente und Literaturstudien abzusichern, zu verbreitern und mit den Projektpartnern im vorwettbewerblichen Stadium an den Markt heranzuführen.

Die Schüler und Schülerinnen der beteiligten Gymnasien bringen sich mit lehrplanintegrierten Seminar- und Leistungskursen in Chemie, Physik und Technik in diese Forschung ein. Wissenschaftler der Uni Stuttgart und des Fraunhofer-ICT in Pfinztal führen sie an die Aufgabe heran, so dass sie nach wenigen Monaten vollwertige Mitglieder im Forschungsverbund werden. Reise- und Kommunikationskosten übernimmt die Krupp-Stiftung, das Rohmaterial samt Know-how liefert Tecnaro, und Sidler hilft mit teuren Werkzeugen und praxisnahem Entwicklungswissen aus. 

Theorie - mit Versuchen garniert
In Theorieblöcken an der Uni und in Pfinztal, eingebettet in spannende Versuche, lernten die Schüler Grundlagen verstehen. Da schäumte Polyol mit Wasser und Isozyanat zu Polyurethanschaum auf, ein eingefrorener Scheibenwischgummi zersplitterte wie Glas, ein Kunststoff-Milchbecher schrumpfte bei 130 Grad Celsius wieder zur Folie zurück, ein Löffel Super-Absorptions-Pulver (SAP) saugte binnen einer Minute einen Viertel Liter Wasser auf und wurde zum Gelee... Kürzlich trafen sich 60 Schülerinnen und Schüler der drei beteiligten Gymnasien an der Uni Stuttgart, um vor Ort die Grundlagen zur physikalisch-chemischen Charakterisierung von Kunststoffen zu erarbeiten. Schüler und Lehrer machten sich anschließend nach eigenem Bekunden mit Begeisterung daran, das Erfahrene in die wissenschaftliche Arbeit im Projekt umzusetzen. 

Gabriele Twardon/zi

Kontakt
Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde, Pfaffenwaldring 32, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-3009, 
Fax 0711/685-2066,
e-mail: twardon@ikp.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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