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Stuttgarter unikurier Nr. 90 November 2002
Stuttgarter Forscher sind den Strömungen auf der Spur:
Ein Blick tief ins Innere des Bodensees
 

Ein Herbststurm Anfang November am Bodensee. Was von außen betrachtet relativ harmlos aussieht, hat unter der Wasseroberfläche dramatische Konsequenzen. Kaltes Wasser aus Tiefen bis etwa 40 Meter wird im Bereich Meersburg-Hagnau an die Oberfläche gedrückt. Hat der Wind nachgelassen, fällt es innerhalb weniger Stunden bis in eine Tiefe von etwa 80 Metern zurück. Wissenschaftler der Universität Stuttgart haben gemeinsam mit Kollegen anderer Forschungseinrichtungen eine Reihe solcher Ereignisse während einer Messkampagne im vergangenen Herbst festgehalten. 

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Beim 3. Bodensee-Seminar in diesem Sommer, das vom Institut für Wasserbau gemeinsam mit dem baden-württembergischen Umweltministerium und der Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein veranstaltet wurde, konnten erste Ergebnisse vorgestellt werden. 

Computermodelle für Seen
Anlass der Messkampagne war das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt „Modellierung kurzperiodischer interner Wellen in Seen”. Unter der Leitung von Professor Helmut Kobus vom Institut für Wasserbau und Professor Jörg Imberger vom australischen Centre for Water Research an der University of Western Australia werden schwerpunktmäßig so genannte kurzperiodische interne Wellen in temperaturgeschichteten Seen untersucht. Für den Betrachter am Seeufer sind die mit internen Wellen verbundenen Auf- und Abwärtsbewegungen der Wasserschichten nicht wahrnehmbar. Während langperiodische interne Schwingungen des Bodensees im Herbst Perioden von etwa vier Tagen haben, liegen sie bei kurzperiodischen internen Wellen im Minutenbereich. Die Energie, die von internen Wellen transportiert wird, ist bedeutend für turbulente Mischungsvorgänge und hat daher wesentlichen Einfluss auf ökologische Prozesse, besonders auf die Primärproduktion. Diese hängt vom Transport von Nährstoffen aus tiefen Schichten in die lichtdurchflutete Zone nahe der Wasseroberfläche ab und ist ein wichtiges Merkmal der Wassergüte. Auch der Eintrag von Sauerstoff in tiefere Schichten ist davon beeinflusst. Kurzperiodische interne Wellen sind in bestehenden Computermodellen noch nicht ausreichend erfasst. Das universell einsetzbare Rechenmodell ELCOM für die Simulation von Strömungs- und Transportprozessen in geschichteten Seen wird daher im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojekts weiterentwickelt. 

Gemeinsame Messkampagne
Während den fünfwöchigen Messungen im Oktober und November 2001 waren acht Messstationen im Bodensee fest verankert. Im 10-Sekundentakt wurden die Wassertemperaturen bis in 100 Meter Tiefe sowie die Windstärke und Windrichtung über der Wasseroberfläche gemessen und damit das Strömungsverhalten des Bodensees für typische Windereignisse erfasst. Diese Datenbasis erlaubt, Strömungs- und Transportprozesse im Bodensee besser zu verstehen und Computermodelle weiterzuentwickeln. 
Die durchgeführten Messungen haben die tatkräftige Unterstützung zahlreicher am Bodensee ansässiger Institutionen und Interessengruppen gefunden, wie etwa der Universität Konstanz, der Eidgenössischen Anstalt für Wasserbau, Abwasser und Gewässerschutz, des Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle, des Instituts für Seenforschung der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, den Wasserversorgungsunternehmen, der Wasserschutzpolizei und der Berufsfischer. Durch frühzeitige Abspra-che konnten so Kräfte gebündelt und weitere eigenständige Messprogramme verschiedener Forschungseinrichtungen zeitgleich durchgeführt werden. 

Grundlagenforschung für den Gewässerschutz
Diese Grundlagenforschung ist ein Baustein für eine praxisnahe Nutzung innerhalb des Gewässerschutzes. So sollen Rechenmodelle helfen, zukünftige Entwicklungen der Wasserqualität zu prognostizieren und Antworten auf Fragen zu geben: „Wie schnell und wohin würden sich Schadstoffe im Falle eines Unfalles im See ausbreiten? Wie können regelmäßige Messprogramme, beispielsweise der Wasserversorger, optimiert werden?”. Damit soll zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung wertvoller Naturressourcen wie dem Bodensee beigetragen werden.
Inzwischen haben die Wissenschaftler ihre Messkampagne auch im Internet dokumentiert unter Einsatz des Informationssystems TURTLE, das in Zusammenarbeit mit Dr. Frank Molkenthin von der BTU Cottbus entwickelt worden ist. Diese Informationsplattform ist auch eine wichtige Grundlage für die internationale Zusammenarbeit mit den australischen Wissenschaftlern im Projekt sowie für die weitere wissenschaftliche Auswertung nach einer Freigabe des Datenschatzes.

Messmethoden und Messergebnisse unter:
http://www.iws.uni-stuttgart.de/~hfwave/
http://www.iws.uni-stuttgart.de/~hfwave/database/measurement_program_2000/

Kontakt
Institut für Wasserbau, Pfaffenwaldring 61, 70550 Stuttgart,
Tel. 0711/685-4715, 
Fax 0711-685-7020, 
e-mail: Jochen.Appt@iws.uni-stuttgart.de

 


last change: 25.11.02 / gh
Pressestelle der Universität Stuttgart

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