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Stuttgarter unikurier Nr. 86 September 2000
Sonntagsmatinee (II): 
Philosophie - was ist das?
 

Die Frage „Philosophie - was ist das?“ hat sich wohl jeder schon einmal gestellt und eine vielleicht nur unbefriedigende Antwort gefunden. So lockte die Uni mit diesem Thema am 4. Juni wieder zahlreiche Gäste zur zweiten Sonntagsmatinee im Sommersemester. 

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Die Philosophie, Mutter der Wissenschaften, hätte eigentlich am Anfang der Veranstaltungsreihe „Sonntagsmatinee - Stuttgart zu Gast in der Universität“ stehen müssen, führte Prof. Dr. Eckart Olshausen in den Vormittag ein. Da sich diese aber selbst nicht so sicher sei, wo sie hingehöre, sei ihr spätes Auftreten zu entschuldigen.
Sicher sei jedoch, wo der Referent hingehört. Seit 1975 lehrt Prof. Dr. Günther Bien am Institut für Philosophie, Pädagogik und Psychologie der Universität Stuttgart. Zuvor hat er viele Lehr- und Wanderjahre hinter sich gebracht. In Anbetracht des neuen Hochschulgesetzes kam Eckart Olshausen zu der nachdenklichen Aussage: „Bedenken Sie, was er hätte zahlen müssen“, und zu der Frage, ob die Zukunft wohl noch Wissenschaftler mit einer derart „breiten“ Ausbildung hervorbringen könne?

Unsichere Stellung schon bei Thales
Zur Philosophie sind viele Zugänge möglich, der akademische, das Philosophische Café oder philosophische Praxen. Eine Woche früher, und Günther Bien wäre mit einem Strauß gekommen, tat er den Zuhörern kund, denn „am 28. Mai 585 vor Christus hat die Philosophie Geburtstag“. Damals sagte die Gründerfigur der Philosophie, der griechische Philosoph und Mathematiker Milet von Thales, eine Sonnenfinsternis voraus. Den Aufgeklärten und Vorgewarnten auf dem Schlachtfeld verhalf er damit zum Sieg, denn die Unwissenden flüchteten vor dem unbekannten Phänomen.
Schon bei Thales zeigte sich die unsichere Stellung der Philosophie. Von Plato ist überliefert, Thales, der Weltfremde, sei beim Blick in die Sterne in einen Brunnen gefallen. Aristoteles dagegen berichtet, Thales habe, nachdem er eine große Olivenernte vorausgesagt habe, alle Mühlen aufgekauft und dann als Monopolist teuer vermietet. So wollte er beweisen, daß die Philosophie alles andere als unwissend und weltfremd sei, sondern sogar pragmatische Konsequenzen haben könne und sich damit auch Geld verdienen lasse.

„Schmaler Weg zur Weisheit“
Jeder Mensch hat seine Philosophie fürs Leben, sogar der bekannte Schauspieler Hugh Grant, wie Prof. Bien zeigte. Seine Maxime fürs Leben - sich stark zeigen und zuschlagen, wenngleich vielleicht auch mal zu früh - mußte sich allerdings gefallen lassen, als nicht effizient und auch nicht unbedingt moralisch gerechtfertigt angesehen zu werden. Detektive arbeiten mit Psychologie, so zumindest „Father Brown“, den der Schriftsteller G.K. Chesterton seine Fälle in Anbetracht der Philosophie des Menschen lösen ließ. Und auch die Werbung hat sich der Philosophie zugewandt.
„Die Philosophie ist ein schmaler Weg zur Weisheit, der durch die enge Pforte der Wissenschaft führt“. An den Universitäten waren daher noch bis in das heutige Jahrhundert hinein beispielsweise die Naturwissenschaften der Philosophie zugeordnet. „Nun sind die Kinder aus dem Haus“, und die Philosophie beschäftigt sich mit sich selbst und ihrer Geschichte, erklärte Prof. Bien deren heutige Stellung. Doch wenn an den Grenzen der verschiedenen Wissenschaften Paradoxa auftreten, die anhand des vorhandenen Weltbilds nicht zu klären sind, dann sei die Philosophie immer noch gefragt. Ein charakteristischer Zug der Philosophie ist, daß sie einmal Akzeptiertes stets aufs neue nachfragt und Einsichten immer wieder in Frage stellt. Sie soll aber auch zur Abwehr unangenehmer Gefühle dienen und zur Erhaltung der geistigen Jugend... 

J.Alber

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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