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Stuttgarter unikurier Nr.79/Juni 1998
Zur Emeritierung von Prof. Eisenmenger:
Grundlagenforschung und Praxisnähe
 

Nach über 27 Jahren engagierter und erfolgreicher Tätigkeit an unserer Fakultät wurde am 31. März 1998 Prof. Dr. Wolfgang Eisenmenger, Ordinarius für Physik und Leiter des 1. Physikalischen Instituts, emeritiert.

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Studiert hat Wolfgang Eisenmenger an der TH Aachen und der Universität Göttingen. Er promovierte 1958 bei Prof. Erwin Meyer mit einer experimentellen Arbeit auf dem Gebiet des Ultraschalls, für die er den Preis der Fakultät Physik der Universität Göttingen erhielt. Die in dieser Arbeit von Eisenmenger entwickelte Methode zur Messung der Oberflächenspannung durch parametrische Anregung von Kapillarwellen wurde bereits wenig später für eine technische Anwendung genutzt, nämlich die Erzeugung von Ultraschallnebel mit definierter Tröpfchengröße. Dies ist ein Beispiel dafür, wie aus einer originellen experimentellen Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer wissenschaftlichen Fragestellung neuartige technische Anwendungen folgen können.

„Technikfolge" in diesem Sinne hatte auch die wissenschaftliche Arbeit, mit der sich Eisenmenger 1964 in Göttingen habilitierte: Die Bestimmung der resultierenden Steilheit von Druckfronten bei ihrer Ausbreitung in Flüssigkeiten. Der für diese Untersuchungen entwickelte elektromagnetische Stoßwellengenerator fand mehr als 20 Jahre später eine wichtige Anwendung in der Medizin bei der nichtinvasiven Nierensteinzertrümmerung.

f_s69.jpg (41408 Byte)Eine weitere folgenreiche Idee konnte Eisenmenger 1966 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei den Bell Laboratories in Murray Hill realisieren: Die Erzeugung und den Nachweis von Phononen mit supraleitenden Tunnelkontakten. Diese Methode, zur Phononenspektroskopie weiterentwikkelt, hat für die Untersuchung von Defekten in Halbleitern und Isolatoren, von Grenzflächen und dünnen Schichten interessante neue Möglichkeiten erschlossen.

Im Herbst 1969 wurde Wolfgang Eisenmenger auf einen Lehrstuhl für Experimentalphysik in Stuttgart berufen und übernahm die Leitung des 1. Physikalischen Instituts. Forschung und Lehre, beides war von Anfang an für Eisenmengers akademische Tätigkeit wesentlich und wurde von ihm mit großem Engagement, mit Einfallsreichtum und Beharrlichkeit betrieben.

Auf der Seite der Forschung wurde zunächst die Phononenspektroskopie zu einer empfindlichen und flexiblen Untersuchungsmethode entwickelt und auf ganz unterschiedliche Fragestellungen angewendet. Eine internationale Anerkennung der Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet bedeutete insbesondere die Ausrichtung der 4. International Conference on Phonon Scattering in Condensed Matter 1983 in Stuttgart.

Am Anfang eines weiteren Arbeitsgebiets, der Untersuchung des piezoelektrischen Effekts von Polymerfolien, stand ebenfalls eine originelle Idee: Ein durch die Folie laufender, steiler Drucksprung als Sonde für Polarisations- und Ladungsverteilungen im Innern des Materials. Als eine Art Schi.htmlikroskopie ist auch diese experimentelle Technik für die Praxis interessant, zumBeispiel für die Schichtdickenbestimmung bei mehrlagigen Lackschichten.

Die weitere Beschäftigung mit dem Thema Stoßwellen hat zu neuen Erkenntnissen bei der Kavitation und der Zerreißfestigkeit von Wasser geführt und unter anderem auch zur Entwicklung eines speziellen, einfach eichbaren Glasfaser-Sondenhydrophons, das ebenfalls für die Praxis von großem Interesse ist. Auch der elektromagnetische Stoßwellengenerator wurde für diese Untersuchungen weiterentwikkelt und fand Interesse für die medizinische Anwendung. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch die langjährige Zusammenarbeit mit dem Biologischen Institut (Prof. Dieter Hülser).

Die Kavitation spielt eine zentrale Rolle bei dem erst vor wenigen Jahren aufgenommenen Arbeitsgebiet, der sogenannten Einzelblasen-Sonolumineszenz. Hier geht es um die experimentellen Bedingungen und die Ursachen für die kurzen Lichtblitze (und Schallpulse), die beim Blasenkollaps in der Überdruckphase eines treibenden Ultraschallfeldes entstehen. Nach kurzer Zeit bereits konnten auch auf diesem Gebiet entscheidend neue Resultate gewonnen werden, die auf zahlreichen Internationalen Fachkonferenzen vorgestellt wurden.

Ein weiteres Arbeitsgebiet, im Gegensatz zu den oben genannten ohne Bezug zur Akustik, ist die Rastertunnelmikroskopie an epitaktischen Schichten organischer Moleküle. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Molekulare Elektronik" geht es hier unter anderem um schaltende Moleküle. Durch den erreichten submolekularen Bildkontrast ergaben sich interessante Fragen hinsichtlich der elektronischen Zustände dieser Moleküle und deren Abbildung.

Auch in der Lehre hat sich Wolfgang Eisenmenger in Stuttgart sehr verdient gemacht. Es war ihm ein Anliegen und Vergnügen, durch immer wieder neu erdachte Experimente die Anfängervorlesung Experimentalphysik I und II für die Studierenden der Physik und anderer Fakultäten attraktiv zu gestalten. Eisenmenger hat sich stets auch hochschulpolitisch engagiert, wofür seine langjährige Mitgliedschaft im Verwaltungsrat als Beleg dienen mag.

In Anerkennung seiner wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet des Ultraschalls und der Phononenspektroskopie wurde Wolfgang Eisenmenger 1995 der Robert-Wichard-Pohl-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft verliehen. Seit 1988 ist er korrespondierendes Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften. Von 1984 bis 1994 war er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung. Wir, seine langjährigen Kollegen, blicken mit großer Dankbarkeit auf seine engagierte Tätigkeit in Forschung und Lehre zurück, und wir wünschen ihm für seine Zukunft alles Gute.

M. Pilkuhn
M. Wagner

Foto: Eppler

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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